„Evita“ am Theater Magdeburg

©Nilz Boehme

Das Theater Magdeburg hat die laufende Spielzeit zum „Andrew Lloyd Webber-Jahr“ erklärt, gleich zwei seiner Musicals stehen in dieser Saison auf dem Spielplan. Die erste Premiere ging am 11. November über die Bühne des Opernhauses: der inzwischen etwas in die Jahre gekommene Klassiker „Evita“ über den Aufstieg und Fall der ehemaligen argentinischen Präsidentengattin Eva Perón und der vielen nur durch den Gassenhauer „Don‘t cry for me Argentina“ ein Begriff ist. Dem Publikum gefällt’s, zumindest nach den Vorverkaufszahlen zu urteilen. Bereits bis ins kommende Jahr hinein sind die Vorstellungen schon sehr gut gefüllt. Auch zur von uns besuchten 3. Vorstellung am Nachmittag des 26. November 2023 war der Saal des Magdeburger Opernhauses restlos ausverkauft. Am Ende gab es vom Publikum langen, begeisterten Applaus und Standing Ovations.

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Knapp zweieinhalb Stunden lang (inkl. Pause) begleiten die Zuschauer gemeinsam mit den Protagonisten auf und unter der Bühne María Eva Duarte de Perón auf ihrem Weg vom einfachen Landmädchen mit hochfliegenden Plänen zur First Lady Argentiniens, die an ihren eigenen Ansprüchen scheitert. Regisseur Matthias Reichwald inszeniert den Webber-Klassiker als solides bild- und personengewaltiges Spektakel, das vor allem in den detailreich gebauten Massenszenen beeindruckt, wenn Solisten, Chor, Kinderchor, Ballett und Statisten kaum ein Stück freie Fläche auf der Bühne lassen. Hier sind Dramaturgie (Marie Julius), Bühnenbild (Michael Lindner) und Choreografie (Volker Michl) gut aufeinander abgestimmt, die vor allem in diesen Szenen eingespielten Originalvideos verstärken das Gefühl, hautnah dabei zu sein. Dazu tragen auch die direkten Interaktionen der Darstellenden mit dem Publikum bei. Mehr als einmal verlassen einige von ihnen die Bühne und begeben sich nah an die Zuschauenden.

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Wie schon in den Magdeburger Musicalproduktionen der Vergangenheit (mit Ausnahme von „Catch me if you can“) setzt auch Regisseur Reichwald in „Evita“ auf die Mischung aus Musicalgästen und Hausensemble. Jedoch funktioniert dies, anders als in der Vergangenheit, bei dieser Inszenierung nicht vollends. Zu groß sind die genrebedingten Unterschiede in stimmlicher und schauspielerischer Darstellung. Während Aleksandr Nesterenko als Magaldi noch einigermaßen glaubwürdig ist, wirken Rosha Fitzhowle als Peróns Geliebte und vor allem Dogukan Kuran als Juan Perón mit ihren extrem „opernlastigen“ Stimmen und Darstellungen in Mimik und Gestik manches Mal etwas fehl am Platz. Gerade in den Duetten mit Evita (Milica Jovanovic) und Ché (Patrick Adrian Stamme) klafft die Schere zwischen Musical einerseits und Oper andererseits doch ziemlich weit auseinander, sowohl in der Harmonie der Stimmen miteinander als auch in der Art und Weise des Spiels. Während Jovanovic und Stamme buchstäblich alles Herzblut in ihre Auftritte legen, wirken Kuran und Fitzhowle eher steif und zu wenig emotional.

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Das ist dann aber auch schon der einzige größere Kritikpunkt dieser sonst die Erwartungen an das Stück erfüllende Inszenierung. Wie bereits angedeutet sind es vor allem die Massenszenen, welche nachhaltig beeindruckende Bilder liefern. Dabei sind es allen voran die Tänzerinnen und Tänzer der hauseigenen Ballett-Compagnie, die mit Spaß und Enthusiasmus ihre verschiedenen Rollen ausfüllen. Doch auch die Damen und Herren des Opernchores können – wieder einmal – überzeugen.

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Seele eingehaucht wird dem inzwischen 45 Jahre alten Stück jedoch in allererster Linie von den beiden Hauptprotagonisten Milica Jovanovic als Evita und Patrick Adrian Stamme als Che. Milica Jovanovic präsentiert ihre Rolle unglaublich wandelbar, vom übermütigen Mädchen vom Lande zur berechnenden First Lady und Heiligen und schließlich zur gebrochenen, kranken Frau. Wie die Jungfrau Maria steigt sie zu Beginn des Abends hinter Glas aus den Tiefen der Bühne empor, wirkt gleichzeitig zerbrechlich und unnahbar. Am Ende wird dieses Bild wieder aufgenommen und dazwischen durchlebt Eva alle Höhen und Tiefen eines Lebens, stimmlich und darstellerisch eindrucksvoll von Milica Jovanovic auf die Bühne gebracht. Dabei ist der „Walzer für Eva und Che (Denn das Böse regiert die Welt)“ ein ganz besonderer Gänsehautmoment, wenn Che Eva mit der Kamera ganz nah kommt und Evas Emotionen ganz nah und ungefiltert per Leinwand ans Publikum gegeben werden.

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Patrick Adrian Stamme ist in der Rolle des Che derjenige, der das Stück zusammenhält. Er ist der rote Faden, der Erzähler, der Kommentator, aber auch die mahnende Stimme und das Gewissen Evitas. Er ist – bis auf einige wenige Ausnahmen – ständig auf der Bühne präsent. Ein Kraftakt, den Stamme bravourös meistert. Auch er stellt seine stimmliche Wandlungsfähigkeit unter Beweis und begeistert vor allem auch mit den leisen Tönen, wie z.B. bei „Jung, schön und geliebt“.
Nicht unerwähnt bleiben sollte die Magdeburgische Philharmonie unter der Leitung von Pawel Poplawski. Das Magdeburger Orchester hat auch hier wieder einmal bewiesen, dass es auch Musical kann. Und in der heutigen Zeit, wo bei so manch großer Musicalproduktion die Livemusik drastisch eingekürzt oder gleich ganz zugunsten der Konserve weggelassen wird, ist ein wohltönender, gut ausgestatteter Klangkörper eine wahre Wohltat.

Alle Termine und Tickets für „Evita“ gibt es auf der Website des Theaters Magdeburg.

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