Borchert Beflügelt im Schlossparktheater

Am letzten Sonntagnachmittag im April lädt Thomas Borchert mit seinem Programm „Borchert Beflügelt“ ins Schlossparktheater in Berlin ein. Hat das Wetter sich an Ostern, nur eine Woche zuvor, noch alle Mühe gegeben, die Menschen glücklich zu machen, so lässt es an diesem Tag zu wünschen übrig. Es überlässt damit Borchert das Feld, die Laune seiner Gäste, die sich trotz des Trüben Graus draußen nicht davon haben abhalten lassen, den Weg ins beschauliche Theater im Berliner Bezirk Steglitz auf sich zu nehmen, zu heben. Dies gelingt scheinbar mühelos noch ehe der Gastgeber selber die Bühne überhaupt betritt. Fröhliches Pfeifen erklingt aus dem Hintergrund und Augenblicke später, scheinbar völlig in sich selbst versunken, nimmt er unter begeisterter Begrüßung aus dem Auditorium am Flügel Platz.

Das improvisierte Intro lässt sich wohl am besten unter „Frühlingsbeflügelt in Steglitz“ zusammenfassen und erzählt beschwingt vom Stieglitz, der in Borcherts Steglitzer Garten sein Nest baut. Der Hamburger plaudert munter davon, dass die Liebe ihn aus seiner Heimat Hamburg fortgelockt habe und er nun in Berlin sesshaft geworden sei. Den Vogel des Jahres 2016 in seiner Improvisation immer wieder aufgreifend, reiht sich sehr passend „Love heals everything“ von Borcherts 2008 erschienenem Album „Ruthless Lovesongs“ ein, ehe das beflügelte Frühlingskonzert Fahrt aufnimmt. In seinen Moderationen, nimmt der Künstler das Publikum mit auf eine sehr privat wirkende Reise, es ist ein wenig wie das spionieren im heimischen Wohnzimmer. Merklich noch immer frisch verliebt verdeutlicht er die Schattenseiten des Künstlerlebens, wenn man oft wochenlang die Heimat verlässt und seine Liebsten kaum oder auch gar nicht zu Gesicht bekommt. Mit einer guten Planung jedoch lassen sich alle Hürden umschiffen, verrät er augenzwinkernd und gibt einen breiten Querschnitt durch seine Songs die allesamt herzerwärmend ehrlich sind, und jeden ansprechen, sich darin wiederzufinden.

Dass auch er Ohrwürmer habe, die im unpassendsten Moment erscheinen und sich hartnäckig halten, verdeutlicht er an einem Beispiel. Meist seien es ja unerwünschte Songs, ihn habe es seinerzeit mit Sinatras „My Way“ allerdings weniger schlimm getroffen, als hätte ihn beispielsweise „Atemlos“ von Helene Fischer kalt erwischt, schmunzelt er und das Publikum pflichtet ihm bei. Was es jedoch mit besagtem Ohrwurm auf sich hat ist tiefgründiger als ursprünglich geglaubt. „Everything but you“, von seinem Album „Midlife“, welches 2017 erschienen ist, stellt eine Antwort darauf dar. Seiner Meinung nach mache Sinatra es sich mit der Aussage seines Textes deutlich zu einfach und in seinem Gedankenkarussell um die ersten 50 Lebensjahre, die inzwischen hinter ihm lägen, sei der Song entstanden, den er anschließend zum Besten gibt.

Mit scheinbarer Mühelosigkeit stehen Borcherts Finger auf den Tasten des Flügels keinen Moment still. Noch während er moderiert schlägt er musikalische Brücken zwischen seinen Songs und untermalt seine Worte stets passend und unaufdringlich. Das von ihm vertonte Gedicht  „Do not stand at my grave and weep“, welches ursprünglich aus der Feder von Mary Elisabeth Frye stammt, reiht sich trotz seines scheinbar so ernsten und hoffnungslosen Themas in die Riege der gespielten Lieder ein. Es gehe nicht um das Sterben und den Verlust an sich, verdeutlicht Thomas Borchert. Viel mehr sei es ein Aufruf, sich zu erinnern und statt Trost an einem Grab zu suchen, die schönen Dinge des Lebens zu sehen und sich an die Gemeinsamkeiten zu erinnern. Ähnlich ist auch sein eigener Standpunkt über den Lebenssinn, den er nach langem Grübeln für seine Zuschauer in Worte fasst. Das Streben nach einem höheren Ziel, einen Sinn zu suchen, sollte nicht der Sinn sein. Seiner Meinung nach ist es wichtiger die Freude in jedem Augenblick zu finden und den Moment zu leben. Wer zu viel grübelt, verpasst die schönsten Augenblicke seines Lebens, dessen ist er sich sicher.

Einen der schönsten und stolzesten Momente erleben viele, wenn ein Kind das Licht der Welt erblickt und unter der eigenen Anleitung diese langsam zu entdecken beginnt. Seinen Vaterstolz hat Borchert einst in „Mein Sohn“ einfließen lassen und auch, wenn der junge Mann bereits erwachsen geworden ist, ist das Lied stets aktuell, lässt Stolz und Freude über das Gesicht des Darbietenden flackern und wärmt die Herzen, denn es darf sich sicher jedes Elternpaar und jedes Kind von den warmen Worten angesprochen fühlen.

Ganz nebenbei zeichnet er ein musikalisches Bild eines Traumes, der ihn nicht losgelassen und lange begleitet hat, „Auf schlafenden Walen durch die Nacht“ und entführt seine aufmerksamen Zuhörer auf eine sehr ruhige, aber fantastische Reise weit hinunter ins Meer. Nahtlos schafft er den emotionalen Umschwung und entlockt seinen Gästen mit „Urlaub in Balkonien“ Lachtränen, die lange nicht versiegen wollen. Geschickt gelingt es ihm Ernsthaftigkeit, Nachdenklichkeit, viel Wärme und Liebe, sowie Humor zu streuen und alles miteinander zu verweben, bis ein Frühlingsbeflügeltes Konzerterlebnis daraus entsteht.

Der zweite Teil des Konzertes ist ein wenig ruhiger angelegt als der Anfang, wird jedoch durch unterhaltsame Moderation und Anekdoten aus den Jugendjahren des Künstlers immer wieder aufgelockert. Mit „Greatful“ präsentiert er zum Abschluss des Konzertes einen neuen Song, der noch nicht auf einem seiner zahlreichen Alben erschienen ist. Vom Publikum mit Begeisterung honoriert lässt er durchblicken, dass ein weiteres in Arbeit ist.

Drei Zugaben aus seinem großen Repertoire spendiert er den noch lange nicht müden Gästen, darunter das allseits beliebte „Wildschweinduett“, einem Klassiker auf seinen Konzerten. „Mehr als jedes Wort“, zu dessen Entstehung er eine ausführliche Geschichte parat hat, die er ebenso bereitwillig teilt, wie das Liebeslied selbst, reiht sich wie selbstverständlich ein.

Es muss nicht immer „Musical“ sein, um Konzertsäle zu füllen – Thomas Borcherts sehr intime Konzerte mit eigener Musik und eigener Begleitung erfreuen sich seit Jahren größter Beliebtheit. Der Balanceakt zwischen seinem Job als Darsteller und jenem als Komponist und Songwriter gelingt ihm immer wieder herausragend. Das nächste Borchert Gastspiel lockt am 30. August 2019 an selber Stelle mit „Novecento – Die Legende des Ozeanpianisten“, einem Schauspielmonolog, nicht nur von ihm gesprochen, sondern ebenso untermalt mit seiner Musik.

 

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