Blutsbrüder – Brunn am Gebirge

(c) Alex List

„Kennt ihr die Geschichte vom Johnstone Zwillingspaar, wo jeder wie das Spiegelbild vom anderen Bruder war? Wie einer bei der Mutter blieb, den anderen gab sie fort – und wie Geburt und Tod sie eint, am selben Tag, am selben Ort.“ Mit dieser Sequenz beginnt der Musicalerfolg „Blutsbrüder“ aus Willy Russels Feder, der bereits im vergangenen Jahr im Bruno in Brunn am Gebirge bei den Sommerfestspielen Erfolge feiern durfte. Vom 28.-30. November 2019 kehrt es noch einmal zurück und lässt die Erinnerung an die Sommerfestspiele 2018 noch einmal lebendig werden. Für nur drei Spieltage erfolgt die Wiederaufnahme des Musicaldramas und lädt alle Interessierten ein, es noch einmal zu erleben.

Dean Welterlen führt mit sicherer Hand Regie und haucht dem überaus dramatischen Stoff, der seit über 35 Jahren die Bühnen erobert, sehr feinfühlig Leben ein.

(c) Saskia Eglhofer

Mrs. Johnstone, alleinerziehende Mutter von fünf Kindern, bemüht sich verzweifelt, ihnen ein gutes Leben zu bieten und arbeitet hart dafür. Immer wieder mangelt es an Geld, was sie schließlich dazu bringt, einen Job als Haushälterin bei einem wohlhabenden, aber kinderlosen Ehepaar anzunehmen. Familie Lyons scheint all das zu besitzen, was sie sich selbst erträumt, dennoch neidet sie ihnen den Wohlstand nicht, denn auch in dieser Beziehung gibt es Schattenseiten. Eine davon ist die räumliche Trennung von Mrs. Lyons zu ihrem Mann, der ständig auf Geschäftsreise ist, eine weitere die ungewollte Kinderlosigkeit. Besessen bemüht Mrs. Lyons sich darum, eine eigene kleine Familie zu gründen, als Mrs. Johnstone erneut Mutter wird und sich Gedanken darüber macht, wie sie die erwarteten Zwillingssöhne ernähren soll. Ein aus Verzweiflung geschmiedeter Plan der beiden ungleichen Frauen verselbstständigt sich und scheint von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

(c) Alex List

Nachdem sie schweren Herzens eingewilligt hat, einen der Söhne ihrer Arbeitgeberin zu überlassen, verliert Mrs. Johnstone auch noch ihre Stelle, was sie erneut in eine Notlage bringt. Mit der Zeit entwickeln sich dramatische Wirrungen um die beiden Söhne, die in völlig unterschiedlichen Verhältnissen aufwachsen, sich immer wieder über den Weg laufen und auf eine besondere Weise zueinander hingezogen fühlen, jedoch ohne ihre wahre Identität zu erahnen. Erst mit der letzten Szene erfüllt sich die Prophezeiung, als sie beide in derselben Minute sterben, in der sie erfahren, was sie eigentlich verbinden sollte.

Russel macht sich mit seinem Stück die Legenden, die sich um die besondere Beziehung zwischen Zwillingen ranken, zu Nutze und spinnt eine Geschichte darum, die die Zuschauer augenblicklich in ihren Bann zieht. Ein Erzähler verknüpft die Geschehnisse geschickt miteinander und führt durch die Geschichte, die von ständigen Orts- und Perspektivwechseln lebt.

Das Stück erzählt von Liebe, Tod, Intrigen, Vorurteilen, sozialer Ausgrenzung, Armut und Wohlstand, von Familie und inniger Freundschaft. Bis hin zu Besessenheit, Krankheit und Tod. Facettenreich kommt ein Drama in knapp drei Stunden auf die Bühne und wird von der Musik getragen.

(c) Alex List

Das Ende kommt nicht überraschend, wird es doch bereits in der ersten Szene vorweggenommen und dem Publikum lediglich der Weg dorthin aufgezeigt. Hierzu bedarf es keiner großen Kulissen. Das Bühnenbild ist denkbar einfach gehalten, liegen sich doch die Wohnhäuser beider Familien gegenüber und in der Bühnenmitte lässt sich eine gemeinsame freie Spielfläche finden. Über Projektionen im Hintergrund werden auf geschickte Weise Ortswechsel verdeutlicht und es findet bereits optisch im Aufbau eine räumliche Trennung beider Milieus statt, die bis zum Ende beibehalten wird. Schon von Beginn an fühlt der Zuschauer sich teilweise ins Liverpool der 1960er Jahre zurückversetzt, was neben dem Bühnenbild auch den detailreichen Kostümen Sigrid Dregers zu verdanken ist, eine Anzahl moderner Elemente zeigt jedoch auf, dass große Teile der Thematik auch in der heutigen Zeit aktuell sind.

Aber wirklich lebendig wird ein solches Stück erst durch eine fantastische, überzeugende Besetzung. In diesem Fall ist Produzentin Maya Hakvoort, die selbst die Rolle der Mrs. Johnstone übernimmt, diese Aufgabe hervorragend gelungen.  Ihre Figur zeichnet sie mit viel Liebe zum Detail. Anfangs noch voller Hoffnungen und glücklicher Erinnerungen, zeigt sie sich am Ende als verbitterte Frau, die den Verlust zweier Söhne beklagt und deren Emotionen sich auf das gesamte Publikum übertragen.

Ihre Gegenspielerin ist Ann Mandrella, die Mrs. Lyons verkörpert und ihrer Figur eine Entwicklung zum Antagonisten angedeihen lässt, die in Folge ihrer stetig wachsenden Hysterie ihre Ehe mit ihrem Gatten (Thomas Weissengruber) aufs Spiel setzt.

Als eines der anderen Johnstone-Kinder, Sammy, steht Matthias Trattner auf der Bühne. Sein Lebensweg verläuft nicht geradlinig, schon früh übt er sich in kleineren kriminellen Geschäften und wird immer dreister, was seine Untaten angeht. Schon bald gehören Diebstähle und Überfälle für ihn zur Tagesordnung und sein Einfluss auf seinen jüngsten Bruder ist denkbar schlecht. Dennoch lockert Sammys Auftreten die stets angespannte Stimmung immer wieder auf und zeigt einige neue Aspekte.

(c) Saskia Eglhofer

Die Zwillinge Micky Johnstone und Edward Lyons stehen jedoch im Mittelpunkt des Geschehens. Daniel Eckert als Micky durchlebt die größte Entwicklung im gesamten Musical. Überzeugend weiß er einen Siebenjährigen zu verkörpern, der verzweifelt nach einem besten Freund sucht, und wächst mit der Zeit über sich selbst hinaus. Berührend ist es mit anzusehen, wie seine Figur absolut authentisch eine Entwicklung durchmacht, die von kindlicher Naivität über jugendlichen Leichtsinn und Liebe bis hin zu Rebellion, Ausweglosigkeit zu einer Verzweiflungstat führt. Eckert zieht bei seiner Darbietung jedes Register seines schauspielerischen Könnens und sorgt für eine Achterbahnfahrt der Gefühle, aus der es kein Entrinnen gibt.

Doch auch Kollege Johannes Huth als Edward Lyons stellt seinen Charakter sehr gekonnt und geradlinig dar. Schnörkellos und aufrecht bildet der junge Edward einen Gegenpol zu seinem Zwilling. Besonders überzeugend sind jene Momente, in denen die Brüder gemeinsam auf der Bühne agieren und später ihr Herz an dasselbe Mädchen verlieren.

Das Mädchen und die spätere Ehefrau Mickys, Linda, wird von Stephanie Lorenz-Stauffer gespielt. Sie besticht vor allem durch ihr tänzerisches Talent und bringt stimmliche Leichtigkeit mit, die es zu einer absoluten Freude werden lassen, ihr zuzusehen.

Den Kreis der Geschichte beginnt und beendet Drew Sarich als Erzähler. Mit jedem Auftritt gewinnt die Figur an Dominanz und Farbe, bis schließlich mit dem Ende der Höhepunkt erreicht ist. Das eindringliche musikalische Thema trägt hier ebenso zur Authentizität bei wie auch Sarichs unverwechselbares Schauspiel.

Der Kreis schließt sich nach etwa drei atemberaubenden Stunden voller Emotionen und Entwicklungen. „Kennt ihr die Geschichte vom Johnstone Zwillingspaar, wo jeder wie das Spiegelbild vom anderen Bruder war? Wie einer bei der Mutter blieb, den anderen gab sie fort – und wie Geburt und Tod sie eint, am selben Tag, am selben Ort.“

Nach einer starken und hochemotionalen Wiederaufnahmepremiere, bei der es lichttechnisch einige Herausforderungen zu bewältigen gab, wird selbst diese Kleinigkeit in den kommenden Vorstellungen sicher behoben sein. Wer Interesse daran hat, die ganze Geschichte zu erfahren, ist bis zum 30. November 2019 noch herzlich eingeladen, sich „Blutsbrüder“ auf der Bühne im Veranstaltungszentrum „Bruno“ in Brunn am Gebirge anzusehen. Karten gibt es direkt über die Veranstaltungsseite und an der Abendkasse.

 

Weiterführende Links und Informationen:

Regie: Dean Welterlen
Musikalische Leitung: Jeff Frohner

Mrs. Johnstone: Maya Hakvoort
Micky: Daniel Eckert
Edward: Johannes Huth
Erzähler: Drew Sarich
Mrs. Lyons: Ann Mandrella
Mr. Lyons: Thomas Weissengruber
Sammy: Matthias Trattner
Linda: Missy May

in weiteren Rollen: Wolfgang Postlbauer, Jasmin Shahali, Jonas Peter Zeiler

 

#amonea #amoneamusicalworld #musical #brunn #blutsbrueder #billyrussel #mayahakvoort #danieleckert #johanneshuth #drewsarich #annmandrella #thomasweissengruber #matthiastrattner #missymay #zwillinge #legende #twins #emotion

Teilen via:

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert