Mamma Mia! – Partystimmung im beschaulichen Tecklenburg

…besuchte Vorstellung: Premiere, 14. Juni 2024

 

(c) Holger Bulk

 

Es ist Musicalsommer-Zeit in Tecklenburg. In diesem Jahr steht das 100jährige Jubiläum der hoch über dem malerischen kleinen Städtchen gelegenen Freilichtbühne an. Am 20. Juli 1924 wurde in der Burgruine mit „Wilhelm Tell“ von Friedrich Schiller zum ersten Mal ein Schauspiel aufgeführt. Heute gilt das mit 2.300 Sitzplätzen ausgestattete Theater, die weitaus meisten davon überdacht, als die größte Freilichtbühne Deutschlands.

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Für dieses besondere Jahr in der Geschichte des weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Open Air Theaters haben sich die Verantwortlichen als zweites Stück die Neuinszenierung des bereits 2010 auf dem Spielplan gestandenen Musicals „Die 3 Musketiere“ (Premiere: 19. Juli 2024 – 20 Vorstellungen – Derniere: 15. September 2024) erneut auf die Fahne geschrieben. Als Kinderstück wird, wie bereits im Vorjahr, „Madagaskar“ gezeigt.

Mit dem Zugpferd „Mamma Mia!“ aber wagt sich die für ihre großartigen und mitreißenden Inszenierungen bekannte Bühne an das erfolgreichste Musical der Welt und steckt es dafür in ein neues Gewand. Wer könnte besser geeignet sein, den Inhalt des Stücks erstmalig Open Air zum Leben zu erwecken, als Ulrich Wiggers. Er kennt die überaus geräumige Bühne aus vielen bereits durch seine Regie-Finger gelaufenen Inszenierungen und ebenso die Produktion, in der er selbst schon unzählige Mal zu sehen war, bestens.

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Und natürlich erkennt jeder, der schon einmal in den Genuss einer Inszenierung von Wiggers kam, seine Handschrift. Es gelingt ihm auch hier wieder, eine stimmige Inszenierung zu zaubern, den eigentlichen Party-Gedanken des Stückes hervorzuheben und dem Stück eine passende Beschwingtheit zu geben, die keine Langeweile aufkommen lässt. Dabei verlegt er die Handlung und die Befindlichkeiten der Personen ins moderne Hier und Jetzt. Geschickt gesetzte augenzwinkernde Verweise auf andere Produktionen, wie beispielsweise „Drei Hochzeiten und – ach nee, vier Hochzeiten und ein Todesfall“ oder auch Spitzfindigkeiten wie die göttliche Hermesstatue, die pfeilschnell sprintend die Briefe Sophies an ihre vermeintlichen Väter transportiert, sorgen für Witz und Lacher. Die ernsteren Szenen sprechen dabei ihre eigene Sprache, wirken nachhaltig, verlieren sich aber nie in der gelösten Grundstimmung oder bringen den Spaß am Geschehen gar ins Wanken. Durch den ihm ebenfalls wieder zur Verfügung stehenden gewaltigen Chor der Bühne Tecklenburg entstehen selbst bei Szenenwechseln keine unterbrechenden Pausen. Jede Sekunde auf der Bühne ist mit Aktion gefüllt. Es fällt dem Zuschauenden eher schwer, jede detailverliebte und sympathische Kleinigkeit auf der riesigen Bühne konkret wahrzunehmen.

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Auch bei der Auswahl der unglaublich spielfreudigen Cast zeigt Wiggers erneut sein feines Gespür. Wietske van Tongeren, nicht nur schauspielerisch sehr stark in der Rolle der Donna, kann auch gesanglich im Leading Part brillieren und eine herausragende Leistung zeigen. Vor allem die Sequenz „Durch meine Finger rinnt die Zeit“ und „Der Sieger hat die Wahl“ gelingt ihr wunderbar emotional, sodass in den Reihen des Auditoriums unzählige Taschentücher gezückt werden.

Die Charaktere werden von Wiggers enorm gegensätzlich gestaltet, so kommen Rosie, überzeugend und stimmgewaltig gespielt von Navina Heyne, als esoterisch angehauchte Flower Power Queen und Tanja (Rachel Marshall), gesanglich und schauspielerisch nicht minder positiv auffallend, als selbst ohne Schuhe noch affektiert und aufgedreht herumstöckelnde Schicki-Micki Dame daher.

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Die eleganten oder im Falle von Bill einfach gekleidet angelegten bodenständigen männlichen Parts bilden einen passenden und ruhigen Gegensatz zu diesen schillernden und die meiste Zeit kichernden Damen. Oliver Arno als Sam, Benjamin Eberling als Bill und Alexander di Capri als Harry zeigen sich unaufdringlich, aber immer am rechten Platz und im rechten Licht stehend im Schauspiel sowie voller gesanglicher Kraft.

Celena Pieper als die nach ihrem Vater suchende Tochter Sophie überzeugt von der ersten Minute mit ihrem liebevollen Schauspiel und ihrer schön klingenden und sicher geführten Stimme. Aus dem immer großartig und überzeugend agierenden und wunderbar harmonierenden Ensemble muss besonders Nicolai Schwab hervorgehoben werden. Er gibt den aus dem ‚weit entfernten‘ Ibbenbüren stammenden Pepper mit so viel Witz und vor Spielfreude sprühend, dass bei seinen Darbietungen ebenfalls kaum ein Auge trocken bleibt. Auch wenn dies aus einer gänzlich anderen Emotion heraus der Fall ist als bei Donna.

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Die Kostüme, für die Fabienne Ank verantwortlich zeichnet, sind bunt, fröhlich und modern und unterstreichen den frischen und neuen Gesamteindruck der Produktion. Lediglich für die Zugabe werden die glitzernden und altbekannten ABBA-Anzüge noch einmal hervorgeholt, was dem Gesamtbild aber einen absolut runden Abschluss verleiht. Unter der gesamten Geschichte liegt das griechische Flair wie ein roter Faden. Nicht nur beim Junggesellenabschied von Sky (Andrew Chadwick), dessen Kostümwechsel geschickt und witzig arrangiert auf der Bühne stattfindet, mutieren alle seine Freunde zu aus ihren Skulpturen entsprungenen griechischen Gottheiten. Auch das detailverliebte Bühnenbild, zum wiederholten Male in den bewährten Händen von Jens Janke, lässt einen bereits beim Betreten des Theaters den Duft des fremden Landes quasi inhalieren. Eine drehbare Taverne auf der linken Bühnenseite, rechts ein Licht zeigender Leuchtturm, ein im Vordergrund liegendes Boot und Hinweisschilder zum Strand und Hafen rahmen den Hauptteil der Bühne ein. Es ist die in weiß mit blauen Fensterläden und Türen gehaltene und wunderbar in die alten Sandsteine der Tecklenburger Ruine integrierte Taverne Donnas. Diese lässt, verziert mit den in Griechenland üblichen lilafarbenen Blumenranken, das Gefühl des mediterranen Sommers explodieren, auch wenn diesmal bei nicht allzu warmen Temperaturen, aber zum Glück nur kurz vor Vorstellungsstart, der Himmel seine Schleusen noch einmal öffnen muss.

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Die Choreografien von Francesc Abós sind spritzig, nicht zu dominant, aber füllen, auch dank der immer unglaublich vielen Chormitglieder, die große Bühne gut aus und lenken die Aufmerksamkeit des Geschehens auf den Punkt. Der Orchestergraben bleibt weiterhin mit live aufspielenden Musikern unter der Leitung von Giorgio Radoja gut gefüllt. Das kommt der Qualität einer Musicalproduktion, im Gegensatz zu vielen anderen Häusern, die Einsparungen auf dieser Seite in Kauf nehmen, nur zu Gute.

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Mit „Mamma Mia!“ in Tecklenburg schaffen die Verantwortlichen auch in diesem Jahr wieder eine großartige, vor Lebensfreude sprühende und Qualitätsmaßstäbe setzende, absolute ‚must-see‘ Produktion für alle Freilichtbühnen-Verliebten. Zu sehen ist das Stück bis zur Derniere am 6. September 2024 noch an insgesamt 27 Spieltagen. Karten können über die Ticket-Hotline 05482-220 der Freilichtbühne Tecklenburg oder über das Ticketportal Eventim erworben werden.

 

Weiterführende Links:

Freilichtspiele Tecklenburg
Ulrich Wiggers
Navina Heyne
Rachel Marshall
Benjamin Eberling
Alexander di Capri

 

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