Jan Ammann – A Musical Love Story
An einem sonnigen Dienstagnachmittag im Januar versammeln sich rund 250 Menschen in einem Wohngebiet in Hamburg. Nach und nach verschwinden sie in einem kleinen, unscheinbaren Theater – dem First Stage, welches eigens zur Stage School der Hansestadt gehört. An diesem Tag ist es keine schuleigene Produktion, die die Zuschauer anlockt, sondern ein Konzert von Musicalgröße Jan Ammann, der mit seinem neuen Format „A Musical Love Story“ hier auftreten wird. Unter dem Label Sound of Music Concerts ist es nach dem Tourauftakt in Berlin und Leipzig das dritte Konzert der Reihe, die sich in Oberhausen, Filderstadt, Wien und Bad Sooden fortsetzt.
An Ammanns Seite stehen seine Kollegen Lisa Habermann, Jan Rekeszus und Michaela Schober, da sich Liebe nicht allein zelebrieren lässt. Marina Komissartchik begleitet das Quartett, wie immer äußerst gekonnt, am Flügel. Das schönste Gefühl der Welt hat viele Facetten und eine ganze Reihe davon sollen an diesem Abend angesprochen werden. Das Publikum wird in eine ganz besondere Stimmung versetzt, während die Protagonisten einen überaus vielseitigen Querschnitt an Liebesliedern aus dem Musicalbereich zum Besten geben.
Den Auftakt bestreitet niemand Geringeres als Bram Stoker’s Dracula, der unsterbliche Vampir im Musical aus Wildhorns Feder und seine Mitstreiter. In diesem ersten Liederblock können alle Protagonisten bereits ihr großes Können demonstrieren und eine Reise durch Raum, Zeit, Realität und Fiktion beginnt. Eingeteilt in Blöcke, die die Höhepunkte von beliebten Musicals beinhalten, ist es die Liebe, die sich als alles verknüpfender roter Faden durch den Abend zieht.
Dass die Verbundenheit zweier Menschen auch über den Tod hinaus bestehen bleibt, vor allem wenn einer der beiden in Gefahr ist und der andere alles dafür tut ihn zu retten, zeigt die Geschichte um Sam und Molly. „Ghost – Nachricht von Sam“, basierend auf dem gleichnamigen Kultfilm aus dem Jahre 1990, lief als erfolgreiche Musicaladaption auch in deutscher Sprache noch bis Januar in Hamburg. In die Rollen der beiden Hauptfiguren schlüpfen an diesem Abend Jan Ammann und Lisa Habermann und zeigen eindrucksvoll, wie schön diese unsterbliche Zuneigung sein kann. Die „Unchained Melody“ der Righteous Brothers hat sich als Selbstläufer und unverkennbar mit diesem Stück zusammengehörig entwickelt und wird vom Gastgeber mit großer Hingabe und einer Portion Humor transportiert.
Den letzten Block vor der Pause belegt „Die Päpstin“ mit der Musik von Dennis Martin. Das 2011 in Fulda uraufgeführte Musical erreichte in den vergangenen Jahren Kultstatus und die Geschichte um die Päpstin Johanna und ihren Markgraf Gerold gilt als eine der wohl schönsten Liebesgeschichten des deutschen Musicalmarktes. Kein Wunder also, dass ein langer Block daraus an diesem Abend nicht fehlen darf. In die Rolle der Protagonistin schlüpft Michaela Schober, die mit ihrer Interpretation dem Publikum eine Gänsehaut über den Körper treibt und es zu spontanen Jubelrufen animiert. In seinem ersten Solo des Konzertes weiß mit „Hinter hohen Klostermauern“ auch Jan Rekeszus zu überzeugen und sich seinen Applaus redlich zu verdienen.
Sehr schön rundet „True Love“ von Cole Porter diesen ersten Akt musikalisch ab. Es vereint die Darsteller noch einmal gemeinsam auf der großen Bühne und lässt Raum für den ein oder anderen Tanzschritt und ein sehr inniges Miteinander, welches zeigt, dass die Kollegen sehr gut harmonieren.
Neben aller Ernsthaftigkeit und allem Gefühl kommt natürlich auch der Spaß nicht zu kurz. Beinahe greifbar ist der Schalk, der hin und wieder zwischen den Sängern aufblitzt und die Stimmung deutlich auflockert. Sehr humoristisch ist auch die Darstellung vom „Tanz der Vampire“ als Auftakt des zweiten Aktes. Während Jan Rekeszus als liebeskranker Alfred nach seiner Sarah ruft, hat diese offenbar ganz andere Interessen. Das Spiel zwischen ihm und Michaela Schober hat einen feinen komödiantischen Touch, der darin gipfelt, dass sie ihn, ganz in ihrer Rolle, in die Garderobe schickt, den Schwamm zu holen und damit die Bühne für Vampirgraf von Krolock frei macht, der in Gestalt von Jan Ammann grinsend zu ihr schlendert und sie nach allen Regeln der Kunst verführt. Das Gelächter im Publikum brandet auf, als Rekeszus sich mit besagtem Requisit wieder ins Geschehen einmischt, von seinem Kontrahenten jedoch mit einer schnellen Handbewegung verscheucht wird, während dieser genüsslich seinem vampirischen Instinkt nachgibt und ausgiebig die Gier nach Blut stillt.
Im kommenden Block wird es ein wenig ernster. Fünf Songs aus ebenso vielen unterschiedlichen Quellen führen dem Publikum vor Augen, dass Liebe eben auch Glück, innige Freundschaft, jugendliche Leidenschaft oder Besessenheit bedeuten kann. Das „Freundschaftsduett“ aus „Ludwig²“ stellt dann schon wieder eine Herausforderung für die Lachmuskeln aller dar. Ammann und Rekeszus harmonieren hervorragend miteinander, werden in dieser Konstellation die Bühne jedoch höchstens auf Konzerten noch einmal teilen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist es überaus schade, erinnert man sich an den vergangenen Sommer und unzählige durchweg mit komödiantischer Note durchzogener Ludwig-Vorstellungen in Füssen.
Ein Stück, welches erst im Januar 2018 – ziemlich genau ein Jahr vor diesem Konzert seine erstmalig in Deutschland zu sehen war, bildet den Abschluss dieses durchweg gefühlsbetonten Konzertabends. „Doktor Schiwago“ nach einer Romanvorlage von Boris Pasternak feierte in Leipzig seine deutschsprachige Erstaufführung und wird seither gefeiert und immer wieder adaptiert. Jan Ammann, der die Rolle des Jurij Schiwago in dieser Inszenierung geprägt hat und Lisa Habermann, die in Leipzig als Lara auf der Bühne stand, geben hier gemeinsam mit ihren beiden Kollegen einen Einblick in dieses doch sehr tiefgreifende, berührende Stück. Der Zuschauer fühlt sich ins zaristische Russland versetzt und wird über die Musik und den Gesang sofort ein Teil des Geschehens. Wer es noch nicht gesehen hat versteht, warum die Leidenschaft in jenen entbrannt ist, die das Stück bereits in Gänze auf der Bühne erleben durften. In diesem Block werden noch einmal alle Register gezogen und die Emotionen fahren Achterbahn. Die stehenden Ovationen verdienen die Darsteller mit ihrer Interpretation zu Recht.
Viel zu schnell neigt sich dieser Konzertabend seinem Ende entgegen. Wie könnte es schöner sein, als eine musikalische Liebesgeschichte mit „Lieben trotzdem“ enden zu lassen? Nun, da fällt dem Gastgeber etwas Besonderes ein, was sich seit dem ersten Konzert in Berlin – dort noch aus einer offenbar spontanen Idee geboren – inzwischen etabliert hat. Die Entscheidung sich einen irischen Brauch zu eigen zu machen und die ebenerdige Bühne mit allen Gästen zu teilen wird gerne angenommen und es bedarf keiner langen Aufforderung, ehe sich die Zuschauer um den Flügel versammeln, zwischen ihren Gastgebern stehen und gemeinsam mit mit einem erneuten „True Love“ einen wirklich schönen Abend ausklingen lassen.
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