Großer Spaß in schaurigem Ambiente: „The Addams Family“ in Magdeburg

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Dass die Familie Addams, die im Mittelpunkt des diesjährigen Domplatz Open Airs in Magdeburg steht, alles andere als eine normale Familie ist, das wissen Kenner der diversen Filme und Serien über diesen schaurig-skurrilen Familienverbund natürlich schon vor dem ersten Ton des Musicals. Für alle anderen wird das aber auch sehr schnell während der Ouvertüre klar. Nacheinander stellen sich dabei die Familienmitglieder vor, angeführt vom berühmten eiskalten Händchen und dem Cousin Itt, der komplett aus Haaren besteht. Beide Figuren spielen für die weitere Handlung des Musicals keine Rolle mehr, sind lediglich eine Hommage an die filmische Vorlage und sorgen für zusätzlichen Spaß beim Publikum.
Die Geschichte des Musicals ist recht simpel und daher schnell erzählt: Tochter Wednesday Addams verliebt sich in Lucas, den einzigen und recht unscheinbaren Sohn einer kleinbürgerlichen Spießerfamilie aus Ohio. Die beiden verloben sich heimlich und nun sollen sich die Eltern der beiden bei einem Dinner im Addamschen Heim irgendwo im New Yorker Central Park kennen lernen. Und damit nimmt das Chaos seinen Lauf und die Zuschauer dürfen knappe drei Stunden (inkl. Pause) mit Beziehungsirrungen und -wirrungen, eine romantische Liebesgeschichte mit dem Mond und am Ende natürlich ein Happy End verfolgen.

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Das Musical lebt nicht von tiefgründiger Handlung, auch nicht von den ganz großen musikalischen Ohrwürmern, sondern von seiner Skurrilität und jeder Menge Spaß. Und genau diese Pluspunkte stellt Regisseur Felix Seiler gemeinsam mit seinem Inszenierungsteam in den Vordergrund. Und so wird das Domplatz Open Air 2025 zur perfekten Unterhaltung für einen warmen Sommerabend.
Alles ist perfekt in dieser Inszenierung. Felix Seiler, der zwei Jahre zuvor bereits „Catch me if you can“ auf dem Magdeburger Domplatz inszenierte, beweist auch dieses Mal wieder, dass er die Herausforderungen, die der Ort und eine solche Großproduktion allgemein mit sich bringt, zu meistern weiß. Das beginnt bei der Ausstattung. Bühnenbildner Darko Petrovic hat eine Kulisse geschaffen, die die Illusion des Addamschen Domizils auferstehen lässt, die Weite des Domplatzes nutzt, ohne den Fokus zu verlieren und das sich darüber hinaus an den hinter dem Geschehen aufragenden Dom anpasst. Grabsteine, Gargoyles, Särge und eine im Mittelpunkt stehende Ahnengalerie – nichts fehlt für den optischen Genuss.

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Für dieses Bühnenbild schafft Linda Schnabel die passenden Kostüme. Und diese sind überraschend farbenfroh, gemessen an der düsteren Kulisse. Natürlich ist vor allem bei Wednesday und vor allem bei ihrer Mutter Morticia schwarz die dominierende Farbe, aber es gibt auch schimmerndes Lila, knalliges Türkis, feuriges Rot und viel Gelb – ein schöner Kontrast, aber auch ein Handlungselement.
Definitive Höhepunkte der Inszenierung sind die Choreografien von Danny Costello. Überhaupt spielt das Tanzen eine wichtige Rolle im Stück und so gibt es viele und lange Tanzeinlagen – mal nur mit den Hauptdarstellern, mal mit Unterstützung der Ballettpaare, mal auch zusätzlich mit dem Chor. Und so sind Songs wie „Bist du ein Addams“, „Der Tod steht um die Ecke“ und vor allem der Versöhnungs-Tango zwischen Vater Gomez und Mutter Morticia wirkliche Highlights, die zeigen, dass die Darstellenden ihr Handwerk nicht nur in puncto Gesang und Spiel, sondern eben auch beim Tanzen beherrschen.

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Und damit zum Cast. Dieser könnte besser kaum sein. Große Namen der deutschen Musicalszene haben sich – wieder einmal – beim Domplatz Open Air versammelt. Da sind die zunächst die bereits erwähnten Eltern Addams, Morticia und Gomez, verkörpert von Bettina Mönch und Enrico de Pieri.
Mönch besticht durch ihre Bühnenpräsenz und ihre gesangliche und tänzerische Perfektion. Ihre Morticia ist kühl, arrogant und herzlos, immer Herrin der Lage – scheinbar. Bis zu jenem Punkt, an dem ihr Bild ihrer Familienwelt ins Wanken gerät.
Enrico de Pieri ist als Gomez Addams ganz liebender Ehemann und Vater, dem das Wohlergehen der beiden Frauen in seinem Leben über alles geht und der sich genau damit in ordentliche Schwierigkeiten bringt. Einen besonderen Charme verleiht er seiner Figur mit dem durchgängig gesprochenen und gesungenen spanischen Akzent.
Quasi die Fäden der Handlung in der Hand hat Onkel Fester, dargestellt von Mathias Schlung. Dieser führt wie ein Erzähler durch den Abend und tut alles, damit am Ende die Liebe siegt, auch seine eigene zum Mond.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht natürlich Tochter Wednesday. Mit großer Stimme brilliert in dieser Rolle Sandra Leitner. Und sie schafft es zudem überzeugend, die Zerrissenheit der Addams-Tochter zu zeigen – komplett emotionslos, fast brutal, Streichelzoo-Tiere mordend auf der einen Seite, hoffnungslos verliebt und den künftigen Schwiegereltern unbedingt gefallen wollend und sich damit fast selbst verleugnend auf der anderen.

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Eben jene Schwiegereltern werden gespielt von Veronika Hörmann als Alice Beineke und Fehmi Göklü als Mal. Beide machen während des Stückes eine Verwandlung durch und entdecken ihre dunkle Seite, welche sie im Laufe ihres spießigen Kleinstadtlebens in Ohio komplett verloren hatten, wieder. Diese Wandlung zeigt sich auch stimmlich und darstellerisch und so gehört vor allem Veronika Hörmanns Wandlung mit dem Song „Das Warten“ ebenfalls zu den Highlights der Show.
Ihr Sohn und Wednesdays Love Interest Lucas wird gespielt von Lukas Witzel. Gesanglich gewohnt souverän verkörpert er seine Rolle, zeigt aber vor allem in der an Wilhelm Tell angelehnten Szene auch sein komödiantisches Talent.
Vervollständigt wird die Darstellerriege von April Hailer als urkomische Großmutter inklusive Riesenspinne, Luisa Meloni als Wednesdays nach Schmerz und Erniedrigung gierender Bruder Pugsley und Matthias Knaab als furchteinflößender, alle an Körpergröße überragender Diener Lurch. Dieser bewegt sich auf Rollschuhen fort, was dafür sorgt, dass er gleich ein bisschen weniger furchteinflößend ist. Und am Ende hat der meist nur brummende Töne von sich gebende Lurch noch eine kleine Überraschung parat.

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Der Hauptcast wird ergänzt durch Mitglieder des Balletts Magdeburg und des Opernchores sowie der Statisterie. Sie verkörpern in erster Linie die eigentlich tote, aber einmal im Jahr zum „Leben“ erweckte Verwandtschaft der Addams‘ und bewegen sich die meiste Zeit als Zombies über die Bühne.
Die Magdeburgische Philharmonie unter Leitung von Pawel Poplawski, in diesem Jahr in kleinerer Besetzung, spielt in gewohnter Souveränität aus dem Orchesterzeit auf und zeigt sich beim Schlussapplaus völlig verdient dem Publikum.
Fazit: „The Addams Family“ in Magdeburg ist ein großer Spaß und ein in allen Punkten überaus stimmiges Open Air Erlebnis. Die Tickets für alle 18 Vorstellungen waren schon weit vor der Premiere komplett ausverkauft. Da bleibt allen Beteiligten und Zuschauern zu wünschen, dass der Wettergott es gut meint und alle Vorstellungen wie geplant über die Bühne vor dem Magdeburger Dom gehen können.
Musikalische Leitung: Paweł Popławski/Davide Rinaldi
Regie: Felix Seiler
Bühne: Darko Petrovic
Kostüme: Linda Schnabel
Choreografie: Danny Costello
Beleuchtungsdesign: Ingo Jooß
Dramaturgie: Christoph Clausen, Ulrike Schröder
Gomez Addams: Enrico De Pieri
Morticia Addams: Bettina Mönch
Onkel Fester: Mathias Schlung
Grandma: April Hailer
Wednesday Addams: Sandra Leitner
Pugsley Addams: Luisa Meloni
Lurch: Matthias Knaab
Mal Beineke: Fehmi Göklü
Alice Beineke: Veronika Hörmann
Lucas Beineke: Lukas Witzel
Opernchor des Theaters Magdeburg
Ballett Theater Magdeburg
Statisterie des Theaters Magdeburg
Magdeburgische Philharmonie