„Es gibt keinen Tag in meinem Leben, wo ich das bereue“- Im Gespräch mit Patrick Stanke

Am 9. November feiern die „3 Musketiere“ Premiere am Theater Magdeburg. Mit 270 Kostümen, 26 Bildern und der Mitwirkung von Solisten, Ballett, Opernchor, Statisterie und großem Orchester verspricht Regisseur Ulrich Wiggers eine gewaltige historische Produktion, bei der bis hin zu den Fechtszenen – unter der Leitung des renommierten Bühnenkampftrainers Klaus Figge – und sogar den Bühnenumbauten alles sorgfältig durchchoreografiert ist.

© Theater Magdeburg

Zwei Wochen vor der Premiere gab es im Theater Magdeburg im Rahmen einer Matinee einen kleinen inhaltlichen und musikalischen Einblick in die Produktion. Wir hatten die Gelegenheit, diese zu besuchen und im Anschluss ein Gespräch mit Patrick Stanke, der in der Inszenierung den Kardinal Richelieu verkörpern wird, zu führen – über seine Rückkehr zu den Musketieren (er war 2005 deutsche Original-Cast des D’Artagnan) und nach Magdeburg, wo er 2009 als „Jesus Christ Superstar“ schon einmal auf der Bühne stand.

Wie fühlt es sich an, nach so vielen Jahren zu den „3 Musketieren“ in einer anderen Rolle als damals zurück zu kehren?

Meine Sicht auf das Textbuch, auf das Stück ist jetzt eine ganz andere als damals.

Als „Tipp-Geber“ für Florian Peters, den Magdeburger D’Artagnan, sieht er sich jedoch überhaupt nicht. Florian soll die Rolle selber erfinden und seinen Weg selber suchen, umso ehrlicher wird auch sein D’Artagnan.
Er gibt aber auch zu: Ich habe auch im ersten Moment gedacht, schaffe ich das? Kann ich das so offen akzeptieren, dass jemand anders „meine“ Rolle spielt. Das war schon ein kurzer komischer Moment.

Aber ich habe auch selbst genug zu tun mit meiner Rolle. Ich habe Spaß daran, der Bösewicht zu sein. Mit dieser Aufgabe, den Kardinal Richelieu zu spielen, bin ich jetzt hier und ich bin echt überrascht, wie toll dieses Stück und diese Rolle sind.
Ich sehe das Stück jetzt auch aus einer ganz anderen Richtung. D’Artagnan hat so viel zu tun, dass man gar keine Augen und Ohren hat für andere Rollen, geschweige denn für logische Zusammenhänge, die dich als D’Artagnan gar nicht betreffen. Das ist jetzt schon was ganz anderes. Jetzt kapier ich auch viel mehr und ich muss sagen, es ist schon ziemlich gut, alt zu werden, das macht schon Spaß.

Patrick Stanke ist Kardinal Richelieu (©Nilz Böhme)

Natürlich denkt er bei der Entwicklung der Kardinalsrolle auch schon mal zurück an die 2005er Produktion.
Vor allem an die Szenen, die ich als D’Artagnan zusammen mit dem Kardinal hatte, erinnere ich mich sehr gut. Aber jetzt bin ich auf der anderen Seite und muss meinen eigenen Weg finden, es selbst zu fühlen und zu spielen. Wenn man Ähnlichkeiten zu damals finden möchte, liegen die natürlich im Look oder im Gang, das ist ziemlich eindeutig als Kardinal oder als Priester. Aber auch das versuche ich aufzubrechen. Denn natürlich bin ich in der Öffentlichkeit ein Priester, aber im Inneren eben auch ein Mensch. Der Kardinal ist nicht einfach ein Bösewicht, er ist vor allem zu sich eben auch zu 100 Prozent ehrlich. Das passt nicht immer in die Situation eines jeden anderen und deshalb stößt er eben auch an. Aber das macht er nicht, weil er böse sein oder reich werden oder Gott werden will, sondern weil er selber daran glaubt. Und das macht ihn eben zum Menschen und das macht ihn auch so verständlich. Wenn ich es hinkriege, dass die Zuschauer mir glauben, dass ich das wirklich ernst meine und dass ich das wirklich so fühle, dann werden sie auch sagen: Ja, der hat irgendwie Recht.

Was dürfen die Zuschauer von dieser Inszenierung erwarten? Hast du Lieblingssongs?

Das Musical trifft jeden Menschen, holt jeden da ab, wo er gerade ist, denn es gibt für jeden, der im Zuschauerraum sitzt, einen Part auf der Bühne. Man erkennt sich wieder als junges Mädchen in Constance oder als junger Mann in D’Artagnan. Dann gibt es eben auch Geschäftsmänner, die erkennen sich vielleicht im König. Oder da ist die Frau, die sagt ‚Die Königin lässt sich aber ganz schön an der Nase herumführen, die soll jetzt mal ein Machtwort sprechen.‘ Jeder findet sich irgendwie wieder. Da sind so viele Geschichten und vielschichtige Charaktere in diesem Stück, wie es nicht so oft vorkommt.
Dazu kommt, dass die Musik unfassbar gut geschrieben ist. Die Musik ist toll, die Geschichte ist toll.
Wenn ich Lieder als Highlights aus diesem Stück herausnehmen müsste, dann ist das die Reise von d’Artagnan. Alles, was er singt ist, wie die Lieder der anderen auch, immer handlungsvorantreibend, es sind tolle Melodien und tolle dramatische Momente. Auch das Thema der Musketiere „Einer für alle“ geht einem nicht mehr aus dem Kopf. Damit schlafe ich abends ein und wache morgens damit auf.
Jedes Lied im Stück hat seine Berechtigung, es gibt kein Lied, was da zu viel ist, denn jedes Lied beschrieb genau den Moment und hilft uns, die Charaktere besser zu verstehen und die Handlung voran zu treiben.

Katja Berg als Mylady de Winter und Johannes Wollrab als Rochefort. (©Nilz Böhme)

Wie war es für dich, nach zehn Jahren nach Magdeburg zurück zu kommen?

Zum damaligen Zeitpunkt habe ich Jesus in vier Produktionen gleichzeitig gespielt, kann mich aber sehr gut an die Magdeburger Version erinnern. Das war schon was ganz Besonderes. Ich fand es toll, als ich jetzt in Magdeburg wieder aus dem Zug gestiegen bin. Ich dachte mir ‚Ja, hier war ich schon mal und hier habe ich mich sehr wohl gefühlt‘ und ich freue mich sehr, dass ich wieder hier bin und ich fühle mich nach wie vor richtig wohl in Magdeburg. Es macht mir Spaß hier am Theater.

Seitdem hat sich in der Musicalszene in Deutschland und vor allem auch in Magdeburg einiges getan…

Ich freue mich, dass das Genre Musical an Stadttheatern wie hier in Magdeburg immer mehr Beachtung findet. Es ist für mich super interessant, dass so viele Städte in Deutschland dieses Genre immer mehr ernst nehmen. Das bedeutet für mich, dass ich die Gelegenheit habe, an vielen Orten dieses Landes spielen zu dürfen.
Ich erinnere mich, als ich 1999/2000 gesagt habe, ich studiere jetzt Musical, da hieß es: ‚Musical ist doch pleite‘. Das war die Zeit, als „Stella“ Pleite ging, aber ich dachte mir: Stella ist ein Unternehmen, Stella ist nicht Musical. Ich will Schauspiel und Gesang verbinden und das ist genau mein Ding und das studiere ich jetzt.
Und es gibt wirklich keinen Tag in meinem Leben, wo ich das bereue.

Du arbeitest gern und viel an Stadttheatern. Warum?

Der große Vorteil für uns Künstler an der Arbeit an Stadttheatern ist, dass wir innerhalb kürzester Zeit viele Rollen für uns entdecken können. Im Unterschied zu Produktionen wie z.B. bei der „Stage“. Wenn ich ein Jahr lang Tarzan spiele, spiele ich ein Jahr lang Tarzan. In dem Jahr vor Tarzan habe ich an acht Stadttheater-Produktionen gleichzeitig gespielt, innerhalb eines Jahres acht Rollen gelernt, acht Regisseure gehabt an acht verschiedenen Theatern mit acht unterschiedlichen Teams aus Maskenbildnern, Kostümbildnern, Kollegen, unter immer anderen Gegebenheiten. Das ist ein Gottesgeschenk. Was das Stadttheater uns gibt, ist die beste Gelegenheit überhaupt, so viel aus diesem Beruf heraus zu ziehen, wie es geht. So können wir zeigen, wie wandlungsfähig und vielseitig unser Job ist.

Apropos „Stage“: Wie schafft man es bei En Suite Produktionen, jeden Tag, acht Mal pro Woche die gleiche Rolle, das gleiche Stück zu spielen?

Das ist eine Konditionierung, die man sich selbst beibringen muss. Man muss jeden Tag die Geschichte aufs Neue erzählen und jeden Tag den Menschen, die im Zuschauerraum sitzen, den Respekt zollen, dass sie viel Geld bezahlt haben und so auch das Recht haben, die Geschichte erzählt zu bekommen. Da spornt einen natürlich an, wenn man weiß, diese Menschen sind der Grund, warum du hier oben auf der Bühne sein darfst, die bezahlen das, was deine Leidenschaft ist. Also gib es ihnen auch.

Wir danken Patrick Stanke für das Gespräch.

Zum Stück und zur Inszenierung

Lucius Wolter als Athos (l.) und Philip Grabowski (r.) als Kardinalsgardist. (©Nilz Böhme)

Frankreich, 1626. Der draufgängerische D’Artagnan bricht nach Paris auf, um in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und ein Musketier der königlichen Garde zu werden. An der Seite der Musketiere Athos, Porthos und Aramis kämpft er gegen die Machenschaften des königlichen Beraters Kardinal Richelieu, der durch perfide Intrigen gegen das Königshaus seine eigene Machtposition zu stärken versucht. Die Musketiere und D’Artagnan setzen ihr Leben aufs Spiel, um die Ehre der Königin gegen Richelieu und seine Spionin, die rätselhafte Milady de Winter, zu verteidigen. Doch als sich D’Artagnan in die schöne Kammerzofe Constance verliebt, gerät auch diese in Gefahr …

Das Musical, 2003 uraufgeführt in Rotterdam, feierte seine Deutsche Erstaufführung 2005 in Berlin und ist seitdem in Deutschland vielfach inszeniert worden. In Magdeburg ist es Regisseur Ulrich Wiggers ein besonderes Anliegen, die Handlung sehr konkret im 17. Jahrhundert zu verorten, um die Geschichte lebendig und authentisch werden zu lassen. Ausstatter Leif-Erik Heine hat dazu ein Bühnenbild geschaffen, das im schnellen Wechsel immer wieder neue Situationen und Räume kreiert und damit einen fast filmischen Ablauf ermöglicht. Auch die Kostüme sind von historischer Kleidung des 17. Jahrhunderts inspiriert. Zur Echtheit der Handlung tragen die Fecht- und Kampfszenen bei, für die Klaus Figge gewonnen werden konnte, der als renommiertester Bühnen-Kampftrainer im deutschsprachigen Raum gilt.

Dem Inszenierungsteam steht ein herausragendes Ensemble zur Verfügung: Florian Peters, 2018 als Marius in „Les Misérables“ auf der Freilichtbühne Tecklenburg gefeiert, kämpft als draufgängerischer D’Artagnan an der Seite der Musketiere Athos (Lucius Wolter), Porthos (Benjamin Eberling) und Aramis (Dániel Rákász) gegen die Machenschaften des Kardinal Richelieu, für den kein Geringerer als Patrick Stanke gewonnen werden konnte. Der erfolgreiche Musicaldarsteller wurde für seine Rolle als D’Artagnan 2005 in der Deutschen Erstaufführung in der Kategorie „Bester Schauspieler“ für den Goldenen Vorhang des Berliner Theaterclubs nominiert. Die zwielichtige Milady de Winter wird in Magdeburg verkörpert von Katja Berg. Ihr Debüt am Theater Magdeburg gibt Katia Bischoff als schöne Kammerzofe Constance.

Damian Omansen als musikalischer Leiter wird auch diesem Musical spannende neue klangliche Facetten entlocken, ist „3 Musketiere“ doch bekannt für die mitreißende Musik von Pop-Balladen bis Rock-Songs aus der Feder der Produzenten Bolland/Bolland, die schon für Falco und Status Quo komponierten.

Premiere für die “3 Musketiere” ist am 9.11.2019, weitere Vorstellungen: Sa. 16. 11. / So. 1. 12. / Mo. 23. 12. 2019 / Sa. 4. 1. / So. 12. 1. / So. 9. 2. / Sa. 22. 2. / Sa. 7. 3. / Sa. 28. 3. / Mo. 13. 4. / So. 31. 5. 2020
Karten unter www.theater-magdeburg.de

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