Lady by Night – im Gespräch mit Thomas Neuwerth und Pascal F. Skuppe

„Eine Musical-Comedy über Träume, Liebe, Selbstfindung und viel Fleisch“ – so titelt das von Thomas Neuwerth erdachte und mit einem internationalen Team aus Autorinnen und Autoren, sowie Musikern geschriebene Stück “Lady by Night”.

 

In den nächsten Wochen werden vom Team, bestehend aus Thomas Neuwerth, Anja Ruge und Kilian Berger jun., die für die Lyrics verantwortlich zeichnen und von Pascal F. Skuppe und Johannes Astecker, die das Ganze musikalisch untermalen, sicher noch einige Informationen veröffentlicht.

Die Inhaltsbeschreibung (Link zur Webseite und Beschreibung unter dem Text) liest sich originell und witzig und nach einem Workshop wird das Stück in einem szenischen Konzertabend in Seevetal bei Hamburg auf die Bühne kommen. Um hier dabei zu sein, gibt es die Möglichkeit, über ein Crowdfunding, welches morgen im Laufe des Tages freigeschaltet wird, Tickets zu erwerben und das Projekt zu unterstützen. Den Link dazu findet ihr unter dem Text.

 

Wir haben als eines der ersten Portale die Möglichkeit genutzt, um uns von Thomas Neuwerth (Libretto) und Pascal F. Skuppe (Musik) unsere Neugier stillen zu lassen. Das Interview mit den beiden lest ihr hier.

Thomas Neuwerth

„Creative Development“ – könnt ihr hier mehr zu den Hintergründen einen weiteren Verein, der sich mit der Entwicklung und Vermarktung von Musicals beschäftigt erzählen? Wessen Idee war dies und fände eine solche Idee nicht auch bei „Moving Stage“, um nur ein Beispiel zu nennen, Abdeckung?

TN: „Moving Stage“ gibt es seit 2020 nicht mehr und hatte sich auf die Produktionen von Off-Stücken spezialisiert, diese aber nicht entwickelt, sondern bestehende Stücke aufgeführt. „Creative Development“ verfolgt nicht den Zweck, Musicals zu produzieren, sondern solche zu entwickeln. Da zur Entwicklung aber in der gängigen Praxis auch das Abhalten von Workshops gehört, ist es notwendig, einen Rechtsträger zu haben, der all das organisatorisch-logistische, das damit zusammenhängt, auch trägt. Ein Verein bietet sich dafür rechtlich mehr an, als eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, die wohl die meisten Autor*innen-Gemeinschaften haben, ohne es zu wissen.

 

Welche Ziele verfolgt ihr damit und wie wollt ihr diese angehen?

TN: Ziel von „Creative Development“ ist es, neue Werke im Bereich Musikalisches Unterhaltungstheater zu entwickeln. Am Off-Broadway und am West End ist das Gang und Gäbe. Hierzulande geschieht es inzwischen auch schon öfter und die Deutsche Musical Akademie fördert dies ja glücklicherweise auch, indem sie alljährlich im Herbst ihre Preise vergibt. Jetzt ist einmal „Lady by Night“ als unser erstes Stück d’ran.

 

Wie kam es überhaupt zu einem so internationalen Kreativteam? Hast du einfach über einen Aufruf Mitstreiter gesucht, oder gezielt Personen angesprochen, von denen du dachtest, sie würden in das Team passen?

TN: Zweiteres. Man kennt ja viele Kolleg*innen im Musicalbusiness, wenn man wie ich seit rund 15 Jahren im selbigen umtriebig ist. Und manche werden einem auch empfohlen. Die Internationalität finde ich sehr wichtig – in diesem Fall zwischen Österreich und Deutschland, in einem anderen Musical-Entwicklungs-Projekt, das ich gerade auch als Librettist verfolge, neben mir und einem deutschen Lyricisten sogar mit einem Komponisten in New York.

 

Was war zuerst da, Thomas, die Stückidee mit einem gewissen Handlungsrahmen oder der Impuls vielleicht durch eine oder mehrere Figuren gegeben?

TN: Die Figur des Nino war zuerst da, inspiriert durch manch wahre Erlebnisse und die Gespräche mit einem guten Freund, der auf der Bühne tätig ist. Rund um diesen Charakter habe ich eine Story entwickelt, neue Figuren geschaffen, manche wieder verworfen. Und peu à peu ist dann „Lady by Night“ daraus geworden

 

Gab es vielleicht für gewisse Figuren auch gedankliche Vorbilder?

TN: Das schöne bei einer Neuentwicklung ist, dass man ziemlich frei ist im Schaffensprozess, anders als wenn man zum Beispiel einen Roman für die Bühne adaptiert. Und natürlich fließen Erlebnisse aus dem Alltag und Menschen, die man kennt, wie bei jeder Story in Handlung und Charakterzeichnung ein. Aber das geschieht nicht 1:1, das wäre ja unkreativ. Vielleicht vertritt später einmal ein Theaterwissenschaftler die Theorie, dass Nino und sein Freund Raoul nur zwei verschiedene Seiten ein und derselben Person sind. Das könnte man so sehen, dann wäre Ninos Trennung von Raoul auch sehr spannend.  Aber ob und gegebenenfalls wer konkret für welche Figur Vorbild gewesen sein könnte, verrate ich vielleicht einmal später, zum 10jährigen Jubiläum der Uraufführung oder so. [lacht]

 

In der Beschreibung wirken die Figuren sehr überzeichnet, fast schon klischeehaft. War es ein Anspruch, möglichst viel „Klischee“ in alle erdenklichen Richtungen abzudecken, um nicht in eine Ecke gedrängt zu werden oder Menschen dazu zu animieren, sich dem „typisch xyz“ Weltbild hinzugeben? (ein Veganer in einer Fleischfabrik, dazu schwul, selbst heimlich verliebt, nicht ganz treuer Partner, kein offenes Ausleben seiner Sexualität, homophobe Chefin und heimlicher (Travestie)Künstler)

TN: Die Komödie lebt ja in der Regel von Überzeichnung und zumeist auch vom Klischee. Ich selbst finde Klischees eigentlich grauenhaft, weil sie dazu beitragen, dass man Menschen, die sich einer bestimmten Gruppe zugehörig fühlen, in Schubladen steckt. Das schöne an Klischees ist aber, dass man sie – sobald man sie einmal aufgebaut hat – auch vortrefflich wieder brechen kann. All das, was in der Frage aufgezählt ist, ist die dramaturgische Ausgangssituation. Von dieser aus entwickelt sich aber so einiges in Richtungen, die man nicht für möglich halten würde. Ich finde Geschichten – egal ob im Theater oder im Film -, bei denen man nach 20 Minuten weiß, wie sie wahrscheinlich ausgehen werden, ziemlich langweilig. Bei uns wird dem Publikum vor Augen geführt, dass man Klischees hinterfragen kann und auch soll. Letztlich ist keiner unserer sechs Charaktere ein oberflächliches Abziehbild, alle machen eine individuelle Entwicklung durch, oftmals in ungeahnte Richtungen. Und keiner und keine sind wirklich die klassischen Helden oder Bösewichte. Sie sind einfach Menschen. Vielleicht etwas überzeichnet. Aber naja, die gibt es außerhalb der Bühne auch.

 

Wie lange hat es gedauert, von der ersten Idee bis zu dem Punkt, an dem ihr jetzt mit „Lady by Night“ an die Öffentlichkeit geht?

TN: Die erste Idee hatte ich irgendwann im Dezember 2020, das restliche Autor*innen-Team kam dann letzten Herbst dazu.

 

Pascal F. Skuppe

Welche musikalischen Ansprüche stecken in „Lady by Night“? Gab es hier vorab Ideen, in welche Richtung es gehen soll, oder wurde einfach ein Kontrast zu der operettenlastigen Figur Lucia gesucht?

PFS: Die musikalischen Ansprüche leiten sich meiner Meinung nach nicht von den stereotypen Abgrenzungen der Figuren untereinander ab. Das wäre nicht organisch. Nur weil die Lucia operettenartig daher kommt, verhalten sich die anderen ja nicht zwingend in Abhängigkeit von ihr. Jede Figur hat ihre eigene musikalische Typisierung, weil ja jede Figur eigene Merkmale hat, wie wiederum in einem bestimmten, musikalischen Stil am besten klingbar machen zu sind. Und nicht zuletzt ist die Lucia keine operettige Figur, weil das am Reißbrett entstanden ist, sondern weil ihre überbordene Rückwärtsgewandheit sich im modernen Musical natürlich am ehesten in einem „alten Stil“ abgrenzen lässt.

 

Hattest du freie Hand bei der Ideenfindung? Werden die einzelnen Figuren wie oft üblich ein wiederkehrendes musikalisches Thema haben, oder ist die Entwicklung eher situationsbezogen?

PFS: Wir arbeiten weder durchkomponierend, noch wagnersich leitmotivisch. Wie im Songmusical üblich bilden wir aber natürlich situative Klammern über wiederkehrende hooklines, thematisch verwandte Songs in sich ergänzenden oder abgrenzenden Reminiszenzen bzw. natürlich auch mit typischen Reprisen … und sogar Preprisen.

Zur freien Hand vielleicht noch ein Wort: Wir sind ja ein Schreibendenteam, sodass neben mir auch noch Johannes Anstecker sich für die Musik verantwortlich zeichnet. Wir arbeiten inhaltlich mit den Lyricist:innen Anja Ruge und Kilian Berger jun. ganz stark zusammen, aber haben die die Begleitung einzelner Figuren schon auch immer unsere eigenen Vorstellungen entwickeln können.

 

In der Beschreibung steht, es gäbe einen Bogen von Operette über Musical bis hin zu Popmusikklängen. Spiegelt diese Vielfalt den Charakter der Personen und des ganzen Stückes wider?

PFS: Naja, vor allem spiegelt es das Leben wider und dementsprechend auch das Genre Musical. Ein gutes, modernes Musical endet für mich nicht an der Bühnenkante, sondern geht durch´s Publikum hinaus auf die Straße. Dementsprechend sollte auf der Musicalbühne die ganze Vielfalt des Lebendigen und dessen, wie wir Menschen uns ausdrücken und hörbar werden auch auf die Musicalbühne. Das Leben ist bunt und vielfältig, deswegen ist es auch unsere Musik. Und schließlich besteht nicht nur unser Hauptdarsteller aus „mehr als 1.000 Farben.“

[Anmerkung: Der finale Solo-Song der Hauptfigur Nino im 1.Akt, mit der dieser zum ersten Mal als Drag auftritt, heißt „1000 Farben“.]

 

Was war zuerst da? Teile der Musik, oder der Lyrics? Wurde dies parallel erarbeitet? Welche Änderungen vielleicht sogar in der Aussage der Songs ergeben sich durch die Musik?

PFS: Das ist wirklich völlig unterschiedlich gelagert. Dazu kann man keine eindeutige Aussage treffen. Grundsätzlich kann ich für mich sagen, dass ich am liebsten auf Grundlage eines Songtextes komponiere. Ich habe hauptsächlich mit Kilian als Lyricisten zusammengearbeitet. Er schickte mir seinen Text, den ich in der Regel sofort las, und dann passiert normalerweise bei mir erstmal nichts. Der Text wabert mal mehr, mal weniger präsent durch meinen Kopf und irgendwann, das kann nach einem Tag oder auch vier Wochen sein, setze ich mich hin und schreibe in der Regel den Song dann in 20 – 30 Minuten auf. Ich entwickle sehr viel im Kopf und nebenbei. Es gibt aber auch andere Beispiele: Mit Anja habe ich „Ausgebrannt“ geschrieben, da kam der Text rein, als ich am Klavier saß, da habe ich ihn halt direkt aufgeschrieben. Ein wichtiger Schritt für mich persönlich ist aber immer die erste, volle Fassung des Librettos, damit man verstehen kann, wie die Figuren sich grundsätzlich verhalten und wie ihre Wortsprache ist, denn davon muss ich ja die musikalische Sprache abhängig machen.

 

Wen sprecht ihr an? Welche Zielgruppe möchtet ihr ins Theater holen? Und wie wird dies nach dem angekündigten Workshop und dem im August angedachten Konzert in Angriff genommen?

TN: Ebensowenig wie unsere Charaktere möchte ich das Publikum in Schubladen stecken. Die Musical Comedy als Subform des Genre Musicals bietet die Möglichkeit, eine relative breite Publikumsschicht anzusprechen. „Lady by Night“ ist aber sicherlich keine Boulevardkomödie mit Musik, sondern soll die Zuschauerinnen und Zuschauer durchaus zum Nachdenken anregen. Dramaturgisch und in den Songs und deren Lyrics sind sehr witzige Passagen ebenso vorhanden wie durchaus nachdenkliche Themen.

Der Workshop und die Präsentation dienen dazu, der Lady einen letzten Schliff zu geben, und das Stück danach Theatern im deutschsprachigen Raum zur Uraufführung (oder auch Folgeproduktion) anzubieten. Durchaus auch gerne mit jener Cast, die wir beim Workshop dabei haben werden, weil diese Darsteller*innen allesamt wie Faust aufs Auge passen und manche Songs ihnen geradezu auf den Leib komponiert wurden. Wir hoffen dann auf eine Uraufführung in der Spielzeit 2023/24.

 

Wird es Videoteaser mit einem Vorgeschmack auf Musik und Geschichte geben? Oder setzt ihr auf Werbung auf eigenen und fremden Social-Media-Kanälen? Könnt ihr euch vorstellen, neben dem Bühnenstück mit Livepublikum auch hybrid zu arbeiten, wie es sich in den letzten 2 Jahren beinahe zwangsweise bei Kulturveranstaltungen aller Art etabliert hat?

TN: Vor dem Konzert am 1.August werden wir noch nicht allzu viel über das Stück verraten, danach wird es aber natürlich (auch musikalische) Ausschnitte geben. So wie es aussieht, wird es auch eine Möglichkeit geben, „hybrid“ dem Konzert beizuwohnen. Und für alle interessierten Theatermacher*innen wird es ohnehin einen Mitschnitt geben, damit sie sich „Lady by Night“ in aller Ruhe anschauen können, wenn sie ihren Spielplan für 23/24 planen.

 

Wir danken den beiden Kreativen herzlich für die Geduld, uns unsere Fragen zu beantworten und freuen uns schon darauf, das Projekt auch weiterhin zu verfolgen.

 

Fotos:

PFS: TMC/Busch

TN: Martin Hauser/Catchlight Photography

 

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Weiterführende Links:

Lady by Night – Das Musical
Lady by Night – Facebook
Startnext Crowdfunding

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