Jesus Christ Superstar – Premiere in Duisburg
The Rockmusical in Concert
mit der Musik von Andrew Lloyd Webber und Texten von Tim Rice
Zu welcher Zeit könnte man die Premiere zu einem Stück, welches die biblische Passionsgeschichte, die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesus Christus darstellt, besser auf eine Bühne bringen, als zu Ostern. „Jesus Christ Superstar“ ist weniger ein Musical als eine opulent gestaltete Rock-Oper und bescherte dem damals noch jungen und unbekannten Komponisten Andrew Lloyd Webber bereits mit seiner 1971 im Mark Hellinger Theatre in New York gefeierten Uraufführung einen großen Erfolg – es fanden dort damals trotz großer Proteste christlicher Gruppen 720 Vorstellungen statt. Bevor es 1973 von Norman Jewison mit Ted Neeley als Jesus und Carl Anderson als Judas Ischariot verfilmt wurde, gab es am 18. Februar 1972 in Münster die Uraufführung in deutscher Sprache, für die Reiner Schöne in die Titelrolle schlüpfte. Bis heute wurde das Stück in elf Sprachen übersetzt, zweimal verfilmt und in mehr als 20 Ländern gespielt. Die Grundthematik war und ist immer noch aktuell, trifft den Nerv einer jeden Zeit und kann immer wieder beliebig auch in die neueste Zivilisationsproblematik der Menschheit adaptiert werden.
Genau 50 Jahre nach der Erstveröffentlichung des späteren Titelsongs „Superstar“ feierte die Rockoper „Jesus Christ Superstar“ nun am 12. April 2019 ihre Spielzeit-Premiere im Duisburger Theater am Marientor in einer eigentlich konzertanten Fassung, die trotz nur viertägiger Probenzeit in eine gespielte Show verwandelt wurde. Die Führung des bereits früher als Musicaltheater genutzten Hauses startet mit dieser Produktion einen betriebsstrategischen Umbruch und begibt sich wieder zurück zu seinen Wurzeln. In Zukunft soll dort dem Publikum unter Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen wieder Premium Entertainment im EnSuite-Betrieb präsentiert werden.
Den Startschuss für diese Veränderungen legen die Verantwortlichen wegweisend, indem sie für ihr ausgewähltes Stück mit einer Starbesetzung aufwarten können. Allen voran Patrick Stanke (Jesus), der zu den bekanntesten Musicaldarstellern im deutschsprachigen Raum gehört und bereits etlichen großen Rollen seinen Stempel aufdrücken konnte. Es gelingt ihm, obwohl komplett in englischer Sprache aufgeführt, seine altersgemäß gut gemischten Zuhörer zu erreichen und diese stimmgewaltig mitzureißen. Die schmale Gratwanderung seiner Rolle, die zwischen schwach und unentschlossen bis hin zu stark und in Teilen überlegen pendelt, gelingt großartig.
Andrea Matthias Pagani kann seine an vielen unterschiedlichen Theatern erworbenen Erfahrungen in der Rolle des Judas sehr überzeugend zur Geltung bringen. Seine Mimik und Gestik im Spiel, ebenso wie sein gesangliches Können, transportieren die große Zerrissenheit seiner Figur, den Kampf zwischen Herz und Vernunft, zwischen Freund und Verrat, überaus deutlich ins Publikum.
Auch Dionne Wudu, durfte schon mehrfach in die Rolle der Maria Magdalena schlüpfen. In ihrer bedeutenden Leichtigkeit schwebt sie wie eine Wolke durch das Stück und agiert gekonnt zwischen den Darstellern. Sie schafft es den Moment der Verzweiflung, ihrer Erkenntnis, dass sie in Jesus von Nazareth mehr als „nur“ einen Mann sieht, groß herauszustellen und darin zu glänzen.
Frischen Wind in die ohnehin sehr modern aufgezogene Inszenierung, für die Regisseurin Katja Thost-Hauser verantwortlich zeichnet, bringt auch Ralph Morgenstern mit seiner sehr feminin anmutenden Interpretation des Herodes. Mit dick rot geschminkten Lippen und einem langen Ballkleid bringt er mit seiner imposante Erscheinung und seinem Tanzstil, gepaart mit einer großen Stimme etwas befreiende Leichtigkeit in die die gespannte Stimmung im Saal. Selbst in einer solch emotionalen Geschichte darf Platz für Lachtränen, großen Jubel und Zustimmung sein, die dem Künstler ebenso wie dem gelungenen Choreografie-Schachzug von Kati Fargas entgegenschlagen.
Die Adaption des biblischen Stoffes in die heutige Zeit gelingt nicht nur durch die geschickt ausgewählten Kostüme. In gleicher, eintönig-trister Kleidung spielt das gut harmonierende Ensemble und hebt damit die weiteren für die Story wichtigen Figuren, in bunteren Farben gekleidet, hervor. Einzig den Cast teilweise in „Sportkleidung“ zu stecken hinterlässt bei nicht allen Rollen ein passendes Bild.
Ebenso wie die Kostüme verlegt das zwar karge, gleichzeitig aber überdimensional groß wirkende Bühnenbild von Helmut Mohrbacher die Geschichte in die Moderne. Als einzige bewegliche Requisiten dienen ein paar große Holzkisten, ansonsten bildet eine runde, schräge Spielfläche den Bühnenmittelpunkt. Im Hintergrund gelangen die Darsteller über eine Treppe auf den ebenfalls undekorierten und erhöhten hinteren Bühnenbereich. Den noch vorhandenen Platz rechts und links neben den Stufen besetzt das grandios spielende und unter der musikalischen Leitung von Inga Hilsberg stehende Orchester. Die rückwärtige Bühnenwand nimmt ein multifunktionaler LED-Bildschirm über die gesamte Höhe und Breite ein, der mit den aufgespielten Projektionen eine perfekte Einheit mit dem Lichtdesign von Michael Grundner bildet. Die von Pilates verhängten 39 Peitschenhiebe werden – durch mit jedem Schlag hinzukommende Brüche – in einer fiktiven Ansicht auf ebendieser Fläche dargestellt, während eingeblendete und bekannte Ikonenbilder zu den jeweiligen Szenen gedankliche Vertiefungen schaffen und nicht nur einmal für aufziehende Gänsehaut bei den Zuschauern sorgen.
Zur Kreuzigungsszene symbolisiert eine nackte Stahlkonstruktion eine riesige Dornenkrone, deren rundherum geführte Lichtstrahlen den ans Kreuz genagelten Jesus förmlich durchbohren. Ein Kreuz sucht man ebenso vergeblich wie einen Halt für den Darsteller, der lediglich an zwei Drahtseilen im Hüftbereich hochgezogen, minutenlang in der typischen Kreuzigungsposition, allein aus seiner eigenen Körperkraft heraus, ausharren muss.
Mit der ersten Eigenproduktion gelingt dem Theater am Marientor ein fulminanter Start in eine neue Zeit, die aus einem ehemaligen Musicaltheater wieder ein neues formen soll. Die Protagonisten setzen den bekannten Stoff lediglich mit ihrer Bühnenpräsenz überaus gekonnt in Szene und sorgen für jede Menge Gänsehautmomente und angehaltenen Atem beim Publikum. Die Inszenierung kommt mit wenig Schnickschnack aus und wirkt doch groß, modern und frisch und fesselt die Besucher emotional an ihre Sitze, bevor die Begeisterung gewinnt und sich in frenetischen Applausstürmen und stehenden Ovationen Raum erobert.
Wer sich den biblischen Teil der Ostergeschichte gespielt in einer großartigen Inszenierung ansehen möchte, kann dies – mit Ausnahme des Karfreitags – noch bis Ostermontag, 22. April 2019. Karten können an allen bekannten Vorverkaufsstellen, über die Homepage des Theaters www.theater-am-marientor.de oder zu den Öffnungszeiten an der Theaterkasse erworben werden.
Weiterführende Links:
Theater am Marientor
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Dionne Wudu
Andrea Matthias Pagani
Ralph Morgenstern
Benedikt Ivo
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(Fotos: Astrid Mohren)