Zehn Jahre Musiktheaterregie: Erik Petersen im Interview

Er ist erst 36 Jahre alt und trotzdem hat sich Erik Petersen bereits einen guten Namen als Regisseur in der deutschen Musiktheater- und vor allem in der Musicalwelt gemacht. Im vergangenen Sommer inszenierte er eine von der Kritik viel beachtete und vom Publikum gefeierte Open-Air-Version von „Rebecca“ auf dem Domplatz in seiner Heimatstadt Magdeburg, aktuell bereitet er die Premiere von „Cabaret“ am 16. September im Theater Chemnitz mit Sybille Lambrich und Jan-Philipp Rekeszus in den Hauptrollen vor.

Erik Petersen Foto: Thilo Beu

In diesem Jahr feiert der gebürtige Magdeburger sein 10-jähriges Jubiläum als freischaffender Musiktheater-Regisseur. Und auch bei der Entscheidung, diesen Weg einzuschlagen, spielt Eriks Heimatstadt eine nicht unwesentliche Rolle. Im Sommer 2013, als er bereits drei Jahre an verschiedenen Orten und bei verschiedenen Regisseuren als Assistent gearbeitet hatte, inszenierte Gil Mehmert mit ihm als Co-Regisseur „Les Misérables“ auf dem Magdeburger Domplatz. Als Mehmert zehn Tage vor der Premiere wegen eines Unfalls quasi ausfiel, übernahm Erik die Endproben dieses Mammutwerkes vor heimischer Kulisse. „Das war schon eine ganz spezielle Situation“, resümiert er heute. „Schließlich kannte ich viele der beteiligten Künstler und Theatermitarbeiter schon seit meiner Kindheit, das war schon eine ganz besondere Energie. Aber in solchen Momenten merkt man, was eine Gemeinschaft ausmacht.“

Dort, im Theater Magdeburg, ist Erik Petersen quasi aufgewachsen. Vom 10. Lebensjahr an war er als Statist und später auch als Kleindarsteller in unzähligen Stücken beschäftigt, auch in Musicals. Deshalb war jede Inszenierung, die er am „heimischen“ Theater auf die Bühne bringen durfte, etwas ganz Besonderes. „Ich bin Karen Stone [Generalintendantin des Theaters Magdeburg von 2009-2022, d.Red.] unendlich dankbar für die Chancen, die sie mir eröffnet hat. Ich durfte mich ausprobieren und tolle Inszenierungen auf die Beine stellen.“ So inszenierte Erik in Magdeburg u.a. „Crazy for you“, „Anatevka“ „My Fair Lady” oder die Domplatz Open Airs „Hair“ und „Rebecca“. „Dank dieser Chancen konnte ich mich in der Musicalwelt etablieren und sie öffneten mir die Türen für weitere Regieangebote. Das war anfangs nicht immer einfach“, erzählt er, „denn ich habe ja weder Regie noch Theaterwissenschaften oder Ähnliches studiert. Aber ich hatte und habe jede Menge praktische Erfahrungen.“

Versteht Erik Petersen sich eher als Musiktheaterregisseur oder als Musicalregisseur? „Ich nenne mich Musiktheaterregisseur, obwohl ich eigentlich in der Musical-‘Schublade’ stecke“, antwortet er lachend. Aber mit dieser Schublade hat er kein Problem, versichert er. Denn obwohl er auch schon Opern und Operetten inszeniert habe, gehört seine große Leidenschaft ganz klar dem Musical. „Aber ich kämpfe dafür, die Fronten zwischen den Musiktheatergenres aufzubrechen“, sagt er. Diese Klassifizierung in U- und E-Musik, in Hochkultur und Trivialkultur sei aus seiner Sicht nicht mehr zeitgemäß. „Es gibt einen Generationenwechsel beim Musiktheaterpublikum, die jungen Menschen, die jetzt zunehmend in die Theater gehen, schauen anders. So wie sich die Konsumgewohnheiten bei Filmen & Co verändert haben dank Internet und Streamingdiensten, so verändern sich auch die Konsumgewohnheiten von Theater. Und da muss das Musiktheater mitgehen, sich öffnen, Neues entwickeln, sonst ist es irgendwann tot.“ Die Corona-Pandemie hätte diese bereits bestehende Entwicklung zusätzlich beschleunigt, sagt er. Die Stadttheater, in denen sehr viel Gutes und Qualitätsvolles passiert, hätten in dieser Zeit am meisten verloren. „Viele Operninszenierungen haben kaum noch Zuschauer, sogar in Bayreuth bei den Wagner-Festspielen waren in diesem Jahr noch Karten erhältlich. „Das gab es noch nie!“
Dieser Entwicklung müsse man sich stellen und Erik sieht dabei das Musicalgenre als das zukunftsträchtigste. „Nicht umsonst ist die ‚Heiße Ecke‘ das am meisten gespielte Musikstück in Deutschland.“
Leider, so Erik weiter, gebe es wenig spezialisierten Nachwuchs im Musicalbereich. Die bekanntesten Namen gehören zu Regisseuren, die alle schon lange dabei sind. Unter den jüngeren Regisseuren ist kaum jemand wirklich auf Musicals spezialisiert und Frauen fehlen im Reigen der Musicalregisseure fast komplett.

„Musical“, so Erik, „hat nicht nur mit Erfolg zu tun, sondern auch mit Beständigkeit.“ Doch gerade die Coronazeit, als das Theaterleben weltweit stillstand, habe ihm deutlich vor Augen geführt, dass Theater vergänglich ist. „Und darum ist mir die Quantität gar nicht mehr so wichtig, sondern die Qualität“, sagt Erik. „Ich gestehe mir inzwischen zu, die Produktionen, die ich wirklich machen möchte, ganz gezielt auszusuchen. Mein Anspruch ist es, mit einer Inszenierung einen Mehrwert zu schaffen, für mich, für die Darstellenden und natürlich für das Publikum. Dazu gehört, dass man auch den Mut hat, etwas Neues zu formen und vor allem gehört dazu ein guter und respektvoller Umgang mit den Künstlerinnen und Künstlern.“
Inzwischen lehne er Angebote auch konsequent ab, wenn er sich mit ihnen nicht identifizieren könne. Tourmusicals oder Produktionen mit Musik vom Band z.B. kämen für ihn nicht in Frage.

„Ich habe in der Corona-Zeit gelernt, dass ich nicht mehr auf Teufel komm raus alles machen muss, nur um mich zu beweisen. Die außergewöhnliche Zeit hat mich dazu gebracht, über mich selbst nachzudenken, über meinen bisherigen Weg und mich zu fragen: Wo stehe ich im Leben?“ „Dieses Nachdenken führte mich dazu, das Angebot vom Performing Center Austria in Wien anzunehmen. Dort bin ich jetzt – neben meiner Inszenierungsarbeit – als Dozent tätig. Deshalb muss ich selbst nicht mehr so viele Produktionen stemmen wie früher,“ erzählt er.

Aktuelles Projekt: “Cabaret” in Chemnitz

Doch natürlich geht er der Musicalwelt auch als Regisseur nicht verloren. Aktuell inszeniert er am Theater Chemnitz den Klassiker „Cabaret“, eines der erfolgreichsten Stücke des Musicalgenres überhaupt. Eigentlich sollte die Produktion schon im November 2020 auf die Bühne kommen, doch wie so vieles fiel auch diese Premiere der Corona-Pandemie zum Opfer. Jetzt wird sie nachgeholt, am 16. September ist Premiere.

Sybille Lambrich ist Sally Bowles. Foto: Nasser Hashemi

„Für mich bedeutet „Cabaret“ zu inszenieren viel Denkarbeit und viel Verantwortung,“ erklärt der Regisseur. Das Stück spielt in den 1920er/1930er Jahren, einer scheinbar unbedarften Zeit voller Leben, Kunst, Freiheit, aus der jedoch viel Schlimmes entstanden ist. Aktuell sind wir gesellschaftlich wieder an so einem Kipp-Punkt und diese Entwicklung muss sich in einer solchen Produktion natürlich auch ein Stück weit wiederspiegeln.
Die Produktion wurde während der Corona-Zeit entwickelt, die Inszenierung war quasi fertig, dann kam der Lockdown. Die beiden Hauptdarsteller waren damals andere als heute. Diese Tatsache und die aktuellen Entwicklungen seit 2020 geben dem Stück eine andere Struktur, so dass wir es noch einmal komplett überarbeitet haben.“

Mit Sybille Lambrich und Jan-Philipp Rekeszus habe er zwei Darstellende gefunden, die für ihre Rollen geradezu prädestiniert seien, freut sich Erik. Mit beiden hat er schon zusammengearbeitet, z.B. in „Hair“, „Anatevka“ und „Rebecca“. Als Choreograf steht ihm Danny Costello zur Seite, der in diesem Sommer mit „Catch me if you can“ auf dem Magdeburger Domplatz erfolgreich war.

Erik Petersen verspricht: „Es wird groß!“

Karten für die Premiere und die Folgevorstellungen sowie alle Vorstellungtermine: https://www.theater-chemnitz.de/spielplan/detailseite/cabaret

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