Interview mit Robert Henry Lankester

Zum Ende der letzten Spielzeit der Erfolgsshow „Oh what a Night“, die sich mit der Musik des in Deutschland namentlich völlig unbekannten Weltstars Frankie Valli beschäftigt und das Publikum im Berliner Theaterzelt „Bar jeder Vernunft“ schon zum vierten Mal für einige Wochen blendend unterhielt, hatten wir die Gelegenheit, mit Robert Lankester ins Gespräch zu kommen. Der junge Bariton wurde mit der Show zum Wiederholungstäter und wir haben die Gelegenheit genutzt, mehr über ihn, seine Sichtweisen zum Musiktheater und seinen Werdegang, wie auch seine Wünsche in Erfahrung zu bringen.

Roberts Eltern sind Opernsänger, es schien klar, dass sein Weg auf die Bühne schon früh geebnet worden ist. Dennoch haben wir nachgehakt, ob das Musical, welches gegenüber dem klassischen Opernfach oft belächelt wird, vielleicht eher eine Trotzreaktion denn eine Passion war.

„Lustig, dass ihr fragt“, lacht Lankester. „Ich bin quasi im Theater groß geworden. Das erste Mal stand ich mit etwa fünf Jahren auf der Bühne. Meine Eltern haben sich bei Anatevka kennengelernt, also auch gar nicht im klassischen Opernbereich. Sie haben oft an Stadttheatern Musical gemacht und die Trennung Oper-Schauspiel-Musical gab es in ihren Köpfen gar nicht. Ich wurde oft gefragt, ob ich denselben Weg einschlagen möchte, doch ich habe lange Zeit verneint.“ Künstlerisch tätig habe er sein wollen, aber er sah sich eher als Kostümbildner denn als Darstellender. „Wenn Leute immer voraussetzen, dass man das tut, was die Eltern tun, dann löst das schon eine Abwehrhaltung aus“, schmunzelt er. „Mein Schlüsselerlebnis zum Musical war eine Backstagetour in London.“ Eine Freundin habe dort bei Wicked als Cover Elphaba gearbeitet, erinnert er sich. „Sie hat uns alles gezeigt. Die wunderschönen Kostüme, das grüne Baby, einfach alles. Die Ausstattung des Stückes ist mega! Als sie dann erzählte, dass alle zwei Tage eine Lady kommt, um die Pailletten am Kleid der Glinda auszubessern, war ich etwas ernüchtert. Ich dachte nein, ich will das nicht machen. Ich möchte die Pailletten lieber selbst tragen. Das war der Moment, in dem ich wusste, dass ich doch lieber auf die Bühne möchte und meine Eltern waren zufrieden, dass ich es endlich kapiert habe.“

 

Bevor es dann jedoch so weit war, habe noch ein langer Weg vor ihm gelegen. Robert hat 2014 in München sein Musicalstudium aufgenommen.

(c) Anna Permesang

„Meine erste Wahl war das nicht. Ich wollte immer unbedingt nach Berlin. Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen und wollte da unbedingt raus. Meine Schwester hat in Berlin gewohnt und studiert und immer wenn ich sie besucht habe, spürte ich, dass London oder Berlin die Städte sind, in denen ich mich einfach wohl fühle und in die es mich unbedingt zieht.“

Daran, dass es oft anders kommt als man sich wünscht, ist das Aufnahmeprozedere der Universität der Künste (UdK) Schuld. Alle drei Jahre verhängt die Berliner Schule einen Aufnahmestopp. „Das war natürlich genau mein Jahr. Nach dem Abitur habe ich mich ein Jahr lang auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet und sogar überlegt, ein weiteres Jahr zu warten. Aber selbst dann wäre ja nicht sicher gewesen, dass ich einen Platz bekomme. So kam dann im Herbst die Aufnahmeprüfung in München dazwischen“, erinnert er sich. „In München fängt das Studium im März an. Ich habe mich dort auf Anhieb so wohl gefühlt mit den ganzen Studierenden und den Räumlichkeiten. Ich wusste sofort, hier gehöre ich hin und ich muss nicht länger auf Berlin warten.“
Er sei überrascht gewesen, dass er als einer von acht Studierenden in seinem Jahrgang aufgenommen wurde. Die Stadt selbst passt so gar nicht zu ihm, erzählt er, aber „die Schule hat sehr zu mir gepasst“, fügt er hinzu und erinnert sich zurück an die Studienzeit, in der er nicht nur die Sparten Tanz, Gesang und Schauspiel studieren durfte, sondern vor allem über sich selbst viel gelernt habe. „Das ist ein super intensiver Studiengang. Ich war von Montag bis Sonntag täglich zwölf Stunden in der Uni. Wenn man das schnell zusammenfassen kann, finde ich, dass die Erfahrungen, die ich im Studium sammeln konnte, viel mit mir selbst zu tun hatten. Wie belastbar bin ich? Wie komme ich mit anderen Kolleg:innen klar? Wie stehe ich im ganzen Konstrukt Musical?

In München geht man sehr schnell auf Auftritt. Dann arbeitet man sehr schnell eng mit Regisseur:innen zusammen und macht Projekte. Dann kommt man an den Punkt, wo man in sich hineinhört und sich fragt, „Wie komme ich damit klar? In dem Konstrukt Proben, Spielen und zusätzlich die Sparten zu studieren – ich habe sehr viel über mich erfahren.“

Natürlich ist es auch interessant zu erfahren, wie der Umgang zwischen den Studierenden ist. Hier erinnert er sich gern zurück, dass in seinem Jahrgang aus Fremden schnell intensive Freundschaften entstanden. „Wir haben uns lieben gelernt, wir haben uns unterstützt, wir sind jetzt immer noch in Kontakt, fast zehn Jahre später und wir schreiben und treffen uns immer noch regelmäßig. Das ist immer noch meine kleine gewählte Familie.“

Dass das nicht in jedem Jahrgang so gewesen sei, habe er erleben können. Ellenbogenarbeit und Konkurrenzdenken sind bisweilen an der Tagesordnung. „Das hatten wir zum Glück nie. Wenn uns Dozent:innen irgendwie blöd gekommen sind, haben wir immer zusammengehalten und einander verteidigt und sehr gestützt. Meine Kommilitonen sagen auch, ohne diesen Zusammenhalt hätten einige von uns das Studium nicht ausgehalten. Ich hatte sehr großes Glück.“

Ihm sei klar gewesen, dass die Aufnahme an einer renommierten Schule nicht selbstverständlich gewesen ist. Für den Fall, dass es nicht funktioniert hätte, gab es natürlich einen Plan B oder auch C, wie er verrät. „Ich hätte wahrscheinlich eine Mappe zusammengestellt und es im Kostümbild nochmal versucht, wäre ich nicht angenommen worden.“ Ein weiterer Gedanke, der ihn bis heute nicht ganz loslässt, sei ein Studium im Visual Marketing gewesen. „Da habe ich oft drüber nachgedacht. Ich wollte auf jeden Fall etwas Ästhetisches machen. Und wenn schon nicht ästhetisch auf der Bühne, dann irgendwie dahinter oder davor. Ich hätte mir zum Beispiel auch gut vorstellen können, Schaufenster zu gestalten. Vielleicht mache ich das eines Tages sogar. Wer weiß? ‚Schaufenster by Robert Lankester‘.“

In den vergangenen Jahren hat man Robert in verschiedensten Produktionen und Städten auf der Bühne gesehen. Unter anderem als St. Jimmy in American Idiot, als Hänschen in Frühlingserwachen, im Ensemble von Sound of Music, als U-Bahn Geist bei Ghost, als M4 bei Oh what a Night, er verkörpert das Kit Kat Girl Frenchie in der Berliner Produktion von Cabaret oder auch als Tänzer im Märchen Grand Hotel. Dabei durfte er nicht nur einiges an Bühnenerfahrung sammeln, sondern sich gleichsam ausprobieren, neue Wege entdecken und die Unterschiede von Tour- und stationären Produktionen kennenlernen.

Einige Erkenntnisse hat er für sich gesammelt. „Ich liebe kleine Produktionen! Je kleiner desto besser. Fünf-Personen-Stücke zum Beispiel sind echt geil. Da hat jeder richtig viel Raum!  Ich passe zum Beispiel gar nicht so gut in Longrun Produktionen. Ich habe mich auf Auditions dafür oft sehr unwohl gefühlt und irgendwann aufgehört, mich darauf zu bewerben. Ich komme so sehr gut klar und habe tolle Projekte, die ich sehr mag. Ich möchte immer wieder mal was Neues machen“, fällt ihm als erstes ein. Die Vorteile kleinerer Produktionen liegen seiner Meinung nach auf der Hand. „Ich sehe die Vorteile darin, dass der Druck deutlich geringer ist. Und dadurch kann meiner Meinung nach, aber das ist super subjektiv, ein viel kreativerer Prozess stattfinden. Mit weniger Druck von außen kann was viel Schöneres entstehen. Da darf die Blume richtig aufgehen und allein gedeihen. Man arbeitet entspannter miteinander, wenn man nicht den Druck einer Großproduktion hat, wo man leisten muss, sondern kann spüren, schauen, reinfühlen und hat viel mehr Freiheiten. Das finde ich einen großen Vorteil.“

Ob es ihn zum Arbeiten immer an neue Orte zieht, oder die Reiselust schnell in Frust umschlägt, kann er schnell und sehr leidenschaftlich beantworten. „Stationär mache ich lieber. Am besten in Berlin. Das war meine Premiere letztes Jahr, in der gleichen Stadt zu arbeiten und zu leben. In meinem eigenen Bett zu schlafen nach einer Probe, das war eine völlig andere Welt. Einmal nicht ins Hotelzimmer oder eine Theaterwohnung zu gehen. Ich würde immer lieber stationär sein. Ich habe das auch zuletzt wieder gemerkt, dass touren nichts für mich ist. Es bringt mich so aus meinem Konzept. Das ist so zwischen krasser Routine und unroutiniert. Es kann alles überraschend kommen. Wenn man sich zum Beispiel mal nicht wohl fühlt, sitzt man krank im Hotelzimmer, krank im Bus mit Maske, um die Kolleg:innen nicht zu gefährden, und mit Augenschutz, wegen der Helligkeit, weil man dringend Schlaf nachholen muss. Das kann nicht mein Leben sein.

Man muss das erstmal spüren, um sagen zu können, ob es was für einen ist. Für mich ist das nichts.“

Uns interessiert als natürlich auch, wohin Robert mit seiner Kunst möchte, oder ob er bereits angekommen ist. Probierst du dich noch aus? Auch hier braucht er nur einen Wimpernschlag für die Antwort. „Ich bin nur am Ausprobieren. Ich habe das immer unterschätzt, als man mir im Studium sagte, dass man als junger Mensch mit einer tiefen Stimme Schwierigkeiten haben könnte. Das war die letzten Jahre oft wirklich nicht einfach, weil Stimme und Optik manchmal nicht zusammenpassten und dies die Chance auf Rollen verbaut hat.

Jetzt wo ich bald 30 werde, kommen endlich Projekte, die zu mir passen. Jetzt bin ich nicht mehr der funky 22-Jährige mit der Baritonstimme, wo alle immer verwirrt sind und denken „’Du klingst wie der Vater, aber siehst aus wie der Sohn‘.

Ich bin gerade nur am Ausprobieren und komme jetzt langsam an in dem, was ich machen will.“

Rollentechnisch habe er sich immer als „The Sidekick“ gesehen. Entweder als lustiger Freund oder auch in der Rolle des Bösen. „Ich spüre, dass ich da hinwill. Eine meiner Lieblingsrollen, die ich spielen durfte, war St. Jimmy in American Idiot. Da habe ich mich richtig wohl gefühlt. Das war der bad guy, der einen versucht hat in die falsche Ecke zu locken. Da habe ich mich sehr zu Hause gefühlt.

Wie jetzt auch bei „The night“ [Oh what a Night], da fühle ich mich ebenfalls sehr zu Hause.“

Klar gibt es Traumrollen, Traumstücke oder auch welche, mit denen man sich nicht identifiziert. Bisher habe er hier immer Glück gehabt und hinter den Projekten gestanden. „Was ich unheimlich gerne einmal spielen würde, wäre ein Sondheim. Da hätte ich richtig Lust drauf. Robert in Company oder der Wolf und der Prinz in Into the Woods. Da würde ich sofort alles stehen und liegen lassen, wenn jemand sagt, dass ich Sondheim machen darf. Dafür würde ich auch sofort umziehen“, erzählt er begeistert. „Was ich eher nicht machen möchte, wären Longruns, da sehe ich mich nicht. Und schon gar nicht in so funky, happy Zeug, was auf Zwang irgendwelche Lacher generieren soll. Das spüre ich für mich nicht.“

 

Nun ist Robert Lankester mit Wohnsitz in Berlin nicht nur als junger Bariton außergewöhnlich, sondern auch optisch eher ein „bunter Hund“. In der Hauptstadt fällt er damit nicht auf, als Bühnenkünstler kann dies jedoch schon einmal zu Fragen führen, die ihn verärgern. Wir wollten wissen, ob er als LGBTQIA+ Person das Gefühl hat, auch bei Bewerbungen in eine Schublade gesteckt zu werden. „Das spielt 100 % eine Rolle. Leider immer noch,  auch wenn das vielleicht nicht jeder so sehen wird. Man wird auch oft als Darstellender in der LGBTQ Community gefragt, wenn man für eine Rolle vorgeschlagen wird ‚Can you play straight?‘. Entschuldigung! Aber einen straighten Kollegen, den man auf eine schwule Rolle packt, würde man das nie fragen, ob er das spielen kann. Das ist eine Belastung, denn wir sind alles Darstellende. Wir sind Schauspieler. Wir lügen das Publikum an andauernd an, natürlich können wir das!“

 

Sehr offen und experimentierfreudig haucht er unterschiedlichsten Charakteren mit verschiedensten Eigenschaften Leben ein. Kurz überlegt er, ehe er sich an eine Situation im Studium erinnert. „Im Studium hatte ich mit Anfang 20 ein lustiges Erlebnis. Da meinte ein Regisseur mit dem ich damals eng zusammen arbeitete zu mir ‚Du wärst eine tolle Zaza in La Cage aux folles.‘ Ich war etwas verwirrt und dachte, ich bin 20, was soll ich denn mit dieser Information jetzt anfangen?

Aber jetzt, wo ich fast 30 bin, weiß/verstehe/ spüre ich was er meinte und ja, ich würde es sofort machen! Ich würde sofort „rübercrossen über die Paillettenbrücke“. Gender crossing würde ich sofort machen!“

(c) Anna Permesang

Derzeit geben sich bei Robert die unterschiedlichsten Charaktere die Klinke in die Hand. Drei davon hat er nicht nur einmal verkörpert. Die Rede ist vom U-Bahn Geist bei Ghost, M4 bei Oh what a Night und Frenchie in Cabaret. Welchen Reiz diese für ihn haben, erzählt er sehr offen und ausführlich.  „Ich habe Evita in Bern gespielt und leider Covid mitgebracht. Da lag ich fast 2 Wochen lang flach und es kam ein Anruf, ob ich bei Ghost einspringen könnte. Da hatte ich zwei Monate Zeit. Dort habe ich mit Manuel Schmidt (Regisseur, mit dem ich die 2. Version von American Idiot gemacht habe) und Timo Radünz (Choreo) zusammengearbeitet, und die Kombi hat mir sehr gut gefallen. Es war eine mega schöne Arbeit, ich habe mich sehr wertgeschätzt gefühlt, und deswegen habe ich dann beim Angebot für das Folgejahr sofort zugesagt. Außerdem habe ich tolle Freunde in der Produktion, mit denen ich gern nochmal gearbeitet habe.

 Mit Cabaret ist ein Traum in Erfüllung gegangen. 2019 war ich im Publikum, weil eine sehr gute Freundin von mir Sally Bowles gespielt hat. Ich hatte sofort das Gefühl ‚Sorry, aber ich MUSS dieses blaue Kit Kat Girl sein! Ich muss Frenchie spielen‘. Das war keine Frage, das war ein Bedürfnis. Ich wusste, das mache ich dann bald. Da bin ich auf ein Vortanzen gegangen und habe es bekommen.

Manchmal ist das so, dann erfüllen sich Prophezeiungen und Wünsche von selbst. Dann kam Corona, es wurde zwei Jahre verschoben und plötzlich bin ich jetzt in dieser Produktion drin. Und wenn ich mich gut anstelle, ist das vielleicht ein Gig, der mich über wie viele Sommer auch immer bringt. Das Musical läuft seit fast 20 Jahren! Das Prestige dieses Stückes ist der Reiz, die Choreos sind geil, ich finde die Produktion ganz toll, sie ist ganz raffiniert, sonst würde sie auch nicht schon so lange laufen. Ich bin ein stolz darauf, Teil dieser Cabaret Produktion zu sein. Es ist etwas ganz Besonderes, weil man sich wirklich fühlt, als wäre man im Kit Kat Club. Sowohl als Zuschauer, als auch auf der Bühne. Alles ist auch ein bisschen dreckig und abgeranzt und man spürt die Jahre in allen Sachen, das ist irgendwie geil.

Und hier bei Oh what a Night ist es halt so besonders. Da haben auch Michael Heller und Christopher Bolam ein sehr gutes Händchen dafür, ganz tolle Kollegen zu casten. Und jeder einzelne, der ein Teil davon ist, ist so nett und so kollegial und easy to work with… Das ist einfach schön. Was es natürlich ganz besonders speziell macht – da ist sehr viel von mir drin. Zwar gesättigt, als würde man bei einem Foto den Regler zum Anschlag drehen, aber die Chance zu bekommen, sich selbst auf diese Weise darzustellen, ist besonders. Wir benutzen ja auch unsere echten Namen, wir sind als wir auf der Bühne, das ist besonders und alles ist sehr nah. Es ist ja nicht nur so, auf der Bühne zu sein, sondern auch der Publikumskontakt mit deinem echten Namen, auch wenn die Rollen alle ein wenig übersättigt sind. Alle Eigenschaften sind sehr konzentriert, wie im Grafikprogramm, wo man den Regler hochschiebt. ‚Stage ist always bigger than life‘. Wenn wir einfach nur wir wären, wäre es vielleicht ein bisschen langweilig. Da grinst man dann eben einmal mehr, gibt einen Hüftschwung oder eine Pirouette mehr als normal, aber hey, die mache ich trotzdem privat auch, wenn ich Freunden etwas vormache oder so. Hier ist sehr viel von mir drin!

Bei Frenchie auch, aber anders. Sie arbeitet als Girl im Kit Kat Club.  Ich gebe immer so viel von mir, wie die Rolle zulässt. Ich ziehe mich manchmal privat auch so gender bending an, ich ziehe gern Kleidchen an, weil ich es mag und liebe damit zu spielen. Diese Facette der Rolle bin total ich, aber in einem historischen Kontext. Es ist nicht 2023, sondern 1929 und das ist natürlich nochmal anders.

Im U-Bahn-Geist war vielleicht die Art sich zu bewegen ‚ich‘,  aber da konnte ich zeigen, ich kann auch `nen Geist spielen. Der ist ja ein bisschen böse, das liegt mir und macht viel Spaß.“

Dass es bei allem Spaß, den der Job mit sich bringt, aber trotzdem noch harte Arbeit ist, zeigt sich in der nächsten Antwort. Wir wollten wissen, wie der Umgang mit Pannen ist, und wie selbstkritisch Robert ist.

(c) Marcel Lampert

„Ich bin total selbstkritisch. Ich hasse es, wenn Pannen passieren. Oft komme ich dann von der Bühne und denke darüber nach, dass das nicht hätte sein müssen. Das ist Selbstgeißelung, die nichts bringt, weil es ja nicht mehr zu ändern ist. Das sind eben Live Theater Momente. Trotzdem ärgert es mich sehr.  Aber um nochmal auf den Entwicklungsprozess zurückzukommen, diese Show hier, OWAN, hat mich auch gelehrt, ein bisschen zu entspannen, weil es nicht so wichtig ist, dass jeder Abend perfekt ist. Ich glaube, ich habe noch keinen Abend hiervon perfekt gespielt. Hier merkt man, dass es egal ist. Solange wir authentisch sind und einfach Spaß haben. Es macht einfach auch dem Publikum Spaß zu sehen, dass wir auch nur Menschen sind.“

Mit jedem Interview bemühen wir uns, auch ein wenig privaten Hintergrund unserer Gesprächspartner in Erfahrung zu bringen. Welche der bisher gespielten Rollen Robert im echten Leben gern einmal treffen würde und welche ihm menschlich am nächsten ist, interessiert uns. Hier nimmt er sich länger Zeit, um über eine Antwort nachzudenken. „Schwierige Frage… Obwohl er ein gefährlicher Charakter ist, würde ich St. Jimmy, also der creepy Drogendealer, der einen in die falsche Ecke drängt, gern mal treffen. Sex, Drugs and Rock’n’Roll. Spannend.

Selber verkörpern, ich meine, auch wenn es ein sehr historisches Stück ist, würde ich am ehesten Hänschen aus Frühlingserwachen. Das Stück habe ich in Hildesheim gespielt und mich da in der Figur sehr wiederentdeckt so als homosexueller Junge, der einfach nur mal seinen ersten Kuss haben will. Vielleicht bin ich das einfach. Ja, vielleicht bin ich Hänschen.“

Ob er Musiktheater auch als Zuschauer konsumiert, beantwortet er mit einem soliden Jein. „Wenn mich Freunde einladen ein Stück zu sehen, in dem sie mitspielen, dann gehe ich gern hin und habe Spaß.  Ich liebe das Genre generell, Operette, Oper, Musical und kann mich von Spannendem sehr anstecken lassen und großen Spaß daran haben. Aber ich suche nicht explizit danach. Es fühlt sich sonst sehr gezwungen an, ein bisschen als würde man zur Arbeit gehen.“

Privat bevorzugt Robert also eine andere Musik. Was seinem Geschmack entspricht führt er folgendermaßen aus. „Ich glaube, ich bin gefangen zwischen sehr kommerziellem Pop, ich bin nämlich ein großer Lady Gaga Fan und ein großer Billie Eilish Fan, aber gleichzeitig höre ich gerne Funky Jazz oder unkonventionelle Musicals oder unkonventionelle Opern. Ich glaube, diese zwei Pole habe ich, zwischen denen ich mich bewege. Pop-Kommerz und Funky, experimental, Jazz/ Pop/ Indie. Manchmal höre ich auch klassische Musik. Gerade war ich mit meiner Mama bei einem ganz tollen Konzert von Joyce DiDonato, eine ganz tolle Mezzo-Sopranistin, die vor allem alte Musik singt, das war so gut. Dort habe ich ganz viel geweint. Eine wirklich beeindruckende Künstlerin.“

 

Instrumente spielt er selbst nicht, wie er verrät. „Ich habe zwar im Studium zwei Semester Klavierunterricht belegt, aber das kann ich nur auf dem Papier. Vielleicht habe ich die Notwendigkeit damals nicht gesehen, vielleicht war ich ein bisschen zu faul oder ich bin einfach unbegabt“, sagt er schulterzuckend. „Dafür tanze ich sehr gerne und könnte mir vorstellen, irgendwann mal auszuprobieren, ob es mir liegt, Liedinterpretation als Coach zu unterrichten.“

 

Neugierig wollen wir noch ein wenig mehr erfahren und fragen nach geheimen Talenten und den Dingen, die man seiner Ansicht nach über ihn wissen sollte.

„Ich backe sehr gut. Davon sind viele Leute immer ganz überrascht, weil sie das nicht von mir erwarten. Aber ich backe gern und gut, vor allem Karottenkuchen.

Was die Dinge angeht, die man wissen sollte, da habt ihr mich auf dem falschen Fuß erwischt. Ganz schwierige Frage… Gegenfrage, was weiß man denn schon über mich?“, schmunzelt er, antwortet dann aber doch. „Ich bin ein sehr guter Zuhörer und ich kann mir sehr gut Namen merken. Ich bin sehr gut mit Vornamen. Schon immer. In der Schule damals habe ich immer so getan, als wäre ich das nicht. Damit ich cooler wirke. Weil das früher in der Schule immer so war, dass man sofort einen Stempel weghatte, wenn man Namen kannte. Von wegen ‚Ey, stalkst du mich?‘, aber das sollte man über mich wissen.“

Zum Abschluss des Gespräches fragen wir nach, ob er gern Antworten auf bislang ungestellte Fragen gegeben hätte. Trotz langjähriger Bühnenerfahrung ist es nämlich schwierig, Interviews über die Person Robert Lankester zu finden. „Die Frage, die ich am liebsten beantworten wollte, habe ich schon gehört. Ich finde die Frage nach der Traumrolle ist immer total spannend. Da kann man kurz in Träumen schwelgen und nochmal drüber nachdenken, was ist eigentlich mein Ziel und wo will ich hin? Wer bin ich jetzt, wer will ich sein? Und zum Glück kam die Frage. Die kommt zwar oft in Interviews, aber sie löst einen Dominostein im Kopf aus. Die Antwort kann sich auch immer ändern, denn man wird ja immer älter und man ändert auch sein Rollenfach und man denkt darüber nach, was man als nächstes tun will.“

Wir danken Robert für seine Zeit und die geduldigen Antworten auf eine Vielzahl neugieriger Fragen.

 

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