Die Schöne und das Biest

…im Eurogress Aachen

am 30. Januar 2020

 

(c) Jef Kratochvil

 

„Die Schöne und das Biest“ – die romantische Geschichte über eine selbstlose Liebe ist immer wieder Garant für eine großartige Unterhaltung. Die junge Bella geht im Austausch gegen ihren Vater in das verwunschene Schloss des schrecklichen Biests. Dort angekommen stellt sie schnell fest, dass das Monster gar nicht so biestig ist wie geglaubt, bekommt zunächst Mitleid, merkt dann aber, dass sich hinter der rauhen Schale ein weicher Kern verbirgt. Die beiden verlieben sich trotz seines scheußlichen Aussehens ineinander und durch diese Entwicklung gelingt dem von einer Fee verzauberten Biest die Rückverwandlung zum schönen Prinzen.

Im Eurogress, einem Veranstaltungszentrum mitten in der Aachener Innenstadt, macht die bereits an Weihnachten gestartete Tour mit dem Musical „Die Schöne und das Biest“ kurz vor ihrem Ende am 30. Januar 2020 halt und beschert den gespannten Zuschauern ein paar magische Stunden. Allerdings sollte man sich nicht täuschen lassen – von diesem Musical gibt es zwei Versionen. Zum einen eine Disney-Version, die sicher die Mehrzahl der Menschen vom Film oder Theater kennen, zum anderen aber auch die Version des deutschen Komponisten Martin Doepke (Idee: Andrea Friedrichs und Hans Holzbecher, Buch: Christian Bienieck, Liedtexte: Elke Schlimbach und Grant Stevens), die hier zu Lande als Original-Version gilt. Ihre Welturaufführung fand zwar rein zeitlich gesehen etwa fünf Monate nach der von Walt Disney (18.04.1994, Palace Theatre, Broadway, New York), am 22. September 1994, im Kölner Sartory-Theater statt, war aber damit die erste in Deutschland.

(c) Kai Heimberg

Leider ist vielen Besuchern auch des heutigen Abends dieser kleine aber feine Unterschied nicht bekannt und noch weniger bewusst. Martin Doepke zeichnet eine realere und ursprünglichere, geringer aufgerüschte und handfestere Geschichte, die mit weitaus weniger Schnickschnack und Farben auskommt als ihr Pendant. So beschränken sich in seiner Version die bei Disney in einer Vielzahl vertretenen verwandelten Hausdiener wie beispielsweise Teekanne und -tasse, Kerzenleuchter oder Standuhr auf lediglich einen Sessel (Markus Wegner) und ein Cello (Melanie Ott), die zudem noch in der gesamten Aufführung stumm daherkommen, sowie die Hausdame (Sophie Alter). Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht zum einen im Ort der Erzählung, die in Doepkes Variante in Deutschland angesiedelt ist und in den zum Teil mit typisch deutschen Namen ausgestatteten Protagonisten sowie in der Musik, die sich recht deutlich vom Gegenstück unterscheidet. Doepkes Partitur bietet eine gelungene und rund klingende Mischung aus Balladen, Up-Tempo-Stücken und schnellen Ensemblenummer, lässt aber bei Vielen die in den Ohren klingenden eingängigen Songs aus dem Disney Musical bzw. Film vermissen.

Das Bühnenbild ist zwar – den täglich unterschiedlichen Theatern geschuldet – minimalistisch, allerdings absolut ausreichend und aussagekräftig in mehreren dreieckigen Säulen angelegt, die die Bühne durch Rotation vom Bauerndorf über den Wald in das Schloss verwandeln. In der Aachener Location kann das sehr gut besetzte und spielende, zehn Mann starke Orchester leider keinen Platz hinter dem Geschehen finden, sondern muss mittig zwischen Bühne und Auditorium untergebracht werden. Es erklingt damit oft sehr laut und leider gelingt es nur den wirklich großvolumigen Stimmen, verlässlich hinüber ins Publikum zu gelangen.

Die Besetzung der diesjährigen Tour bietet mit Alexander di Capri ein Biest, der seine ganze Erfahrung in dieser Rolle – spielt er sie doch bereits zum vierten Mal in eben dieser Version – einbringen kann. Sein Biest transportiert die Emotionen stimmgewaltig und facettenreich von gruselig-böse bis verzweifelt-sanft in die Zuschauer. Seiner Wut und seinem Hass macht er laut und unbeherrscht Luft, Angst und Verzweiflung verwandeln geschickt gesetzte sanfte Töne und Bewegungen in fast zum Greifen nahe Gefühle.

Die junge Marie Wegener, die 2018 mit gerade mal 16 Jahren die 15. Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ gewann und damit die bis dahin jüngste Gewinnerin wurde, macht hier nicht nur die ersten Schritte überhaupt auf einer Musicalbühne, sondern ist auch direkt in der Hauptrolle zu bewundern. Sie macht dabei nicht nur schauspielerisch eine ausnahmslos gute Figur, sondern gibt der schönen Bella die nötige jugendliche Unschuld, gepaart mit der richtigen Portion Mut und Selbstbewusstsein. Es gelingt ihr durchaus an vielen Stellen gesanglich eindrucksvoll zu punkten, an wenigen blitzt manchmal ihre geringe Erfahrung im Musicalgenre noch durch und das durchschlagende Orchester macht es ihr nicht immer leicht.

(c) Jef Kratochvil

Marc Chardons in der Rolle des aufdringlich-naiven, sehr von sich eingenommenen, aber etwas dümmlichen Machos Gustav zieht die Lacher unweigerlich wie mit einem Magneten auf seine Seite, bedient das nötige Klischee des abgewiesenen Liebhabers mit all seinen Rachegelüsten aufs Feinste und zeigt in Stimme und Spiel eine großartige Darbietung. Eva Kuperion und Laura Luisa Hat (Grete und Ilse) spielen die beiden Schwestern herrlich überzogen und Sophie Alter (Mathilde) zeigt sich mit ihrer unverwechselbaren Stimme herzerwärmend und stets optimistisch an der Seite des schrecklichen Biestes.

In die Rolle der Fee, der Erzählerin im Stück, schlüpft Pamina Lenn. Unaufdringlich und immer mitten im Geschehen zieht sie, obwohl sie für die geschehenen Verwandlungen verantwortlich zeichnet, ihre Fäden unsichtbar immer weiter, sicher in ihrer Sache und mit überaus positiver Ausstrahlung. Ihre glockenklare Stimme und darstellerische Sicherheit schaffen sofortige Sympathie ihrer Rolle gegenüber. Über ihren Feenstab lenkt sie nicht nur die Geschicke auf der Bühne, sondern auch die Gedanken der Zuschauer nach ihrem Wunsch.

Das hochkarätige, 24 Künstler umfassende Ensemble kreiert ein gelungenes Gesamtbild, dem es an nichts fehlt.  Sofern man sich auf die Geschichte, wie Doepke sie interpretiert, einlassen kann, steht einem mehrstündigen Ausflug in die Welt der Fabeln und Magie nichts im Wege.

Weiterführende Links:
Alexander di Capri
Marie Wegener
Semmel Concerts
Meyer-Konzerte
Eurogress Aachen

 

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