Männerabend – Mark Seibert und Thomas Smolej geben sich die Ehre
Gnädig pausiert der Regen beim Einlass zum ersten „Männerabend“, zu dem Thomas Smolej und Mark Seibert am letzten Augusttag in diesem Jahr einladen. Wozu das wichtig ist? Der Beginn der Abendveranstaltung, zu der etwa 80 Zuschauer ein Ticket ergattern konnten, verschiebt sich auf unbestimmte Zeit. Nicht etwa, weil es an der Technik hängt, sondern viel mehr, um draußen gemeinschaftlich darauf zu warten, dass die Wiener Polizei ihre Arbeit beendet. An Spannung soll es nicht mangeln, spricht man doch von einer Bombendrohung in einem Supermarkt nebenan. Die Verzögerung wird mit gemischten Gefühlen aufgenommen, Zuschauer, Künstler und Anwohner kommen ins Gespräch und irgendwie passt es ja auch zu dieser seltsamen Zeit. Echte Männer wollen und brauchen Nervenkitzel, da kommt so etwas wohl gerade recht und zumindest wird die Wartezeit nicht lang, es gibt schließlich was zu erzählen.
Mit gut einer Dreiviertelstunde Verzögerung betreten dann doch die Gastgeber gemeinsam mit ihrem Pianisten des Abends, Michael Römer, die kleine Bühne. Weil man ja nie wissen kann, ob die Konzertsaison nicht kurzfristig wieder für beendet erklärt wird, gehen sie direkt auf Nummer sicher und präsentieren mit „Let it snow“, was bei den draußen vorherrschenden spätsommerlichen Temperaturen und einem Blick in den Kalender eher ungewöhnlich ist, direkt einen vergnügten Ausblick auf die kalte Jahreszeit.
Nachdem man dann gemeinschaftlich noch rasch für eine kleine Bühnendekoration, bestehend aus einigen Blumentöpfen, die die zwei schlichten Hocker ergänzen, gesorgt hat, kann es richtig losgehen.
Eine „musikalische Lesung“ wird angekündigt und genau das hält die Veranstaltung auch bereit. Humoristische Texte von Horst Evers, Paul Bokowski und Markus Bath dominieren den ersten Teil des Abends. Die Art und Weise, auf die diese mit verteilten Rollen vorgetragen werden, gipfelt nicht etwa in einer Lese- oder Buchempfehlung, sondern in einem Großangriff auf die Lachmuskeln. Um diesen zwischen den „Trainingseinheiten“ etwas Ruhe zu gönnen, wird es zwischendurch immer wieder musikalisch. Mit „What more can I say“ von William Finn weiß Thomas Smolej das Publikum genauso abzuholen und zu begeistern wie mit David Guettas „Titanium“, beides Songs, die normalerweise in den Konzerten eindeutig zu kurz kommen.
Zwischen dem musikalisch erbetenen Wintereinbruch und Seiberts Ausflügen zu Queen und Eric Clapton werden also die Suche nach einer Putzfrau ohne spontanes Kopfkino, wenn der Hausherr dem Hund, einen belehrenden Spruch auf den Lippen, nackt aus dem Badezimmer folgt, thematisiert, über die Hürden, einen unliebsamen Newsletter abzubestellen, gesprochen und verwirrte Bäckereifachverkäufer in die Mangel genommen, wenn es darum geht, für morgen ein Brot von gestern vorbestellen zu wollen. Eigentlich ganz logisch, zumindest wenn man im geschützten Rahmen eines Theaters darüber nachdenkt und sich nicht den prüfenden Blicken seltsamer Kunden gegenüber sieht.
Sichtlichen Spaß haben die drei Herren auf der Bühne, als zum Ende des ersten Teils über die Begrifflichkeit „ficken“ diskutiert wird, dabei die Frage zu erörtern ist, ob es tatsächlich eine Notwendigkeit gibt, ein Kind in der Öffentlichkeit aufzuklären und schließlich mit Britney Spears‘ „Hit me baby one more time“ den Ohrwurm für die Pause mitzugeben.
Viel Zeit, um die Lachtränen zu trocknen und den ersten Teil noch einmal gedanklich zu ordnen, bleibt wahrlich nicht. Michael Römer, der seit der Saison 2000/2001 als Dirigent und Korrepetitor bei den Vereinigten Bühnen Wien arbeitet, gibt mit einem Medley von Billy Joel den Startschuss für einen rasanten und hitzigen zweiten Akt und darf hiermit seinen wohlverdienten Applaus entgegen nehmen, schließlich begleitet er souverän und mit dem einen oder anderen Augenzwinkern seine beiden Kollegen musikalisch sicher durch den Abend.
Dieser zweite Teil steht thematisch ganz unter dem Zeichen großer Gefühle und körperlicher Liebe, ganz plump könnte man meinen, wie es sich klischeehaft für „Männergespräche“ gehört, wird einfach über Sex gesprochen. Dass das so einfach aber gar nicht ist, zeigt schon der Ausflug in die Bibelgeschichte mit den Auszügen aus dem „Evangelium nach Facebook“ nach Paul Bokowski, bei dem schnell klar wird, dass Kinder machen, bekommen und dafür geradezustehen gänzlich verschiedene Sachen sind.
Dass man manche Dinge vielleicht besser nicht beim Namen nennt, zeigt Thomas Smolej mit „Ein Hund namens Sex“ auf. Es kann zu Verwirrung, Missverständnis, bis hin zu körperlicher Gefährdung, Strafvollzug und Scheidung kommen. Eine weitere, allerdings wohl sehr erwünschte Nebenwirkung ist dabei sicher lautes Gelächter aus den Reihen des Publikums.
Mitchell Symons behandelt in seinem Buch „Wo lassen Nudisten ihr Wechselgeld?“ eine ganze Reihe an Sexualbegriffen, mit denen man nach Aussage der Gastgeber mindestens ein Jahr lang Gesprächsstoff auf jeder Party hat. An diesem Abend werden nur einige ausgewählte angerissen. So geht es um lüsterne Gedanken, die nicht den eigenen Partner betreffen, Erregung durch Blumen oder auch Erregung durch das Hören unanständiger Witze. Letzteres wird direkt ausprobiert, die Zuschauer werden zu Versuchskaninchen und ausgiebig zur Wirkung befragt, nachdem eifrig Witze zum Besten gegeben werden. Scheint allerdings nicht zu funktionieren, es bleibt lediglich bei Heiterkeitsausbrüchen, wie von der Bühne aus fachmännisch festgestellt wird.
Ohnehin ist die Stimmung auf der Bühne sehr ausgelassen. Mark Seibert und Thomas Smolej lassen keine Gelegenheit aus, sich gegenseitig zu necken, aufzuziehen und zielsicher den Finger in die Wunde zu legen. Sei es bei unfreiwilligen Versprechern, der Berufswahl an sich oder dem offenen Geheimnis, dass Seibert seinerzeit Turniertanz gemacht hat, dies aber selbst als „dunkles Kapitel seiner Vergangenheit“ beschreibt. Unvermittelt mischt sich auch Römer in die immer wieder aufkommenden Diskussionen ein und gesteht sehr plötzlich seinen grünen Daumen und die Liebe zu Kakteen, die er nach dem letzten Männerabend entwickelt habe.
Ohne jeden Zweifel wissen die drei Herren auf der Bühne zu unterhalten. Mit dem Talent, jedem Text Leben einzuhauchen, ihn so klingen zu lassen, als hätten sie die teils absurden, teils auch sehr nachvollziehbaren Geschichten selbst erlebt, kommen sie in jedem Fall gut an. Ein lang ersehnter Abend, der mit seiner Diversität Männer, Frauen, Unentschlossene, Liebende, Zurückhaltende, gut Gelaunte, Musikalische, Alte, Junge, Wiener und Grenzen Überschreitende gleichermaßen anzieht und befriedigt, geht nach einem knapp zweistündigen Programm viel zu schnell seinem Ende entgegen.
Leider ein wenig holperig und deplatziert wirken „Dunkles Schweigen an den Tischen“, sowie „Fields of Gold“, die für sich genommen sehr schön und emotional sind, sich in die Thematik jedoch so gar nicht einfügen wollen und der ausgelassenen Stimmung einen kleinen Dämpfer versetzen. Doch auch das lässt sich verzeihen, ist doch das Gesamtkonzept eine runde Sache.
Kurz vor dem Schluss wird es noch einmal weihnachtlich, mit „O holy night“ erhalten die Zuschauer einen Ausblick auf Seiberts inzwischen erschienenes und lang ersehntes Weihnachtsalbum „Mark Seibert – The Christmas Album“ und den mahnenden Zeigefinger, „Wenn ich im Hochsommer ein Weihnachtsalbum aufnehmen kann, dann könnt ihr diese vier Minuten jetzt wohl ertragen.“
Mit dem musikalischen Dauerbrenner auf Konzerten, „Shallow“, in einer exklusiven Version zwischen Smolej und Seibert, der kurzerhand den weiblichen Part übernimmt, empfehlen sich die Protagonisten schließlich. Noch drei weitere Tage in Folge kam der „Männerabend“ in Wien auf die Bühne. Stets vor ausverkauftem Haus begeisterten sie ihre Fans und schafften es gekonnt, eine kleine Alltagsflucht zu arrangieren.
Fotos: (c) Madeleine Weiss
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