Jekyll & Hyde

…am Theater Oper Dortmund

Premiere: 12. Oktober 2019

 

Was wäre, wenn es nur noch gute Menschen gäbe – das Böse von ihnen abgespalten würde. Gäbe es dann eine Welt ohne Hass, Streit, Habgier oder Missgunst, vielleicht sogar eine Welt ohne Krieg und Zerstörung, oder führt eine solche Unterdrückung des Bösen womöglich dazu, dass dieses erst recht und brutal an die Oberfläche gelangt? In seiner Novelle „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ aus dem Jahr 1886 nimmt sich der schottische Schriftsteller Robert Louis Stevenson genau dieses Themas an – sie gilt als eine der berühmtesten Ausformungen des bilateralen Doppelgängersyndroms in der Weltliteratur.

Das auf dieser Vorlage basierende Musical „Jekyll & Hyde“ (Musik: Frank Wildhorn – Buch und Texte: Leslie Bricusse) wurde am 24. Mai 1990 im Alley Theatre Houston uraufgeführt und erlebte seine Broadwaypremiere am 28. April 1997 im Plymouth Theatre in New York. In Deutschland kam es erstmalig am 19. Februar 1999 unter der Regie von Dietrich Hilsdorf im Musical Theater Bremen zur Aufführung.

Das vom exzentrischen Wissenschaftler Dr. Henry Jekyll erfundene Mittel, um das Böse vom Guten im Menschen zu trennen, steht kurz vor dem Durchbruch. Es fehlt nur noch der Funktionstest an lebenden Personen. Das Gremium des St. Jude’s Hospitals, wo er seine Substanz vorstellt, untersagt ihm allerdings die Einbeziehung der dort stationär befindlichen Patienten in seine Forschungsreihe. Jekyll fühlt sich unverstanden, stößt er doch nicht nur dort, sondern auch anderswo in der Gesellschaft auf reichlich Spott. Einzig Freund und Anwalt Gabriel John Utterson, sein Schwiegervater in spe, Sir Danvers Carew, und seine Verlobte Lisa Carew stehen auf seiner Seite. Am Tag seines Junggesellenabschieds treffen er und John in der Bar „Rote Ratte“ das erste Mal auf die Prostituierte Lucy Harris, die Jekylls Interesse weckt.

(c) Björn Hickmann, Stage Picture

Als letzte ihm verbleibende Möglichkeit, die Wirkung seines Tranks nachzuweisen und seine Forschung weiter voranzutreiben, startet er einen Selbstversuch, welcher für ihn allerdings fatale Folgen hat. Das Böse spaltet sich von ihm ab, bekommt ein Gesicht und sein so erschaffenes und personifiziertes Alter Ego zieht fortan in Form der dunklen und charakterlich auffälligen Gestalt Edward Hyde mordend durch die Straßen Londons. Das Experiment gerät außer Kontrolle und Jekyll versucht alles, um den Wahnsinn aufzuhalten, scheitert aber kläglich an der Wehrhaftigkeit seines zweiten Ichs.

John trifft in Jekylls Büro auf Hyde und erfährt die Wahrheit, als er ihn zur Rede stellt. Hyde allerdings treibt seine gefährlichen Spielchen munter weiter und kommt Lucy, die sich trotz dessen finsterer Gestalt zu ihm hingezogen fühlt, viel zu nah. Jekyll versucht, sie über eine mit Geld unterstrichene Aufforderung zu überzeugen, aus der Stadt zu verschwinden. Sein Freund John fungiert als Überbringer des wertvollen Umschlags, dem er erklärt, dass Hyde sie ansonsten umbringen würde. Als Lucy sich dazu durchgerungen hat dem Wink des Schicksals in ein neues Leben zu folgen und mit gepackten Koffern abreisen möchte, steht Hyde erneut vor ihr und beteuert seine Liebe. Sie hat Mitleid, wendet sich ihm zu und endet als Opfer seiner Grausamkeiten.

In der finalen Schlussszene – seiner Hochzeit mit Lisa – kommt es zur Eskalation. Beide seiner Seiten, der „Gute“ Jekyll und der „Böse“ Hyde, stehen sich in einer offenen Konfrontation ungeachtet der Beobachter gegenüber und schnell wird klar, dass keine dieser Persönlichkeiten allein zu überleben im Stande ist.

(c) Björn Hickmann, Stage Picture

Regisseur Gil Mehmert gelingt es mit seiner Inszenierung von „Jekyll & Hyde“ am Theater Dortmund, das Publikum auf eine atemberaubende Reise mitzunehmen. Die detailverliebte und viergeteilte Drehbühne (Jens Kilian) mit zwei sich gegenüberliegenden Innen- bzw. Außenräumen, sowie die im Unterbau geschaffene „Unterwelt“, dem Labor, erlaubt schnelle und dynamische Orts- und Szenenwechsel, wie sie im Theater eher nicht an der Tagesordnung sind. Der „filmische Sog“ zieht den Zuschauer unweigerlich in die Handlung und lässt keine Minute Langeweile aufkommen.

Die Spielzeit der Geschichte belässt Mehmert im Ursprung und Falk Bauer unterstreicht dies anschaulich mit originalgetreuen im viktorianischen Stil gefertigten Kostümen. Lisa dabei die blonde Verlobte aus bestem Haus, Lucy, als ihr Gegenpart rothaarig und Strapse bevorzugend.

Beeindruckend füllen Opernchor und Statisterie des Theater Dortmund die Bühne und bringen so auch das Gespielte in große, im Gedächtnis bleibende Bilder. Für die musikalische Untermalung sorgt erfreulicher Weise, punktgenau und den Bühnenaktiven genügend Raum gebend, der mit den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Philipp Armbruster bestens besetzte Orchestergraben.

Das Herzstück der in Gänze überzeugenden Produktion sind allerdings die mit hervorragenden Stimmen und bester Bühnenpräsenz versehenen Darsteller, angefangen bei den Solisten bis hin zum Ensemble – sowohl die Theater-eigenen als auch die aus der allgemeinen Musicalwelt besetzten. David Jakobs in der Doppelrolle Dr. Jekyll und Mr. Hyde glänzt mit einer abgegrenzten Darstellung beider Figuren, unterstützt lediglich durch die Veränderung seiner Haare – als Jekyll mit ordentlichem Zopf, als Hyde mit strähniger, ungepflegter und offener Mähne. Er schafft es, die charakterliche Veränderung im wechselnden Stakkato klar und für jeden nachvollziehbar herauszustellen und erntet mit seiner Interpretation für „Dies ist die Stunde“ vollkommen zu Recht bereits früh im Stück frenetischen Applaus.

(c) Björn Hickmann, Stage Picture

Milica Jovanovic in der Rolle seiner Verlobten Lisa überzeugt mit ihrem glockenklaren und sicheren Sopran und zeigt eine Tochter bester Erziehung, die in dieser schauspielerisch kleineren Rolle den moderneren Touch etabliert, indem sie ihre Figur als weltoffener und auf Augenhöhe mit dem männlichen Gegenpart anlegt. Kraftvoll und mit einer starken, im Gedächtnis bleibenden Stimme brilliert Bettina Mönch als Prostituierte Lucy. Überaus authentisch gelingt ihr Spiel auf der einen Seite als abhängige Hure, aber dennoch glaubhaft auch als starke Frau. Morgan Moody, vielen sicherlich von den sommerlichen Cityring-Konzerten bekannt und Solist am Dortmunder Opernhaus, zeichnet in der Figur des Freundes und Rechtsanwalts Gabriel John Utterson und mit seiner herzerwärmend wohlklingenden Stimme einen passenden Gegenpart und Ruhepol zum hektischen und in seiner Verwandlungsqual gepeinigten Jekyll/Hyde.

Das Theater Dortmund zündet mit dieser rundum gelungenen Produktion ein Feuerwerk an überzeugenden Darstellern, hervorragender Musik, sehenswerter Technik und gelungener Ausstattung, bei dem keine Wünsche offenbleiben. „Jekyll & Hyde“ ist einen Besuch wert und spielt noch an unterschiedlichen Terminen bis zum 2. Februar 2020. Karten gibt es auf der Homepage des Theaters www.theaterdo.de zu erwerben.

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