Die Königs von Kiez

Eine herrlich schräge und überdrehte Familie

 

(c) Ingo Boelter

Das als Musical mit Herz und Promille beworbene „Die Königs vom Kiez“ zieht bereits seit seiner Uraufführung 2013 Abend für Abend viele Menschen in das Schmidt Theater am Spielbudenplatz. Damit ist das Stück über die Familie mit dem adeligen Namen König, ebenso wie das im großen Bruder Schmidts Tivoli aufgeführte „Heiße Ecke“, zu einem Dauerbrenner auf dem Hamburger Kiez, dem Vergnügungsviertel der Hafenstadt, geworden. Das aus der Feder von Martin Lingnau, Heiko Wohlgemuth und Mirko Bott stammende Musical, für die Regie zeichnet Corny Littmann verantwortlich, wäre auch nirgendwo besser platziert. Mit rund 430 Sitzplätzen ist das als Verzehrtheater gestaltete und in dunklen Rottönen gehaltene Haus recht klein. Bereits vor Beginn laden im Foyer Sitzecken zum gemütlichen Verweilen ein und dort kann man auch den Abend bei gemütlichem Thekentratsch, zu dem sich immer nach der Aufführung auch die Darsteller gesellen, donnerstags sogar begleitet von Live-Musik, ausklingen lassen.

Die Vorstellung startet, wie in allen Theatern der Schmidt-Dynastie üblich, mit einer immer wieder neu und witzig gestalteten, persönlichen Einführung durch den Theaterleiter, die am heutigen Abend den Sicherheitserklärungen in einem Flugzeug ähnelt und der ebenfalls obligatorischen etwa zwanzigminütigen Verspätung. Die Bühne ziert, mit einer aufwändig gestalteten Kulisse, die Wohnung der herrlich überdrehten, mit viel Schnauze ausgestatteten und schrägen siebenköpfigen Familie, deren Mittelpunkt ein alter, „gammeliger“ Perser-Teppich in einer armselig ausgestatteten Küche bildet. Die Geschichte bedient bald jedes Klischee, welches einem nur einfallen kann. Die Geschwister – die Zwillinge Benny und Björn, der eine schwul, der andere baut Gras an, Pamela, gerade mal zarte 15 Jahre jung und schon selbst Mutter eines Säuglings mit Namen Brutus und die ältere, in dieser Familie einzige erstaunlich gradlinige Marie – versuchen wirklich alles, die am Existenzminimum nagende Familie, der nicht nur der Strom mangels Zahlung abgeschaltet, sondern zu allem Überfluss auch noch die Wohnung wegen bestehender Mietschulden gekündigt wird, nebst bettlägerigen Oma und Kleinkind irgendwie über die Runden zu bringen. Das Familienoberhaupt, Vater König, von allen nur der Käpt’n genannt, trägt zur Rettung der Situation als ständig Volltrunkener lediglich eine Alkoholfahne und das Leeren sämtlicher Geldverstecke bei, wodurch sich das Familieneinkommen immer noch weiter schmälert. Als weitere Beteiligte treten Tochter Maries Freund Alex, seines Zeichens Polizist, was er wohlweislich geheim hält, ein Drogendealer und Abnehmer der vom Sohn gezüchteten Pflanzen, potenzielle Väter des Säuglings, sowie Vaters bester Freund und Inhaber seiner Lieblingskneipe auf den Plan.

Es muss dringend Geld her – aber wie? Dies ist die zentrale Frage, der sich die Familienmitglieder gegenübersehen. Der Erfindungsreichtum, wenn auch meist nicht ganz legal, kennt keine Grenzen. Um das Licht für die Pflanzen und dem Baby warme Milch zu sichern, wird der Strom im Treppenhaus angezapft und Benny versucht es mit einem legalen Job – er steigt in das Kostüm des Maskottchens des von seinem Vater verhassten Fußballvereins und erntet damit wenig Begeisterung. Björn bietet einem Dealer seine selbstgezogenen Drogen an und Pamela versucht sich im Erschleichen von Alimenten für ihren Sohn, dem später ein Priester aus einer Gewissensschuld heraus nachkommt. Einzig Nachbarin Berta verfolgt ganz andere Ziele – sie hat es, ganz liebestoll, darauf abgesehen, den Käpt’n zu erobern.

(c) Ingo Boelter

Jeder hat seine eigenen Probleme, aber dennoch arbeiten alle gemeinsam an der Lösung des einen Existenzgefährdenden, obwohl die Last auf ihren Schultern immer größer wird. Schließlich kommt ihnen der Zufall in Form einer Lottofee zur Hilfe. Oma hat eine immense Summe gewonnen und braucht nur noch zu unterschreiben, aber… Es hilft nichts, auch hier müssen alle zusammenhalten und im Wege stehende Schwierigkeiten galant umschiffen. Aber der Kiez ist ja bekanntlich eine große Familie – alle halten fest zusammen.

Wer einen Abend einfach Spaß haben möchte und kurzweilige Unterhaltung sucht, ist hier genau richtig. Das Stück spricht seine ganz eigene Sprache und tangiert damit frei Schnauze auch viele Tabuthemen – aber man ist eben auf dem Kiez und sieht ein Stück über ihn. Dies sollte jedem, der eine der Vorstellung besucht, bewusst sein, dann sind den Lachtränen keinerlei Grenzen gesetzt. Die „Königs vom Kiez“ lebt von einem Wortwitz und einer Situationskomik, die ihresgleichen sucht. Die sieben Darsteller glänzen stimmlich wie darstellerisch in den fast doppelt so vielen Rollen und haben jede Menge Spaß an ihrem Tun, was sich sowohl vor als auch auf der Bühne unmittelbar wiederspiegelt.

Die CD „Die Königs vom Kiez“ mit den Highlights aus der Vorstellung kann für 12 Euro an der Theaterkasse erworben werden. Auch hier zeigt sich der Zusammenhalt am Kiez überdeutlich, da alle Künstler auf Gagen und Tantiemen aus dem Erlös verzichten und somit der Reinerlös dem Hamburger Hospiz Leuchtfeuer zur Verfügung gestellt werden kann.

„Die Königs vom Kiez“ spielt noch bis zum 15. Juni 2019, verabschiedet sich dann in eine wohlverdiente Sommerpause, bevor es vom 17. Oktober bis 30. Dezember 2019 eine weitere Spielzeit geben wird.

Es spielten:
Käpt’n: GÖTZ FUHRMANN
Pamela König: KATRIN TAYLOR
Marie König: KATHRIN FINJA MEIER
Benny und Björn König: BENJAMIN ZOBRYS
Alex/Wirt: JÖRN LINNENBROEKER
Berta Possehl/Frau Dr. Winkelmüller: MARAILE WOEHE
Ranjid/Dealer/Priester/Bofrostmann: VEIT SCHAEFERMEIER

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