„Es menschelt an jeder Ecke“ – Andreas Lichtenberger über „Anatevka“
Während er noch die letzten Glamour-Shows als Zaza im „La cage aux folles“ im Theater Magdeburg singt und spielt, probt er auf derselben Bühne schon fleißig eine komplett andere Rolle, die des jüdischen Milchmanns Tevje: Andreas Lichtenberger bleibt den Musicalfreunden an der Elbe erhalten und wird ab dem 4. Mai in „Anatevka“ (Fiddler on the Roof) zu erleben sein.
Dabei war er, als er von Regisseur Erik Petersen gefragt wurde, ob er die Rolle übernehmen wolle, doch erst eher skeptisch, gibt Andreas Lichterberger zu. „Ich hatte bei der Figur des Tevje sofort Ivan Rebroff und Gunther Emmerlich vor meinem geistigen Auge und hab spontan gesagt: ‚Dafür bin ich noch zu jung.‘“, erzählt er. Doch dieses Argument zog bei Erik Petersen nicht. Schließlich sei Tevjes älteste Tochter gerade mal Anfang 20. „Da hab ich dann mal kurz gerechnet“, lacht Lichtenberger mit einem Augenzwinkern. Er habe sich dann, erzählt er weiter, intensiver mit dem Stück, mit der in ihm erzählten Geschichte und Petersens Inszenierungskonzept beschäftigt. „Das hat mich dann überzeugt und ich bekam richtig Lust auf das Stück und die Rolle.“ Dazu kommt, dass es ihm Spaß macht, am Magdeburger Theater zu arbeiten. „Es ist wie in einer großen Familie, fast schon eine sehr private Stimmung, herzlich. Es herrscht diese Art Vertrautheit, wie man sie auch aus dem persönlich-privaten Umfeld kennt, man fühlt sich gut aufgehoben“, sagt er. Und das nicht nur während der Arbeit, sondern auch in den freien Stunden. So hat Lichtenberger gerade vor unserem Interview noch zwei Stunden Fußball mit der Theatermannschaft gespielt. Sogar im Fußballstadion sei er gewesen und hat sich gemeinsam mit dem Regisseur und anderen Castmitgliedern ein Spiel des 1.FC Magdeburg angeschaut. „Die Stimmung dort ist unbeschreiblich“, schwärmt er und sagt: „Die Fans – auch das ist eine Art Familie.“
Und darum gehe es schließlich auch in „Anatevka“. Um Familie, um die Dinge, die ein Familienleben ausmachen, um Liebe, um Verstoßen, um Abschied und um Annehmen – einfach um alle Gefühle, die das Theater zu bieten habe. Und es geht um Tradition, denn Familie und Tradition, das gehört untrennbar zusammen. „Jede Familie, egal wie sie aussehen mag und was man als seine Familie definiert, hat auch Traditionen“, so Lichtenberger. „Diesen Fragen stellen wir uns in ‚Anatevka“: Was ist Tradition? Was nicht? Was ist es Wert erhalten zu werden? Was nicht?“ Und im Mittelpunkt all dieser Fragen stehen immer die Menschen.
„Es menschelt an jeder Ecke“, bringt Andreas Lichtenberger es auf den Punkt. Dieses „Menscheln“ sei es, was „Anatevka“ so intensiv und berührend mache. „Das ist das Besondere, was Theater kann: Zum einen die Zuschauer neue Welten erleben lassen, zum anderen sie dort abholen, wo sie sind.“ Das gelte für den „Käfig voller Narren“ ebenso wie für „Anatevka“, bei aller Unterschiedlichkeit der beiden Stücke: „Für die meisten von uns ist die Welt der Travestie zugegebenermaßen nicht unbedingt die eigene, doch das Gefühl des Nichtakzeptiertwerdens kennen wir bestimmt alle auf die eine oder andere Weise. Genauso ist ganz sicher keiner von uns in einem russischen Dorf im Jahr 1905 aufgewachsen – die Welt ist uns also fremd – doch was in Tevjes Familie passiert, das haben wir wiederum alle schon erlebt, auf die eine oder andere Weise.“
„Auch wir haben in der Probenarbeit immer wieder neue Dinge entdeckt – und auch entdecken dürfen“, sagt er mit Blick auf Regisseur Erik Petersen. Dieser habe, lobt Lichtenberger, ein unglaublich gutes Gespür für die Charakteristik der Figuren in einem Stück und damit auch für die Cast. „Erik ist mehr Spielleiter denn Regisseur, er ist gemeinsam mit der Cast ein Teil des kreativen Prozesses. Die Proben sind eine Entdeckungsreise.“ Der Regisseur gibt dieses Lob umgehend zurück: „Ich bin unglaublich stolz, mit Andreas arbeiten zu dürfen.“
Beide, Hauptdarsteller und Regisseur, versprechen einen sehr intensiven, emotionalen Theaterabend. „Ich bin fast sicher, dass viele, die wie ich bei diesem Stück zuerst an Ivan Rebroff oder Gunther Emmerlich denken, diese Verbindung am Ende des Abends gelöst haben werden“, verspricht Andreas Lichtenberger.
Andreas Lichtenberger:
Seine Ausbildung absolvierte Andreas Lichtenberger in der Schauspielabteilung der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Er spielte zunächst sieben Jahre im Ensemble des Schauspielhauses der Staatstheater Stuttgart, bis er das Genre wechselte und zu einem der gefragtesten deutschen Musicaldarsteller wurde. Seine Stimme bildete er bei Marc Garcia und Kristina Gloge weiter aus und studiert seit 2012 auch bei Ks. Hilde Zadek in Wien. In Stuttgart, Essen und Berlin war er in „Mamma Mia“ als Sam und Bill zu sehen, in Mannheim gab er den Moonface Martin in „Anything Goes“, mit dem Wittenbrink-Liederabend „Mozart Werke Ges.m.b.H.“ tourte er durch die Republik. In Hamburg kreierte er Kerchak in der deutschsprachigen Erstaufführung von Disneys „Tarzan“ und ist auch auf der Cast-CD in dieser Rolle zu hören. Weitere Stationen waren die Titelrolle von „Der Mann von La Mancha“ in Nürnberg und St. Gallen, Axel Staudach („Ich war noch niemals in New York“) im Wiener Raimundtheater, Edna Turnblad („Hairspray“) bei den Freilichtspielen Tecklenburg sowie Fred/Petruchio (»Kiss me, Kate«) beim Sommerfestival Kittsee und in der Wiener Volksoper. Er spielte und sang die Titelrollen der Rockoper „Jedermann“ bei den Erfurter Domstufen-Festspielen 2014 und des Musicals „Shrek“ in Düsseldorf, Berlin, München, Zürich und Wien. In St. Gallen und Wien war er als Don Camillo in “Don Camillo & Peppone” zu erleben, in Hameln mimte er den Piraten Long John Silver in „Die Schatzinsel“.
Am Theater Magdeburg ist Andreas Lichtenberger als Albin/Zaza im Musical „Ein Käfig voller Narren“ und als Tevje im Musical „Anatevka“ zu sehen.
Weitere Projekte sind ab Juni 2019 „Die Päpstin“ beim Musical Sommer in Fulda als Vater/Papst, die Rolle des Radbod in einer Open-Air-Aufführung von „Bonifatius“ auf dem Domplatz Fulda (August 2019) sowie ab Mai 2020 der Fred in „Kiss me, Kate“ an der Wiener Volksoper.
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