Miscast Musicals – A Gender Bending Revue
Am 27. April 2019 fand mit „Miscast Musicals“ das erste Konzert der im Januar 2019 von Keith Trevor Fernandez neu gegründeten Vereinigung Berlin Musicals statt. Die Company hat es sich auf die Fahnen geschrieben, aufstrebenden Talenten in der Hauptstadt eine Bühne zu bieten und gemeinsam Musicals und Shows auf die Beine zu stellen, die nicht dem Mainstream entsprechen.
Mit „Miscast Musicals“ wurde also ein Meilenstein gelegt, dem viele weitere folgen sollen. Eine bunte Cast bestehend aus Annika Henz, Lara Grünfeld, Keith Trevor Fernandez, Joel Parnis, Mikael Johansson, Maddie Wooster, Anne-Katrin Meyer und Marcela Dias brachte ein abwechslungsreiches und abendfüllendes Programm auf die kleine Loftbühne in Charlottenburg. Der Aufstieg über drei Etagen lohnte sich, gab er doch annährend einhundert Interessierten an diesem Abend die Möglichkeit die Ergebnisse wochenlanger Proben in Augenschein zu nehmen.
Musikalisch begleitet wird der Abend – der mit „We are what we are“ aus dem Käfig voller Narren vielstimmig beginnt, und damit nicht nur humoristisch, sondern gleichsam aussagekräftig den Auftakt für die gesamte Show darstellt, von Karin Kiwus am Keyboard. Mit sichtlichem Spaß schlüpfen die acht Sänger/innen in ihre jeweiligen Rollen und führen auch ohne große Kulisse und aufwändige Requisiten durch eine bunte Revue, die vieles zu bieten hat. In sieben kurze und kurzweilige Stationen eingeteilt, wird im Querschnitt ein komplettes Liebesleben beleuchtet. Begonnen bei der „Jagd nach einem Partner“, über „Neugierde, Begeisterung und Befriedigung“, das „Verlieben“, den „Herzschmerz“ bis hin zu „Stärke und Unabhängigkeit“. Den Bogen zwischen diesen Stationen spannen jeweils einige Songs, die sich thematisch passend darunter eingliedern lassen. Wie die Cast selbst aus den unterschiedlichsten Nationen zusammenkommt und sich hier auf dieser Bühne vereint, so hört man am heutigen Abend Songs aus ebensolchen Stücken, die normalerweise nie auf ein und derselben Bühne anzutreffen sind. Wo außer hier trifft „Hamilton“ auf die „West Side Story“ und wann sind sich „Dear Evan Hansen“ und „Chicago“ schon einmal so nah gewesen? Jeder einzelne Titel wird in Originalsprache beibehalten, ein besonderes Anliegen Fernandez’, und trotz oder gerade wegen der oft völligen Veränderung der Besetzung, sei es in Bezug auf Geschlecht, Spielalter, Stimm- oder Hautfarbe zum Original, zu etwas Besonderem und völlig Neuem kreiert.
Ein zweistimmiges „Maria“, vorgetragen von Lara Grünfeldt und Annika Henz reißt das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin, obgleich es kaum weiter entfernt von dem wohl jedem bekannten Original, gesungen von Tony für seine Liebste, sein könnte. Auch ist Elpheba, die grüne Hexe aus Wicked, an diesem Abend weder grün, noch weiblich, doch auch die Aussage von „What is this feeling“ bleibt trotz aller Änderungen klar erhalten.
Amüsante Parts wechseln mit nachdenklichen ab und der Cast gelingt der Balanceakt, die Stimmung des Publikums nie gänzlich in die eine oder die andere Richtung kippen zu lassen, auch wenn dieses von einem Gefühlsausbruch in den nächsten getrieben wird. Der erste Akt endet mit dem Kapitel „Verlieben“, während der zweite völlig gegensätzlich mit „Herzschmerz“ beginnt. Mit „Requiem“ (Dear Evan Hansen) und „Losing my mind“ (Follies) startet der zweite Akt ebenso kraftvoll wie nachdenklich. Es ist eine Freude, den acht Protagonisten dabei zuzusehen, wie sie miteinander interagieren und welchen Spaß sie selbst daran haben, ihre Message ins Publikum zu transportieren. „Miscast Musicals – A Gender Bending Revue“ ist ein rundum gelungenes Programm für einen unterhaltsamen Abend. Es fällt schwer einen Höhepunkt herauszugreifen, doch der zweite Schritt, „Neugierde, Interesse und Befriedigung“, hält stimmlich die größten Überraschungen bereit. Ein berührendes „If I loved you“ aus Carousel, an diesem Abend von Joel Parnis gesungen, „Bad Idea“ aus Waitress von Lara Grünfeldt und Maddie Wooster vorgetragen, das vorab bereits erwähnte „What is this feeling“ und nicht zuletzt „Taylor the Latte Boy“ von der bezaubernden Marcela Dias, dem Publikum beinahe wie ein Quilt übergeworfen, fügt sich zum schönsten und überraschendsten Block zusammen.
Die anschließenden Begeisterungsrufe des Publikums sprechen nicht nur für sich, sondern vor allem dafür, dass Fernandez und seinem Team der erste und immer auch schwerste Schritt gelungen ist. Man darf gespannt darauf sein, wie der weitere Werdegang von „Berlin Musicals“ aussehen wird und mit welchen Überraschungen die junge Company in Zukunft aufwarten wird. Das nächste Projekt ist für den Herbst bereits in Aussicht gestellt.
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Bilder (c) Stéphane Le Breton
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