„Anatevka“-Premiere: „Heimspiel“ für zwei Magdeburger Jungs

Erik Petersen

Wenn sich am 4. Mai im Magdeburger Opernhaus der Vorhang zur Premiere von „Anatevka“ („Fiddler on the Roof“) das erste Mal hebt, dann wird bei einem das Herz ganz besonders laut schlagen: Benjamin Sommerfeld ist Musicaldarsteller und gebürtiger Magdeburger. Nun gibt er sein Debüt in seiner Heimatstadt. Auf der Bühne, auf der er als Jugendlicher die ersten Schritte ins Theaterleben machte, als Statist in unzähligen Stücken, als Diener, Soldat, Wache, Träger – „alles, was man als Statist eben so macht“, erinnert er sich lachend. An seiner Seite als Mitstreiter in der Statisterie war damals auch Erik Petersen, ebenfalls geboren und aufgewachsen in Magdeburg. Er ist heute Musiktheaterregisseur – und aktuell verantwortlich für die Regie von „Anatevka“. Im Gegensatz zu Benjamin Sommerfeld hat er aber in den letzten Jahren schon häufiger wieder in der Heimat gearbeitet, inszenierte „Hair“ auf dem Domplatz, das Musical „Crazy for you“ und die Operette „Nacht in Venedig“.

Für beide ist es jedoch nicht die erste gemeinsame Arbeit. Sie trafen bereits am Staatstheater Darmstadt bei der Arbeit zu „Footloose“ zusammen. Nun also Magdeburg. Ihre Heimat. „Als Erik mich gefragt hat, ob ich dabei sein möchte, hab ich sofort zugesagt. Ich hörte nur Magdeburg und sagte ja“, erzählt Benjamin Sommerfeld. „Da war mir das Stück erstmal egal“, lacht er. Er findet: „Irgendwie bin ich das meiner Familie auch schuldig. Sie sind schon durch ganz Deutschland und halb Europa gereist um mich zu sehen. Da kann ich doch nicht Nein sagen, wenn ich die Chance habe, direkt vor ihrer Haustür zu spielen.“. Seine Familie wohnt noch immer in Magdeburg, deshalb sei die Beziehung auch heute noch, obwohl er inzwischen in Berlin lebt, natürlich eine ganz enge und besondere.

Vor allem auch zum Theater.  Nach 13 Jahren Abwesenheit steht er wieder auf der „heimischen“ Bühne. „Das Erste, was ich bewusst wahrgenommen hab, als ich zur Konzeptionsprobe ins Theater kam, war der Geruch“, erzählt Benjamin. „Der hat sich in all den Jahren nicht verändert, er gab mir gleich das Gefühl von Vertrautheit. Es war, als wäre ich nie weg gewesen, sofort kamen ganz viele alte Erinnerungen hoch. Und dann stehst du plötzlich – nicht als Statist, sondern als Darsteller – wieder mit deinen Idolen auf der Bühne, mit Leuten wie Undine Dreißig (Kammersängerin, Anm. d.Red.) oder Peter Wittig (Schauspieler, Anm. d. Red.), die dich damals dazu inspiriert haben, diesen beruflichen Weg einzuschlagen.“

Besteht bei so viel Vertrautheit die Gefahr, dass ein wenig Professionalität verloren geht, wollen wir wissen. „gar nicht“, stellen Benjamin und Erik unisono klar. „Wir können das sehr gut trennen“, erzählt Erik Petersen. „Während der Proben sind wir Darsteller und Regisseur, nach Probenschluss einfach nur Freunde.“ Benjamin bestätigt das, ergänzt aber: „Trotzdem ist es  – natürlich – ein besonderes, beflügelndes  Gefühl, hier zu arbeiten. Die Kennenlernphase entfällt, es ist von Anfang an eine gewisse Vertrautheit da, weil man die Menschen und das Haus eben schon so lange kennt. Es ist wie eine Familie.“

Benjamin Sommerfeld (Foto: Robert Jentzsch)

Familie. Das ist auch das, worum sich das Musical „Anatevka“ dreht. „Man schaut einer Familie beim Leben zu“, bringt Benjamin es auf den Punkt. „Es gibt viele Vorurteile gegen das Stück“, so Regisseur Erik Petersen, „aber es ist ein wirklich tolles Buch, eine sehr intensive Familiengeschichte.“ Darum gehe es ihm auch weniger um die historischen, politischen und vor allem religiösen Aspekte der Geschichte, sondern um die Figuren. „Diese Familiengeschichte könnte in jeder Religion stattfinden“, ergänzt er.  Die Zuschauer sollen sich, ihre eigenen Vorstellungen von und Erlebnisse mit Familie lebendig werden lassen, wünscht sich der Regisseur. Darum ist ihm bei dieser Inszenierung die Nähe zum Publikum besonders wichtig. Bühnenbildnerin Anja Lichtenegger setzt dafür das Orchester ausnahmsweise nicht in den Orchestergraben, sondern in den Bühnenhintergrund. So dürfen die Darsteller ganz nah an die Rampe, an das Publikum, das so ins Geschehen hinein gesogen wird. Apropos Orchester: Die Magdeburgische Philharmonie wird in dieser Produktion, die musikalisch von Damian Omansen geleitet wird, sogar noch durch die Magdeburger Folkband „Foyal“ verstärkt, die, als Verkörperung des titelgebenden Fiedlers, zum Begleiter des Milchmanns Tevje in der Handlung wird.

Zur Cast gehören neben Mitgliedern des Hausensembles auch wieder bekannte Musicaldarsteller als Gäste: Andreas Lichtenberger, derzeit auch gerade als Albin/Zaza in „Ein Käfig voller Narren“ in Magdeburg zu erleben, debütiert als Milchmann Tevje. Beatrice Reece wird als Tevjes Tochter Hodel zu erleben sein und Jan Rekeszus kehrt in der Rolle des Studenten Perchik, der ein Auge auf Hodel geworfen hat, auf die Magdeburger Bühne zurück.
Benjamin Sommerfeld, der Magdeburger, verkörpert die Rolle des Mottel Kamzoil, ein armer Schneider, der die älteste Tochter Tevjes liebt und sie heiraten möchte.

„Anatevka“ feiert seine Premiere am 4. Mai und wird danach in dieser Spielzeit nur noch am 9., 26. und 30. Mai zu erleben sein.

Zum Stück:
Milchmann Tevje, seine Frau Golde und ihre fünf Töchter leben in Anatevka. Das Weltbild des traditionsbewussten Juden Tevje gerät ins Wanken, als die drei älteren Töchter ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen und selbst entscheiden wollen, wen sie heiraten. Doch das ist nicht die einzige Herausforderung, vor die die kleine jüdische Gemeinschaft gestellt wird …
Ein Fiedler auf dem Dach – das ist ein Drahtseilakt, immer kurz vor dem Absturz, und doch strahlt er durch sein Geigenspiel innere Ruhe aus. Dieses wiederkehrende Symbol der Bilderserie von Marc Chagall war Anregung für „The Fiddler on the Roof“, den Originaltitel des Musicals. Es ist der schmale Grat zwischen Lebensfreude und tödlichem Ernst sowie der Verflechtung von privater Geschichte und historischem Hintergrund, die das Werk, das seit der Uraufführung 1964 am New Yorker Broadway zu den Klassikern der Gattung gehört, gerade heute vor dem Hintergrund eines auch in Deutschland wieder zunehmenden Antisemitismus einerseits und dem verstärkten Bau neuer Synagogen andererseits so aktuell machen. Die Mischung aus Klezmer, russischer Folklore und Broadwayklängen, die in diesem Musical-Klassiker eine mitreißende Verbindung eingehen, tragen ihr Übriges zu dem nachhaltigen Erfolg bei.

Kreativteam – für weitere Infos Namen bitte anklicken:
Musikalische Leitung Damian Omansen
Regie Erik Petersen
Bühne Anja Lichtenegger
Kostüme Kristopher Kempf
Choreografie Sabine Arthold
Dramaturgie Ulrike Schröder

Besetzung:
Tevje Andreas Lichtenberger
Golde Ks. Undine Dreißig
Zeitel Manja Stein
Hodel Beatrice Reece
Chava Isabel Stüber Malagamba
Jente Susi Wirth
Mottel Benjamin Sommerfeld
Perchik Jan Rekeszus
Lazar Wolf Johannes Wollrab

Titelbild: Kirsten Nijhof

 

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