Falco – Das Musical

03.04.2019 Theater am Potsdamer Platz Berlin

(c) Marcel Klette

Oft ist Musicalgenuss mit weiten Reisen verbunden, wenn Stücke für lange Zeit in festen Theatern gespielt werden. Doch in den vergangenen Jahren erfreuen sich auch Tourneen immer größerer Beliebtheit beim Publikum. Qualitativ hochwertige Shows touren durch Deutschland und die Nachbarländer und erreichen auf diesem Weg ein größeres Zielpublikum als es an einem festen Standort möglich wäre. Oliver Forster, Produzent von COFO Entertainment, hat sich genau dies auf die Fahnen geschrieben. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Musical-Biographien und dementsprechend erobern Stücke über unvergessene Musikgrößen vergangener Zeiten den deutschen Musicalmarkt. So reiht sich seit 2017 auch Falco in diese Riege ein.

Anlässlich des 60. Geburtstages von Johann „Hans“ Hölzel alias „Falco“, keimte die Idee auf, dessen tragische Lebensgeschichte auf die Bühne zu bringen und sich dabei nicht allein auf dessen Erfolg zu stützen, sondern auch die tragischen Aspekte seines Lebens nicht unbeleuchtet zu lassen. Gekonnt geht das Autorenduo Alexander Kerbst und Stefanie Kock mit dem biographischen Stoff um und verwebt ihn zu einer Geschichte, die mitreißender kaum sein könnte.

Getragen von über 20 seiner bekanntesten Songs wird ein Künstler noch einmal lebendig, der am 6. Februar 1998, kurz vor seinem 41. Geburtstag, sein irdisches Leben zwar verlor, doch dessen musikalisches Erbe unsterblich ist.

(c) Stefan Wolf

Einspielungen von Originalausschnitten aus Reportagen und Interviews auf einer überdimensionalen Leinwand bilden den Auftakt für die etwa zweieinhalbstündige Show. Das Publikum erlebt den tragischen Tod des Künstlers gekoppelt an einen sehr gelungenen musikalischen Einstieg in das Bühnengeschehen, mit dem er in Gestalt von Alexander Kerbst, eines der weltbesten Falco-Doubles, für den Abend wieder aufersteht. Durch die Geschichte führt Sebastian Achilles in Gestalt des Managers und guten Freundes des Protagonisten. Er erzählt zunächst, er habe Falco bei einem Drahdiwaberl Konzert das erste Mal gesehen, wo dieser als Bassist agierte. Bereits vor Desinteresse gehen wollend, habe er inne gehalten, als Hans Hölzel, der zu diesem Zeitpunkt bereits bei seinem Künstlernamen genannt werden wollte, „Ganz Wien“, einen Song über die Drogenszene, welche sich in der Stadt gerade im Aufschwung befand, intonierte. Beeindruckt hinterließ er seine  Karte und das Angebot ihn zu produzieren.

Über beeindruckende Bilder bei „Vienna Calling“ spinnt sich der Geschichtsfaden hin in den hohen Norden Deutschlands, nach Hamburg, wo über drei Monate nach dem ersten Aufeinandertreffen das erste Offizielle vereinbart wird. Falco erscheint mit seinem Demo von „Helden von heute“, welches auf wenig Gegenliebe stößt. Die B-Seite der Platte jedoch soll sich binnen kürzester Zeit zum Hit entwickeln. „Der Kommissar“ schlägt trotz aller Zweifel des Künstlers selbst ein wie die sprichwörtliche Bombe und wird 1981 zum Nummer 1 Hit in Deutschland, Österreich und Japan. Man beginnt Falco als ersten weißen Rapper zu feiern.

(c) Dominik Gruss

Dass jedoch jeder Erfolg seinen Tribut fordert, wird bereits kurze Zeit später deutlich. Man erhält einen Einblick in eine Garderobe, wo ein volltrunkener Künstler ganz in seiner eigenen Welt gefangen dabei ist, an einem neuen Songtext zu arbeiten. Unterbrochen wird er dabei abwechselnd von Gesichtern in seinem Schminkspiegel, die ihm suggerieren zu suchen, was ihm fehlt und daran zu denken, was er bereits auf dem Weg zum Ruhm verloren hat. Widersprüchlich mischt sich eine zweite Erscheinung ein, die ihm klarmacht, dass auf dem Weg nach oben immer etwas von einem selbst zurückgelassen werden muss. Als der Manager seinen Schützling zu einer Pressekonferenz holen möchte, sträubt dieser sich vehement und gibt sich lieber jenen Stimmen in seinem Kopf hin, während von außen sein Alkoholkonsum – nicht zum ersten Mal – kritisiert wird. Völlig emotional und an dieser Stelle erschreckend passend fügt sich „Emotional“ in die Songfolge des Abends ein.

Falco sieht sich allein mit seinen Dämonen und dem Druck, der auf ihm lastet und mit wachsendem Ruhm stetig steigt und sehnt sich mehr und mehr nach einer Frau, die ihn versteht, die ihm hilft, diese Last zu schultern.

(c) Karin Haselsteiner

Mit steigendem Ruhm nimmt auch der Druck auf den Künstler sichtlich zu. Dies wird erneut deutlich, als er seinen Nummer 1 Hit „Rock me Amadeus“ aufnehmen soll. Im Palais Schwarzenberg wartet man Stunde um Stunde vergeblich, ehe mit den verzögerten Videoaufnahmen endlich begonnen werden kann. Der exzentrische Künstler sträubt sich, die Vorgaben und Ideen seines Managers umzusetzen und treibt diesen mit seinem Verhalten an den Rand des Wahnsinns. Als die Aufnahmen schließlich geglückt sind, schießt der Song am 20. März 1986 an die Spitze der amerikanischen Billboard Charts. Als erster und einziger deutschsprachiger Interpret ist Falco damit ein Durchbruch gelungen, was diesen allerdings weniger freut als man annehmen sollte. Das Team um ihn ist im Freudentaumel, doch der Künstler selbst wird von einer Welle der Wehmut erfasst und lamentiert darüber, dass er nun alles Menschenmögliche erreicht habe und es nun nur noch bergab gehen könne. In Anwesenheit seines Managers beginnt er über seinen eigenen Tod und die Unsterblichkeit zu sinnieren und äußert den Wunsch, ähnlich wie James Dean aus dem Leben zu scheiden, der in einem Porsche auf einer Kreuzung sein Leben gelassen hat.

(c) Dominik Gruss

Über seine Promo-Tour durch die USA und die 1986 erfolgreich stattfindende Welttournee gibt es wieder ein wenig mehr über den Menschen Johann Hölzel zu entdecken. Er sei ein Exzentriker, ein Eigenbrötler, jedoch sehr heimatverbunden gewesen, erfährt man in mehr als einer Anspielung auf Österreich, wohin es ihm immer wieder zurückgezogen hat.

Je mehr er unter Druck gerät, desto mehr vergräbt er sich im Alkohol und leistet sich Eskapaden, die seinen Manager zum Handeln zwingen. So schlägt dieser vor, ihn in einer Suchtklinik unterzubringen, was Falco jedoch strikt ablehnt. Mit John Lennons Worten „Ein großer Künstler ist derjenige, an dessen Geisteszustand die Leute zweifeln“, lässt er ihn abblitzen und arbeitet wie besessen weiter an neuen Songtexten. Er sehnt sich nach einem normalen Leben, einer Familie und beichtet, dass er seine Freundin Isabella Vitkovic in Los Angeles geheiratet hat. Auf harsche Worte seines guten Freundes nicht reagierend geht er schließlich feiern und schlägt gehörig über die Stränge, woraufhin er völlig verkatert aufgefunden wird.

(c) Dominik Gruss

Noch in seinem labilen Zustand schlägt der Manager ihm einen neuen Song vor – eine Ballade über Jeanny, die er rundweg ablehnt. Platt und romantisch sei etwas für Teenager, er selbst würde sich damit nicht abgeben. Entweder er könne den Song auf seine Art schreiben, oder es würde ihn nicht geben. Kurzerhand entschließt er sich die Geschichte zu „falconizen“ und bringt die Protagonistin seines Liedes innerhalb desselben um, woraufhin das Lied zum Skandal wird, teilweise auf dem Index landet und damit beinahe über Nacht zu einem Hit aufsteigt.

In einem Monolog berichtet der Sänger von seiner Kindheit, davon, was seine Mutter in ihm gesehen hat und wie seine Kinderseele unter dem ständigen Streit der Eltern Schaden genommen hat. Musik war es, die seine Ängste stillte und ihn seinen Kummer und seine Ängste, manchmal auch sich selbst vergessen ließ.

An diesem Punkt spricht sein bester Freund davon, Falco sei depressiv und von Selbstzweifeln geplagt, es wird deutlich, wie sehr dieser sich einigelt und nur aus einem kurzen Rückblick erfährt man von Tobsuchtanfällen und einer kurzen, erfolglosen Tour des Künstlers durch Deutschland und Österreich.

Anfang der 1990er Jahre gibt es einen erneuten Karriereaufschwung und alles scheint sich kurzzeitig zum Besseren zu wenden, doch 1993, nach 12 langen Jahren Zusammenarbeit, trennen sich die Wege von Manager und Künstler auf wenig schöne Weise am Wiener Flughafen. Falco wandert in die Dominikanische Republik aus, um dort sein Glück zu finden. Erneut hat er zu trinken begonnen und eine familiäre Angelegenheit zieht ihm zusätzlich den Boden unter den Füßen fort. Schlechte Publicity scheint ihn zu verfolgen und er tut alles dafür, sein Leben wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Eine neue Beziehung hält jedoch nur 10 Monate und von seiner Seelenpein angetrieben vergräbt er sich wie besessen in seiner Arbeit. Die Wahnvorstellungen nehmen stetig zu und schließlich endet sein Leben am 6. Februar 1998, wie er es schon Jahre zuvor vorhergesehen hat. Mit dem Jet „James Dean“ der Lauda Air wird sein Leichnam nach Wien überführt, wo er auf dem Zentralfriedhof beigesetzt wird und tausende Fans ihm die letzte Ehre erweisen. Mit „Out of the Dark“ endet Falco – Das Musical äußerst passend.

(c) Dominik Gruss

Die Geschichte wird auf der Bühne brillant in Szene gesetzt. Vor nahezu ausverkauftem Haus wird auf der Bühne eine Party gefeiert, die die 80er Jahre für einen Abend lebendig werden lässt. Mit einfallsreichen Kostümen und eindrucksvoller Choreographie punktet das Stück rein optisch bereits und stellt unter Beweis, dass auch eine Tourproduktion qualitativ auf hohem Niveau stattfinden kann. Wenn auch anfangs bei den reinen Sprechszenen die Lautstärke ziemlich übersteuert wirkt und teilweise wiederhallt, bekommt man diesen kleinen Wermutstropfen des Abends leicht und schnell in den Griff. Dafür beeindruckt die Lichttechnik ab der ersten Minute und überzeugt mit spektakulären Effekten. Gekonnt unterstreicht eine Lichtshow der Extraklasse das Bühnengeschehen. Der Hintergrund wird für Videoprojektionen und Bilder genutzt, so dass der ohnehin schon großen Bühne optisch noch mehr Tiefe verliehen wird. Mit faszinierenden Choreographien und detailverliebten Kostümen sind die Songs beinahe eines Musikvideos würdig – jeder auf seine ganz eigene Art. Alexander Kerbst, an diesem Abend als Protagonist auf der Bühne, verkörpert Falco verblüffend authentisch und haucht ihm neues Leben ein. Auch Stefanie Kock als Ana Conda und Nike Tiecke als Jeanny treiben die Story stimmgewaltig voran, während Sebastian Achilles als Manager den roten Faden spinnt. Erwähnenswert ist ein Ensemble äußerst talentierter Tänzer, welche im Hintergrund unaufdringlich, aber unverzichtbar in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen und diese auf den Punkt spielen, so dass es eine Freude ist, das Augenmerk auch einmal vom Hauptgeschehen weg zu lenken. Eine fünfköpfige Band sorgt für Livemusik und unterstützt ihre Protagonisten musikalisch.

Mit Falco – Das Musical ist eine gelungene Hommage an einen interessanten und viel zu früh verstorbenen Künstler gelungen. Die diesjährige Tour führte durch insgesamt mehr als 60 Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz und wird am 22. April in Linz enden.

 

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