Preis der Into-Nationen

Das Grenzlandtheater zu Gast auf dem CHIO-Gelände des Aachen-Laurensberger Rennvereins

Premiere: 14. August 2020

 

Eine ungewöhnliche Zeit erfordert ungewöhnliche und vielleicht leicht verrückte Ideen, sinniert Uwe Brandt, Intendant des Grenzlandtheaters Aachen, als er an diesem Freitag unter großem Jubel der Zuschauer zur Eröffnung der Premiere der Grenzlandtheater Musicalshow auf die Bühne tritt. Sein Dank gilt nicht nur den anwesenden Zuschauern, die sich trotz der momentan schwierigen Phase in Zeiten der Covid19-Pandemie auf ein Live-Erlebnis eingelassen und so dieser Show eine vierfache Wiederholung verschafft haben, sondern vor allem auch dem Präsidenten des Aachen-Laurensberger Rennvereins, Carl Meulenbergh, der ihn, sein Theater und seine ungewöhnliche Idee mit offenen Armen empfangen und diese Abende überhaupt ermöglicht hat. Ungewöhnlich ist die Idee in der Tat, finden doch normaler Weise die Veranstaltungen im Saal des hauseigenen Theaters mitten in der Aachener City statt und nicht wie heute im Wohnzimmer des traditionsreichen Reitervereins. Unter normalen Umständen messen sich auf dem heiligen Rasen des Springstadions beim Weltfest des Pferdesports, dem CHIO (Concours Hippique International Officiel), Jahr für Jahr internationale Reiter und Pferde in den schwierigsten Prüfungen. Obwohl pandemiebedingt natürlich auch der CHIO nicht stattfinden durfte, ein paar Pferde sind aber dennoch zu Beginn am Start und sorgen mit einem kurzen, aber begeisternden Schaubild dafür, dass die üblichen Bewohner des Stadions nicht in Vergessenheit geraten.

 

 

Nach nun mehreren Monaten ohne Bühne und ohne Publikum stellen sich heute aus den vergangenen Musicalproduktionen des Grenzlandtheaters bekannte Darsteller den gespannten Zuschauern. Die Stimmung ist schon vor Beginn hervorragend. Dass sich alle, Gäste wie Aktive, auf den Abend und auf endlich wieder ein Live-Musik-Erlebnis freuen, ist weder zu übersehen noch zu überhören. Der Bitte des Theaterchefs, der sowohl beim Eröffnungssong mitsingt, als auch die Moderation des Abends übernimmt, doch auf das sonst übliche Mitsingen und Mitgröhlen zu verzichten und stattdessen lieber die Handylichter, nicht aber den Klingelton, stampfende Beine und klatschende Hände sprechen zu lassen, kommen alle dann auch vielfach im Laufe des Programms nach.

Der Cast und die Songliste können sich sehen lassen. Mit Tina Podstawa, Karina Kettenis, Celine Voigt und Gido Schimanski stehen gleich vier Darsteller aus dem Stück des letzten Jahres, My fair Lady, im Rampenlicht und zeigen dementsprechend auch einen großen Auszug aus dem Musical, das 1956 seine Ur- und 1961 seine deutsche Erstaufführung feierte. Komplettiert werden sie durch Marie-Danaé Bansen und Samuel Schürmann.

Karina Kettenis‘ absolut klare und volle Stimme kommt sowohl in den Tiefen als auch den operalen Höhen ihrer ersten Hauptrolle, der Eliza Doolittle, herausragend zur Geltung. Tina Podstawa brilliert in der Intonation der Edith Piaf Songs „Milord“ oder „Non, je ne regrette rien“ und Celine Voigt zeigt ihre Stimmgewalt mit Ausflügen in die Pop-Welt („Let’s hear it for the boys“) sowie auf die Straßen Paris‘ („Oh Champes Elyseés“). Dass dieser „powervolle halbe Meter“, wie Uwe Brandt die kleine und noch junge Darstellerin liebevoll nennt, ebenfalls große tänzerische Fähigkeiten besitzt, beweist sie unter tosendem Applaus der Zuschauer mit einer Steppeinlage zu dem „Rocky Horror Show“-Klassiker „Time Warp“. Marie-Danaé Bansen entführt überzeugend in die Katakomben der Pariser Oper und in die unglaubliche Geschichte um das dort verweilende Phantom, nur um kurz darauf in die Welt des „Cabaret“ einzutauchen.

Auch gewähren die Bühnenaktiven einen kleinen Ausblick auf die im Dezember Premiere feiernde diesjährige Musicalproduktion des Grenzlandtheaters, „Saturday Night Fever“. So lassen z. B. Gido Schimanski und Tina Podstawa, indem sie sich fragen, wie tief Liebe wohl sein kann, mit „How deep is your love“ eine der wichtigsten Nummern erklingen.

Mit Samuel Schürmann steht ein ebenso hervorragender Musicaldarsteller, Sänger und Komponist/Songwriter auf der Bühne, der seine Kunst nicht nur im Duett mit Gido Schimanski zu „Mack the Knife“ aus der Dreigroschenoper darbietet, sondern auch „Ich bin, was ich bin“ aus „La Cage aux Folles – Ein Käfig voller Narren“ glaubhaft und berührend zu Gehör zu bringen versteht. Dazu entführt er noch in seine ganz eigene Welt, indem er zwei von ihm selbst komponierte Stücke zum Besten gibt.

„Thank you for the Music“ – nach diesen knapp zwei Stunden mit einem Querschnitt durch viele bekannte Musicalmelodien stehen den Sängern wie auch den Veranstaltern die Emotionen förmlich ins Gesicht geschrieben, viel zu lange mussten sie auf die Ausübung ihres Berufes, auf das, wofür sie brennen, verzichten. Die gut umgesetzten Hygienemaßnahmen bescherten ein sorgenfreies Miteinander und ließen wenigstens für kurze Zeit den momentan recht surrealen Alltag ein bisschen in den Hintergrund treten. Analog zu einer der bekanntesten Prüfungen des CHIO, dem Preis der Nationen – hier im Titel des Konzertes in „Preis der Into-Nationen“ gewandelt – erfolgt die Verabschiedung standesgemäß mit winkenden weißen Taschentüchern und bringt somit für einen Moment den Flair und den Charme der sonst üblichen Nutzung des Reitstadions in die strahlenden Gesichter aller Beteiligten zurück. Eine rundum gelungene Veranstaltung, die man sich in einer solchen Atmosphäre gerne öfter vorstellen könnte.

 

Weiterführende Links:

Facebook: Grenzlandtheater Aachen
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Gido Schimanski

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