Die Hauptstadttenöre – von acht bis zehn bei Spreeathen

 

An einem Montag im September waren die Hauptstadttenöre Maik Tödter, Björn Christian Kuhn und Thorsten Henning mit ihrem Pianisten Ronald Herold im Schlossparktheater in Berlin Steglitz zu Gast.  Dabei präsentierten sie ihr neues Programm „Von acht bis zehn bei Spreeathen“ vor ausverkauftem Haus. Ausverkauft heißt in diesen Zeiten eine Auslastung von etwa 25 % der Sitzplatzkapazitäten. Vor 105 gespannten Zuschauern beschäftigten sie sich mit der Frage, wie ein Lied zum Volkslied wird.

Das Hygienekonzept des Theaters sah einen Einlass über den weitläufigen Garten vor, die Abstands- und Zugangsregeln sind hier gut einzuhalten. Am auffälligsten im Vergleich zu vielen anderen Häusern ist ein dauerhaft bestehendes „Publikum“ aus etwa 100 lebensgroßen und auf unterschiedlichste Weise ausgestatteten Puppen, die in den leeren Reihen einige Plätze einnehmen und auch im Publikum für einigen Gesprächsstoff sorgen.

Die sichtlich gute Laune, die die Herren auf der Bühne vom ersten Moment an versprühen, färbt rasch aufs Publikum ab. Mit klassischen Volksliedern, Kunstliedern und dem Einfluss aus Schlager und Pop beginnt ein rasanter, ohrwurmlastiger Abend, bei dem jeder auf seine Kosten kommt. Mit charmanter Moderation wird durch das kurzweilige Programm geführt, wobei auch das eine oder andere Augenzwinkern nicht ausbleibt.
Musikalisch wird mit „Veronika der Lenz ist da“, aus den 20er Jahren begonnen. Mit derselben Thematik geht es durchs 13. und 17. Jahrhundert, Melodien und Volksweisen werden über Generationen weitergetragen und nur geringfügig angepasst. So sind Volkslieder im Gedächtnis der Menschen fest verankert und ein wertvolles, schützenswertes Kulturgut. Wie alles unterliegen auch diese dem Wandel der Zeit und werden seit den 50er Jahren beinahe stiefmütterlich behandelt.  Dennoch ist die Sammlung dessen, was als Volkslied gilt, schier unendlich und die Texte der Klassiker sind spätestens mit den ersten Tönen wieder abrufbar.

Ursprünglich entstanden viele Lieder als Kunstlieder. Werke bedeutender musikalischer Genies erlangten einen hohen Bekanntheitsgrad und wurden binnen weniger Jahre zu Volksliedern. An diesem Abend zu hören sind Auszüge aus Schuberts Liederzyklus „Die schöne Müllerin“ und auch der „Winterreise“.

(c) valdivia

Durch kurzweilige Überleitungen wird das Programm ergänzt und bleibt interessant und abwechslungsreich. Die „Hauptstadttenöre“ bedienen sich hierbei aller möglichen Genres, entleihen ein Gedicht von Alfred Krieger an einer Stelle oder den erheiternden „Unfallbericht eines Dachdeckers“ an anderer. Ein Balanceakt zwischen Ernst und Comedy findet auf der Bühne statt und sorgt damit für weiter gute Stimmung beim begeisterten Publikum.  Dass die Herren Tödter, Kuhn und Henning auch sich selbst und ihre derzeitige Situation als Bühnenaktive aufs Korn nehmen, thematisieren sie, als die Sprache auf eine der ältesten musikalischen Lobpreisungen an das andere Geschlecht – das Ständchen – kommt.  Üblicherweise begibt sich der Interpret zum Zuhörer, während des letzten halben Jahres hat sich jedoch der Trend entwickelt, dass „nach Selbstverwirklichung suchende Selbstdarsteller vor offenen Fenstern und von Balkonen “ dem zufällig dahinströmenden und nach Unterhaltung lechzenden Publikum ihre Kunst darbringen. Auch an diesem Abend kommt der Zuhörer zum Interpreten. Die Unterhaltung ist dabei zu jeder Zeit gesichert. Mit dem Filmschlager „Irgendwo auf der Welt“ und dem wohl bekanntesten Titel der Comedian Harmonists, „Mein kleiner grüner Kaktus“, endet der erste Teil des Abends mit einem Ohrwurm.

Mit „Kriminal Tango“ wird der zweite Teil des Abends eingeläutet. Amüsant und durch und durch bekannt geht es weiter. Großen Zuspruch erhält die Demonstration, dass auch Werbejingles das Zeug zum Volkslied haben. Dabei bedient sich die Werbeindustrie häufig klassischer Musik, die mit eingängigen Texten untermalt wird, doch auch andersherum ist es oft gelungen, dem Kunden im Gedächtnis zu bleiben. Mit eigens für die Werbung komponierten Melodien haben sich zahllose Produkte in das kollektive Bewusstsein geschlichen. Hierbei ist es egal, ob Gemüse, Tiefkühlfisch, Schokoladenriegel oder Putzmittel – in beinahe jedem Bereich lässt sich etwas Derartiges finden.

Der Block wird geschlossen und dank über einen Beamer eingeblendeter Texte fühlt sich nun auch das Publikum zum Mitsingen animiert. Der Aufruf, dies wegen der aktuellen Bestimmungen zu unterlassen, verklingt ungehört. Vielstimmig werden bekannte Volkslieder angestimmt und viele der Zuschauer antworten den Bühnenaktiven als spontaner gemischter Chor.

Den Höhepunkt der Stimmung setzt „Du hast den Farbfilm vergessen“, ursprünglich von Nina Hagen, und erinnert damit wohl den größten Teil der Anwesenden an alte Zeiten, in denen Fotografie ein aufwändiges und teures Hobby gewesen ist. In einem eigenen Arrangement von „Über 7 Brücken“ und einem weiteren Ausflug in die Historie des Stückes ist das Ende des Konzertabends bereits gekommen.

Nun zeigen die „Hauptstadttenöre“ einen Stilmix aus allen Bereichen, wo nicht nur das Herz der Volksmusikliebhaber, sondern zu einem kleinen Teil auch das von Musical- oder Klassikbegeisterten höherschlägt.

Nach einem wichtigen und eindringlichen Appell, Kunstschaffende und Theater in diesen gerade doch für die Branche sehr schwierigen Zeiten zu unterstützen, ist es Zeit für zwei letzte Zugaben.

Abgerundet wird der Abend durch „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ und „Gib mir den letzten Abschiedsgruß“, mit dem die Sänger und ihr Pianist sich von der Bühne verabschieden.

Die „Hauptstadttenöre“ Maik Tödter, Björn Christian Kuhn und Thorsten Henning verstehen sich wunderbar darauf, ihr Publikum auf eine charmant-witzige Reise in die eigene Vergangenheit und darüber hinaus mitzunehmen. Die Arrangements, eigens für sie geschrieben, sind nie steif oder übertrieben. Viel mehr begegnen die Herren im Frack ihrem Publikum auf Augenhöhe und sehr nahbar.

 

Fotos (c) valdivia

 

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Weiterführende Informationen:

 

Die Hauptstadttenöre
Björn Christian Kuhn
Thorsten Hennig
Schlossparktheater

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