Chicago – ein Musical-Vaudeville

…im Theater Bonn – Opernhaus

Premiere am 29.08.2021

 

(c) Thilo Beu

 

Als erstes Stück der neuen Spielzeit bringt das Theater Bonn den Musical-Klassiker CHICAGO, der seit fast einem Jahrhundert Theaterbesucher begeistert, auf die Bühne seines Opernhauses und knüpft damit nahtlos an die hervorragenden Produktionen vor dem langen Lockdown auf Grund der Covid19-Pandemie an.

(c) Thilo Beu

Bereits im Foyer wird klar, dass sich die Besucher sehr auf die heutige Premiere nach der langen Theaterpause freuen, ja geradezu darauf hin fiebern. Nachdem nur wenige Tage vorher wieder einige Lockerungen in Kraft getreten sind, durften alle Plätze ohne zwischenliegendem Abstand verkauft werden. An der Theaterkasse findet sich daher auch ein großes Schild „Ausverkauft“ – ein Lichtblick für die Theaterwelt.

Der sonst meist übliche Vorhang, der zunächst das Bühnenbild vor den neugierigen Blicken der Besucher schützt, fehlt beim Aufbau von Jens Kilian. Bereits beim Betreten des Saales finden sich die Zuschauer also direkt gegenüber eines leicht heruntergekommenen Vaudeville-Theater im Chicago der wilden 1920er Jahre wieder, dessen mittig platzierte Drehbühne sehr wandelbar daherkommt. Ob als Bühne des im Mittelpunkt der Geschichte stehenden Vaudeville-Theaters, mit variabel senkrecht gesteckten Metallstangen am Rand als Gefängniszelle oder durch das hochfahrbar integrierte Paragrafenzeichen zum gerichtlichen Zeugenstand oder Schafott – die Bühne vereint auf kleinstem Raum viele Schauplätze. Die Musiker unter der Leitung von Jürgen Grimm sind seitlich rechts und links platziert, nehmen die runde Spielfläche in ihre Mitte und verstärken so den Theatercharakter des Bühnenaufbaus.

„Meine Damen und Herren! Hier sehen Sie ein Stück über Mord, Habgier, Ehebruch und Verrat – all die herrlichen Sensationen, über die wir täglich in der Zeitung lesen, ohne die unser Leben eintönig und blutleer wäre und die deshalb unseren Herzen lieb und teuer sind.“ – Dionne Wudu, die gesanglich stark in ihrer Doppelrolle zwischen Erzählerin im Glitzergewand und der Gefängnisaufseherin Mamma Morton in passender Kluft wechselt, bringt es auf den Punkt. Hier geht es um eine zynische Moralgeschichte über Verbrechen, mit denen öffentlicher Ruhm – wenn auch nur von kurzer Dauer – erkauft wird.

(c) Thilo Beu

Jazz und Vaudeville sind die zur damaligen Zeit vorherrschenden Musikstile, die auch dem Stück ihren Atem verleihen. Viele Lieder sind bekannt und klingen in den Köpfen der Besucher wieder. Bereits mit ihrem ersten Song „All that Jazz“ bringt Velma Kelly-Darstellerin Bettina Mönch ihre Klasse zum Ausdruck. Von Anfang an ist klar, wer hier den Ton angibt. Obwohl eiskalte Mörderin, versteht sie es bettelnd und umgarnend ihren Willen durchzusetzen und zeigt dabei eine enorme Bühnenpräsenz. Dem in nichts nach steht Elisabeth Hübert, die ihre Roxie Hart schauspielerisch und gesanglich gekonnt zwischen naivem Blondchen und berechnender Zicke hin und her hüpfen lässt. Überhaupt wurden alle Rollen hochkarätig auf den Punkt gecastet. Nur eine kleine Rolle innehabend, aber dafür gelungen stark angelegt, ist der Auftritt von Enrico De Pieri als Amos Hart, der den von seiner Ehefrau betrogenen Ehemann dusselig und treudoof mimt. Das Belächelt werden von deren Verteidigung lässt er klaglos über sich ergehen und hat somit spätestens, als ihm bei seinem einzigen Song „Mr. Cellophan“ die herbeigesehnte Abgangsmusik ausbleibt, alle Sympathien der Zuschauer auf seiner Seite.

Anton Zetterholm in der Rolle des für seine positive Urteile zaubernde Engelszunge bekannten Staranwalts Billy Flynn kommt galant schmierig und arrogant als König des Gerichtssaals daher und überzeugt auf ganzer Linie bereits und nicht nur mit seinem Einstiegssong „Bin nur für die Liebe da“.

Die als V. Petersen angekündigte Besetzung der Klatsch-Reporterin Mary Sunshine, trällernd in den höchsten Tönen einer „weiblichen“ Stimmlage, entpuppt sich im Verlauf nicht als eine Frau, sondern für die Zuschauer, die das Stück nicht kennen, überraschender Weise als Mann in Gestalt eines der wenigen Countertenöre Victor Petersen, der die Falsett-Gesangstechnik nahezu in Perfektion beherrscht. Es ist eben selten alles so, wie es zunächst scheint.

(c) Thilo Beu

Dem Bonner Theater gelingt mit dieser Produktion wieder einmal eine großartige Umsetzung eines Musicals, welches trotz des Alters des Stückes lückenlos in die heutige Zeit zu adaptieren ist. Zu Recht feiert und empfiehlt das Premierenpublikum diese gelungene, kurzweilige und schlaue Inszenierung, für die Gil Mehmert, ein Garant für die Zusammenstellung erstklassiger Besetzungen und gelungener Bühnenmomente, verantwortlich zeichnet, mit stehenden Ovationen und lang anhaltendem Applaus. Die durchdachte, temporeiche Choreografie stammt von Jonathan Huor.

 

Zu sehen ist Chicago am Theater Opernhaus Bonn noch bis zum 6. Juni 2022 an unterschiedlichen Tagen – näheres ist über die Theaterseite www.theater-bonn.de zu erfahren. Ebenso können dort oder an der Theaterkasse Karten für noch alle Vorstellungen (teilweise nur noch Restkarten) erworben werden.

 

 

#amonea #amoneamusicalworld #chicago #musical #vaudeville #bonn #theaterbonn #opernhaus #bettinamönch #elisabethhübert #dionnewudu #antonzetterholm #enricodepieri #victorpetersen #gilmehmert #jürgengrimm #jenskilian #jonathanhuor

 

Weiterführende Links:

Bettina Mönch
Elisabeth Hübert
Dionne Wudu
Anton Zetterholm
Enrico De Pieri
Victor Petersen
Theater Bonn

Teilen via:

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert