Opulent und bildgewaltig: Operette „Clivia“ am Theater Magdeburg

Mit ordentlich viel Musical-Power inszeniert der Generalintendant des Theaters Magdeburg die Operette „Clivia“, die am 9. November im Magdeburger Opernhaus ihre Premiere erlebte. Gleich drei Darstellende, die man eher in der Musical- denn in der Operettenwelt verortet, wurden von Julien Chavaz prominent in diesem – in der Filmwelt würde man sagen „Schinken“ – besetzt. Anja Backus, frisch geehrt mit dem Deutschen Musical Theater Preis 2025 als beste Darstellerin in einer Nebenrolle, erweckt die Titelrolle Clivia zum Leben. Von der zickig-arroganten Filmdiva vollzieht sie glaubwürdig in Spiel und Gesang die Wandlung zur verletzlichen Frau, die um ihre Liebe kämpft.

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Andreas Bongard verkörpert Juan Damigo, erst Zwangs-Ehemann, später Love-Interest der Diva und außerdem noch Präsident des fiktiven südamerikanischen Staates Boliguay. Auch er schafft es, die Wandlungen, von denen seine Figur gleich mehrere durchläuft, glaubhaft auf die Bühne zu bringen.

Das Magdeburger Urgestein Benjamin Sommerfeld komplettiert das Musical-Gast-Trio als gewitzter, aber schmieriger „Geldsack“ E.W. Potterton. Er hält die Fäden der Handlung in seinen Händen und zeigt einmal mehr, dass es in vielen musikalischen Bühnenwerken (wie auch in dem einen oder anderen Film) oft die „Bösewichte“ sind, denen die Herzen der Zuschauenden zufliegen.

Die Riege der Hauptcast wird komplettiert von einer ausgesprochen spielfreudigen und symphatischen Carmen Steinert in der Doppelrolle des Reporters Lelio Down einerseits und des Jungen Louis Londres in der Rahmenhandlung andererseits, Jeanett Neumeister als herrlich skurrile Generalin Yola Damigo und Kammersängerin Undine Dreißig, die vor allem in der Rolle des schrulligen Erfinders und Weltenbummlers Gustav Kasulke ein Highlight der Inszenierung ist. Ihr Song „Man muss mal ab und zu verreisen“ riss das Publikum zu regelrechten Begeisterungsstürmen hin.

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Der große Cast wird ergänzt von Solisten des Musiktheaters, dem Opernchor und dem Ballett des Theaters Magdeburg.

„Clivia“ ist das wohl erfolgreichste Bühnenwerk des Komponisten Nico Dostal und wurde im Dezember 1933 in Berlin uraufgeführt. Wie oft in Operetten, ist die Handlung eher dünn und ohne größeres Konfliktpotential. Deshalb schuf Regisseur Chavaz gemeinsam mit dem musikalischen Leiter Kai Tietje (der diese Operette bereits an der Komischen Oper Berlin dirigierte) und Dramaturg Christoph Clausen eine neue, zeitgemäßere Version, arrangierte die Musik neu und erfand eine Rahmenhandlung, in welche die eigentliche Originalgeschichte als Traumsequenz eingebettet ist. Mit dieser Überarbeitung bekommt das Stück ein wenig mehr „Fleisch an den Knochen“ – mehr Handlung, mehr Show und auch eine Portion Lokalkolorit und Gegenwartsbezug, was vom Publikum dankbar angenommen und mit Lachern quittiert wurde. Doch diese Überarbeitung führt auch zu einer Gesamtlänge der Inszenierung von 3:15 Stunden. Und besonders der erste Teil zieht sich mit einer Länge von ca. 1:45 h gegen Ende doch ganz ordentlich, was dazu führte, dass einige Zuschauer bereits vor der Pause den Saal verlassen mussten, vermutlich weil ein menschliches Bedürfnis rief.
So schön und unterhaltsam die Neuerungen sind, in der Gesamtschau hätte die Inszenierung an der einen oder anderen Stelle ein bisschen Straffung vertragen können. Die zusätzliche Traum-Rahmenhandlung nimmt doch recht viel Raum ein, ohne für die eigentlich erzählte Geschichte wirklich von großem Nutzen zu sein.

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Dessen ungeachtet ist „Clivia“ eine unterhaltsame, mitreißende Show. Dafür sorgen vor allem die Choreografien von Daniel Daniela Ojeda Yrureta. Die von ihm  – oft mit einem Augenzwinkern – kreierten „großen“ Bilder, in die alle Darstellenden einbezogen sind, machen ausgesprochen viel Spaß und werden vom Premierenpublikum entsprechend honoriert. Die Bühnenausstattung (Mariia Bokovnia, Julien Chavaz) mit viel Licht und den allzeit präsenten Kakteen im Comic-Stil und vor allem auch die aufwändigen und einfallsreichen Kostüme (Jean-Jacques Delmotte) fangen die beschwingt- überzeichnete Stimmung der Inszenierung ein.
In Summe sind es vor allem die kleinen Details, die diese Inszenierung zu einem unterhaltsamen Wohlfühl-Abend werden lassen: bereits erwähnte Kakteen (sogar im Brautstrauß, die überdimensionierten Cocktailgläser, die Anleihen an die Olsenbande oder TV-Verkaufssendungen, eine Schwanensee-Persiflage und vieles mehr.

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All das getragen von den mitreißend südländischen Klängen aus dem Orchestergraben, in dem die Magdeburgische Philharmonie einmal mehr zeigt, was sie kann, an diesem Abend geleitet von Kai Tietje.

Am Ende des Abends war das Publikum begeistert und tat dies auch lange und lautstark kund. „Clivia“, ein seelenstreichelnder Farbtupfer im grauen November.

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