I am from Austria

Anders als man vielleicht erwartet und keinesfalls nur für Einheimische

 

(c) VBW – Deen Van Meer

 

Aus bereits bestehendem Material ein Musical zu machen ist nicht immer einfach. Kritiker finden daran immer einen Stein des Anstoßes und vor allem ist das bei so genannten „Jukebox-Musicals“ der Fall, die auf zuvor existierenden Liedern basieren, um welche dann eine eigene Geschichte herumgestrickt wird. In der Vergangenheit hat dies häufig gut funktioniert, besonders Titel großer national bekannter Künstler, oder international beliebter Gruppen eignen sich für derartige Experimente.

Mit „I am from Austria“ ist Titus Hoffmann und Christian Struppeck ein ganz besonderer Coup gelungen. Es basiert auf Liedern des bekannten österreichischen Liedermachers Rainhard Fendrich und der Titel ist so vieldeutig, wie aussagekräftig. Der 1989 komponierte Song entstand laut Fendrich ursprünglich, um sowohl Stolz als auch Kritik für sein Land auszudrücken. Seitdem erfreut es sich größter Beliebtheit und wird von den Bürgern als „inoffizielle Bundeshymne“ gefeiert. Quasi mit der Muttermilch saugen Österreicher „I am from Austria“ auf und damit eignet es sich perfekt als Aufhänger für ein Musical.

Am 16. September 2017 wurde das Stück im Wiener Raimund Theater uraufgeführt und läuft dort seitdem vor täglich fast ausverkauftem Haus mit großem Erfolg. Wir konnten uns, kurz vor der von Vielen traurig erwarteten Dernière, am 21. Mai noch einmal ins Hotel Edler einbuchen. Es bleibt der Wunsch, dass dieses großartige Stück, eventuell nach der anstehenden umfangreichen Renovierung des momentan heimatlichen Raimundtheaters und dem Umweg über Asien, den Weg zurück auf diese oder eine der anderen österreichischen Bühnen finden wird. Vielleicht starten die Vereinigten Bühnen Wien, denen bereits mit anderen Inszenierungen erfolgreiche Kooperationen in Deutschen Theatern gelangen, aber auch den Versuch, dieses Musical in Deutschland zu zeigen, denn auch hier sind Reinhard Fendrich und seine Lieder keine Unbekannten.

Hollywoodstar Emma Carter steigt mit ihrem Manager Richard Rattinger im Traditionshotel Edler ab. Grund für ihre Reise nach Österreich ist der Wiener Opernball, auf dem sie ihren neuen Film promoten soll. Das Haus Edler steht für Tradition und vor allem dafür, seinen Gästen auch den kleinsten Wunsch von den Augen abzulesen. Emma möchte unerkannt bleiben, was jedoch gründlich misslingt, da der Hotelpage Felix ihren Besuch schamlos bei Twitter ankündigt. Dies ruft sowohl die Wiener High-Society als auch einen Haufen Paparazzi auf den Plan, die dem Gast einen unerwarteten Empfang bescheren. Um seinen Freund zu decken, nimmt Josi Edler, der Sohn der Direktoren, die Schuld auf seine Kappe. Überhaupt befindet er, sei das ganze Konzept des Hotels überholt und er stellt seinen Eltern einige neue Ideen für die Umgestaltung des Hauses vor. Seine Mutter Romy ist von den Vorschlägen wenig begeistert, sie arbeitet seit Jahren darauf hin, endlich den fünften Stern verliehen zu bekommen und drängt darauf, alles beim Alten zu belassen. Wolfgang Edler, wesentlich kompromissbereiter, hört die Vorschläge seines Sohnes zwar an, kann sich allerdings gegen Romy auch nicht wirklich durchsetzen. Fest steht für beide Direktoren allerdings sofort, dass sich ihr Junior wegen der Veröffentlichung der Prominentenankunft entschuldigen muss.

(c) VBW – Deen Van Meer

Unterdessen erklärt Emma Carter ihrem Manager, dass sie den Opernball sowie das Land grundsätzlich ablehnt und erst als dieser schließlich die Suite verlässt, wird klar, dass sie selbst – nach einem Familienstreit entwurzelt – nicht so recht weiß, wohin sie gehört. Als der Juniorchef eintritt, um sich mit der berühmten Edler-Torte bei ihr zu entschuldigen, kommen sich die beiden unverhofft näher und es endet damit, dass Josi ihr exklusiv eine Führung durch das Hotel anbietet.

Romy Edler und ihr Mann Wolfgang haben, neben denen des Hotels, noch ihre ganz eigenen Probleme. Sie vermutet, ihr Mann habe eine Affäre, was dieser heftig verneint und ein Streit entsteht.

Den einzigen Überblick über das Chaos hält Chef-Concierge Elfie, die seit gefühlten 300 Jahren bereits mit allen Eventualitäten vertraut und ebenso mit allen Wassern gewaschen ist.

Der Ehrengast und der Juniorchef erreichen auf ihrem Rundgang die Patisserie und werden dort versehentlich in einem Kühlraum eingesperrt. Um die Zeit zu überbrücken unterhalten sie sich und er erfährt ihren wahren Namen und einiges über ihren Weg nach Hollywood. Während die jungen Menschen in der Eiseskälte auf ihre Befreiung warten, sucht Rattinger panisch nach Emma. Ihn treibt noch eine ganz andere Idee voran, als ausschließlich die Promotion ihres Films, hält er doch den ebenfalls zufällig anwesenden argentinischen Fußballprofi, Pablo Garcia, für den perfekten Lebensgefährten seines Stars. Emma hingegen befindet Josi als die bessere Begleitung und fragt ihn kurzerhand mitzukommen. Nach einiger Überlegung stimmt er zu, lässt sich aber nach ihrer Befreiung von Rattinger irritieren, der ihn lediglich für ein viel zu kleines Licht hält, als dass er Emma gerecht werden könnte. In seiner Sorge sucht er den Rat seines Vaters. Der erste Akt endet damit, dass Josi voll neu gewonnenem Elan den hochrangigen Gast auf eine nächtliche Tour durch Wien einlädt. Dieser Ausflug hält neben allerhand Abenteuer der ungewöhnlichen Sorte, auch eine Menge Spaß bereit, lässt sie jedoch am Ende unangenehm von Fans umzingelt werden.

(c) VBW – Gregor Buchhaus

Page Felix kann die beiden aus der Situation befreien und gewährt ihnen Unterschlupf in seiner Wohnung, wo sie am kommenden Morgen erwachen und er zweite Akt beginnt. Zum Dank überlässt der Juniorchef seinem Freund die Schlüssel für seinen Sportwagen. Felix möchte diesen schon länger fahren, um damit ein Mädchen für sich gewinnen zu können. Emma offenbart sich Josi und erzählt ihm von ihrem Familienstreit und ihrem Aufwachsen in Österreich. Dieser reagiert verständnisvoll, muss jedoch schnell los, um einen neuen Fitnessbereich im Hotel Edler zu eröffnen, zu dem er extra Pablo Garcia als „Special Guest“ hinzu gebeten hat. Er ist spät dran und während man auf ihn wartet, improvisieren der Fußballer und Chefconcierge Elfie eine etwas andere Eröffnungsfeier.

Die Polizei durchkämmt die Stadt nach dem vermeintlich entführten Hollywoodstar, gefunden wird allerdings nichts als ein Schöpflöffel, mit dem Emma am Vorabend gemeinsam mit Josi Essen an Obdachlose ausgegeben hat. Auch der Streit in der Familie Edler droht zu eskalieren, als die vermeintliche Geliebte des Direktors auftaucht. Romy stellt ihren Mann zur Rede und er gesteht, dass es sich bei der Frau um die Angestellte eines Reisebüros handelt, die er darum gebeten hat, einen Traumurlaub für sie zusammenzustellen.

(c) VBW – Deen Van Meer

Nach der feierlichen Eröffnung des Fitnessbereiches hat Emma, die eigentlich Adele Waldvogel heißt, eine Überraschung für den Juniorchef. Sie holt ihn ab und gemeinsam machen sie einen Ausflug mit dem Helikopter in die Berge. Auf dem Großglockner erkennt sie endlich, wohin sie gehört und wo ihre Wurzeln noch immer sind. Sie verbringen eine gemeinsame und sehr innige Nacht in der Hütte ihrer Eltern. Am kommenden Morgen ist diese Hütte dann, sehr zu ihrem Schrecken, von Paparazzi umzingelt und es entstehen verratende Fotos. Emma ist sehr verletzt, da sie die Schuld, ohne weiter nachzudenken, direkt auf ihren Begleiter schiebt. Ihr Manager eilt ihr zur Hilfe und bringt sie zurück nach Wien. Dort stellt er sie vor die Wahl, den Opernball mit dem Fußballstar zu besuchen und ihre Verlobung bekannt zu geben, oder er lässt sie ins offene Messer laufen. Bei ersterer Wahl würde er die Fotos zurückkaufen und für ihre Vernichtung sorgen.

Noch immer gekränkt lehnt sie beide Möglichkeiten ab, sowie auch jedes Gespräch mit Josi, der inzwischen schwer verliebt und geknickt wieder zu Hause ist. Auch Felix hat Kummer, denn er hat das Herz des Mädchens nicht erobern können und obendrein noch den Sportwagen zu Schrott gefahren.

Irgendwann verrät Rattinger sich, so dass Emma begreift, dass er für die Intrige verantwortlich zeichnet und stimmt bekümmert einem Gespräch mit Josi zu. In der Patisserie versucht sie alles, um sich von ihm zu trennen, doch ihr Herz spricht eine andere Sprache. Mit Pablo Garcia an ihrer Seite lässt sie am Ende auf dem Wiener Opernball die Bombe platzen. Vor laufenden Kameras erklärt sie ihre Liebe zu Österreich, zu dem jungen Juniorchef des Hotels Edler und Pablo Garcia gesteht erleichtert, dass auch er bereits in Argentinien einen Lebenspartner habe.

(c) VBW – Deen Van Meer

Am Ende jagd Emma ihren Manager zum Teufel und Wolfgang Edler hält eine Überraschung für seine Frau bereit. Er überreicht Romy einen Umschlag mit dem lang ersehnten fünften Stern und gemeinsam entschließen sie sich die Führung des Hauses endlich in die Hände ihres Sohnes abzugeben.

Also Ende gut, alles gut? – Nein! Wirklich ALLES ist gut – im Gesamten gesehen! Inhaltlich hält „I am from Austria“ alles bereit, was es für eine verworrene Liebesgeschichte braucht. Überraschende Wendungen, viel Witz, eine Prise Bitterkeit, es sprüht vor Charme und vor allem kann sich der geneigte Zuschauer sofort mit den Hauptfiguren auf der Bühne identifizieren. Es wird emotional – das Publikum lacht herzhaft, fiebert mit und kramt nicht selten auch verstohlen nach Taschentüchern. Die Probleme, so überzogen sie auch dargestellt sind, können einfach jeden treffen. Streit, Versöhnung, Liebe, alles was auch das wahre Leben bereithält. Nur wird es in diesem Fall auf der Bühne des Raimund Theaters binnen drei sehr kurzweiligen Stunden rasant erzählt.

Das Hotel Edler verwandelt sich auf der drehbaren Bühne zu diversen unterschiedlichen Orten des Geschehens. Die Patisserie mit ihrem großen Kühlraum und den sehr detailverliebten, sprechenden Torten ist genauso sehenswert, wie die mehrstöckige Suite von Emma Carter oder die großzügige Lobby, in der Elfie „residiert“. Unzählige Anspielungen, begonnen bei der Edler-Torte, die doch bitte auf keinen Fall mit Sacher zu vergleichen ist, bis hin zu Elfies verwunderlichen Äußerungen, ziehen sich durch das gesamte Stück und sind auch für nicht-einheimische reizvoll und unterhaltsam. Hervorragend wird das Bühnenbild durch Projektionen im Hintergrund ergänzt, wo neben einem Lauf durch das Publikum und hinaus ins Foyer des Theaters, auch einige wunderbare Landschafts- und Luftaufnahmen von Wien und Österreich zu sehen sind. Ein ganz besonderes Highlight ist der Helikopterflug und die gesamte Szenerie in den Bergen, die ergreifender kaum sein könnte.

Gewöhnungsbedürftig und vielleicht auch etwas „mutig“ ist, dass „I am from Austria“ nicht etwa auf Hochdeutsch oder Englisch aufgeführt wird, sondern die Landsleute direkt anspricht. Die österreichische Sprache geht sehr unter die Haut und wird für alle, die sie nicht komplett verstehen,  – allerdings in Englisch – übertitelt.

(c) VBW – Deen Van Meer

Die Charaktere sind glaubwürdig und charmant, auch wenn gerade Concierge Elfie sehr überzeichnet wird. Die Darstellung von Viktoria Schubert ist großartig und man nimmt ihr nicht nur den Spaß an der Rolle ab, sondern ist zu jeder Zeit davon überzeugt, dass eine solche Person mit ihren fantastischen Geschichten und ihren Lösungen für jedes Problem irgendwo tatsächlich existiert.

Karin Seyfried und Andreas Steppan geben ein sehr standhaftes und willensstarkes Bühnenpaar ab. Mit dem Biss und dem Blick für den Erfolg arbeitet Romy Edler für ihr Lebensziel, das Hotel zum Erfolg zu führen, und ihr Mann Wolfgang kämpft ebenso hart um seine Ehe, in welcher er Nähe und Zuneigung vermisst. Beide harmonieren sehr stimmig miteinander und am Ende findet das Paar dann tatsächlich einen gemeinsamen Weg, nachdem all ihre Wünsche in Erfüllung gegangen sind.

Heute steht die Zweitbesetzung Martin Bermoser als Josi Edler auf der Bühne und steht Lukas Perman, der diese Rolle als Erstbesetzung geprägt hat, in nichts nach. Er zeichnet seinen Charakter charmant und geht in seiner Rolle gänzlich auf. Die vielen Facetten des Juniorchefs, als der er eben nicht nur den Sinn fürs Geschäft hat, sondern auch das Menschliche nicht vergisst, machen ihn über alle Maßen sympathisch und lassen ihn in jeder Szene authentisch wirken. Egal, ob er in der Suppenküche arbeitet, halb entkleidet in einer Berghütte sitzt, oder im Smoking auf dem Opernball tanzt. Bermoser verwandelt sich in seiner Rolle häufig und gekonnt und nie lässt er das Publikum auch nur eine Sekunde an seiner Persönlichkeit zweifeln.

Mit Iréna Flury ist Hollywoodstar Emma Carter besetzt. Vom ersten Ton ihrer zahlreichen Soli an, jagt sie dem Zuschauer eine Gänsehaut über den Körper. Ganz offensichtlich lebt sie ihren Charakter und ganz besonders bei der Reprise des Titelliedes „I am from Austria“ fällt es schwer, seine Emotionen im Griff zu halten.

Doch auch der Unsympath Richard Rattinger, braucht seinen Platz in einem solchen Stück. Als undankbare Figur, die vom ersten Moment an nur wenig Punkte sammeln kann, haucht Martin Pasching ihm wunderbar überzeugend Leben ein.

Als Fußballstar Pablo Garcia steht Karim Ben Mansur auf der Bühne und überzeugt dabei nicht nur mit seiner Dribbelkunst.

Das Ensemble, auch all jene, die namentlich nicht genannt werden können, agiert hervorragend und harmonisch miteinander. Die Choreographien und Kostüme sind vielfältig, häufig überzogen bunt und schrill, aber dennoch eine Augenweide.

(c) VBW – Deen Van Meer

Wen wundert es also, dass mit dem Verklingen des letzten Tones das gesamte Publikum sofort auf den Beinen ist, und frenetisch Beifall spendet. Auch wenn die Lieder bekannt sind, so ist die Geschichte darum herum mit viel Liebe zum Detail neu erfunden. Die Irrungen und Wirrungen um das 4,5 Sterne Hotel ziehen nicht umsonst zahllose Menschen in ihren Bann. Wer lediglich eine seichte Unterhaltung erwartet, wird erstaunt sein, wieviel tatsächlich Tiefgründiges man während der Vorstellung erlebt. Auch die Melodien bleiben nachhaltig im Ohr und man stellt fest, dass einem doch viel mehr der Lieder Rainhard Fendrichs bekannt sind, als zunächst gedacht.

Das Musical ist es definitiv wert, nicht gänzlich zu verschwinden und ist sicherlich nicht nur für Österreicher eine Augen- und Ohrenweide.

Weiterführende Links:

Iréna Flury
Martin Bermoser
Andreas Steppan
Martin Pasching
Matthias Trattner
Lukas Perman
Musicalvienna

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