Interview mit Alexander Plein
„Always Look on the Bright Side of Life“
Seit Juni dieses Jahres gehört er zum Harry Potter Team und steht Abend für Abend auf der Bühne des Mehr! Theaters am Großmarkt in Hamburg. Swing Alexander Plein schwingt den Zauberstab in seinen vier Cover-Rollen und verzaubert das Publikum ebenso mit drei Stunt-Tracks, die er spielen darf. „Stunt-Tracks, das sind die Leute hier, die die spektakulären Sachen machen und auch in einer Höhe von etwa 14 bis 15 Metern in der Luft unterwegs sind.“ Für einen Stunt-Track sei er am heutigen Abend besetzt, erzählt er mir verschmitzt grinsend, denn mehr mag er nicht verraten, als wir uns im Foyer des großzügig angelegten Theaters, welches früher eine Markthalle beinhaltete, treffen.
Mystisch mutet schon der Eingangsbereich der Halle an. Von allen Wänden herunter legen Patronustiere ihren schützenden Zauber über die Besucher, Allerlei Wissenswertes kann über die Show erfahren werden und natürlich können die Besucher auch ihre Häuser wählen. „Privat bin ich ein Ravenclaw und das finde ich großartig, in dem Haus sind die weisen Schüler untergebracht“, schwärmt Alex, als wir durch die doppelflügelige Tür auf den Vorplatz in die Sonne treten und uns ein ruhiges Plätzchen für unser Gespräch suchen. Natürlich interessiert mich, wie in ihm der Wunsch entstand, einen Bühnenberuf zu ergreifen. „Oh je, jetzt wird es tatsächlich klischeehaft“, lacht er. „2001 sah ich Starlight Express und war sofort verzaubert. Und wo bin ich heute? Dieses Theater gehört demselben Unternehmen wie das Starlight Express Theater. Also arbeite ich heute tatsächlich bei der Firma, zu der ich nach dieser Show 2001 immer wollte. Und wäre damals schon absehbar gewesen, dass es irgendwann einmal eine Harry Potter-Bühnenproduktion geben würde, dann hätte ich gesagt, ich möchte mal Harry Potter spielen. Also eigentlich geht hier für mich ein riesengroßer Traum in Erfüllung.“
Tatsächlich sei er das erste Mal in seinem Leben für den Beruf für 22 Monate von zuhause weggezogen. Bisher habe er nur Tour-Produktionen gespielt oder war in Engagements in Heimatnähe. „Mittlerweile bin ich echt happy, wieder zurück in Hamburg zu sein. Anfangs war es eine große Umgewöhnung, es ist halt eine ganz andere Form von Alltag, aber jetzt finde ich es wirklich cool. Man lebt sich ein, nicht nur örtlich, sondern auch was die Leute hier angeht und es sind einfach andere Herausforderungen. Auf einer Tour ist alles einfacher, kleiner – die Bühne und der Sound sind jeden Tag anders und so viel Technik, wie wir hier haben, würde auf einer Day-to-Day-Tour niemals mitgenommen. Auch besteht das Team nicht aus so vielen Menschen wie hier.“ Ich werde neugierig und frage nach, wie groß das Harry-Potter Team eigentlich ist. „Je nach Besetzung sind wir hier 30 bis 40 Darsteller auf der Bühne und hinter der Bühne noch einmal über 140. Ein großer Teil geht an Maske und Kostüme, dann gibt es da noch die Leute vom Aerial (der Flugabteilung), die Bühnen-, Licht- und SoundtechnikerInnen und die Automationsleute, die unter der Bühne sitzen und schauen, dass sich alles dreht und wie geplant bewegt. Selbstverständlich auch die Caller, die die Einsätze geben, die Stage-ManagerInnen für die Sicherheit und speziell hier in unserer Show kommen noch die Pyrotechniker hinzu. Und es gibt hunderte Requisiten, Bücher, Briefe, Koffer und sogar echte Eulen, die hier fliegen“, schmunzelt er verschmitzt. „Es sind wirklich viele Leute, die hier rumlaufen, aber wir müssen uns ja auch darauf verlassen können, dass alles sicher ist und die Magie funktioniert.”
Harry Potter ist mystisch, Harry Potter ist magisch. Vom ersten Buch und vom ersten Film an ist quasi jeder verzaubert, von der Geschichte und von der darin enthaltenen Magie. Wie aber schafft man es, dieses bezaubernde Gefühl aufrecht zu erhalten, wenn man Tag für Tag in diese Zauberwelt eintauchen muss und diese mit dem Wissen um die Technik hinter der Bühnen-Magie vielleicht auch ein wenig entzaubert wird? „Mir war von Anfang an wichtig, gar nicht zu viel darüber zu erfahren“, verrät mir Alex. „Wir hatten natürlich Zauberschule und Magieunterricht und das kommt gerade auch noch jeden Tag in den Proben zum Tragen. Schließlich wollen wir ja immer perfekter werden, denn wir arbeiten hier ja tatsächlich mit echter Magie. Ich habe aber von vornherein gesagt, dass ich nur so viel wissen möchte, wie unbedingt nötig ist. Ich stehe oft selbst auf der Bühne und dann passieren Dinge, die vielleicht sogar von mir ausgehen, und ich weiß nicht mal, wie es funktioniert. Da bewegt sich ein Tisch und selbst ich sehe nichts. Keine Schnur, nichts was von unter der Bühne kommt, rein gar nichts und ich will es auch nicht wissen. Das ist einfach meine persönliche Magie und jedes Mal, wenn Jemand zu einer Erklärung ansetzt, gehe ich halt raus, um mich immer wieder aufs Neue überraschen zu lassen.“
Dass es eine riesengroße Herausforderung ist, sich sieben Rollen anzueignen, leugnet Alex nicht. „Es geht hier ja nicht nur um Text, auch der Charakter und die Choreographie wollen gelernt und verinnerlicht sein.“ Aber wie ist es möglich, sich all die Texte zu merken, sich immer wieder neu auf die gerade verlangte Rolle vorzubereiten? Im Vorfeld erwähnte Alex, dass er erst am Morgen des Showtages erfahren würde, in welche Rolle er am Abend schlüpfen wird. „Ich habe auf meinem Platz einfach sehr sehr viele kleine Zettel. Die sind sehr sehr gut sortiert und da stehen ganz viele kleine Details drauf, die ich mir immer vorher noch einmal anschaue. Aber im Grunde kann ich alles auswendig. Wir proben das so oft, damit es lässig und nicht inszeniert aussieht, das ist irgendwann einfach im Körper drin.“ Dann erzählt er mir, dass es wohl schwierig werde, wenn alle seine Charaktere gleichzeitig auf der Bühne seien. „Jeder macht halt was anderes. Beim Tanz, direkt zu Anfang des Stückes, sind zum Beispiel alle sieben Schüler beteiligt und vier von denen bin ich. Jeder hat unterschiedliche Auftritte, jeder macht was anderes, jeder steht woanders und jeder geht andere Wege. Jeder hat eine andere Geschichte zu erzählen und jeder gehört zu einem anderen Haus. Die Slytherins sind gerissener als beispielsweise die Hufflepuffs, das muss ich ja alles mitnehmen in mein Spiel. Da steht man dann schon mal auf der Bühne und hat ‚Heute bin ich James, heute bin ich James, heute bin ich James‘ im Kopf. ‚Ich bin ein Gryffindor, ich bin ein Gryffindor, ich geh nach links, ich geh nach links‘. Einfach, damit man nicht doch noch das Falsche macht. Oft spiele ich bei Doppelshows dann ja auch zwei unterschiedliche Rollen.“ Den ganzen Tag habe er heute beispielsweise Karl Jenkins geprobt, aber am Abend in der Show werde er eine ganz andere Rolle verkörpern, erzählt er weiter, und das Umschalten zwischen diesen Momenten sei nicht so einfach. Man müsse aufpassen, dass man nicht durcheinanderkomme. „30 Prozent unseres Jobs hier finden auf der Bühne statt, die restlichen 70 Prozent aber über, hinter oder unter ihr. Ich muss mich zum Teil schon eine halbe Stunde vor einer kommenden Nummer umziehen, weil sonst keine Zeit mehr dafür ist. Die Sachen habe ich dann die ganze Zeit schon unter den anderen. Wir haben ja viele magische Zauberumhänge und ähnliches, da kann man viel verstecken. Und natürlich hilft uns die Magie dann, innerhalb eines Fingerschnipps umgezogen zu sein, ohne dass es jemand großartig bemerkt.“ Er lächelt bei den Gedanken daran und man merkt ihm seine überschäumende Freude, Teil dieser Magie zu sein, an. „Ich muss genau wissen, wann ich wo sein muss zum Umziehen, weil man teilweise nur zehn Sekunden dafür hat. Die komplette Backstage-Choreo ist riesig groß hier. Es gibt Nummern im Stück, da dürfen wir uns gar nicht bewegen im Backstage und werden komplett abgesperrt in unseren Umkleiden. Es fahren dort große Kulissenteile im Stockdunkeln rum und wir würden sonst einfach darunter landen. Zum Beispiel bin ich nach einer der Szenen im Hogwarts-Express auf der rechten Bühnenseite, zieh mich dort um und muss dann aber auf der linken Seite innerhalb einer Minute wieder aufgehen. Währenddessen wird aber der Hogwarts-Express genau an der Stelle abfahren, wo meine Umkleide ist. Ich muss also fertig umgezogen und auf der anderen Seite sein, bevor er kommt. Sonst bin ich zu spät wieder auf der Bühne.“ Weiter erläutert er mir, dass durch die Kürzung des Stücks auf den Einteiler alles sehr temporeich geworden sei. Viele Szenen seien um 30 Prozent gekürzt immer noch im Stück und machen es dadurch sehr sehr schnell. Man müsse halt einfach mal um 30 Prozent schneller mit den Umzügen und Seitenwechseln sein. Hinzu komme, dass die Show mit ihren insgesamt 3:40 Stunden wesentlich länger ist als andere. Bei den Doppelshows addiere sich das dann auf knapp acht Stunden Bühnenzeit, was schon eine enorme körperliche und geistige Anstrengung darstelle.
Wenn man sich die Vita von Alexander Plein anschaut, fällt einem schnell auf, dass diese dafür, dass er erst 2016 seinen Abschluss an der Stage School in Hamburg gemacht hat, unglaublich lang ist. Unzählige Musicals, Engagements als Tänzer, Sprechrollen in Theatern oder als Synchronsprecher, sogar bei Fahrgeschäften auf der Kirmes, in Werbung, aber auch verantwortliche Positionen wie Regie/Choreografie und Produktion finden darin einen Platz. Was ist Alexander denn nun eigentlich? Wie sieht er selbst seinen Beruf? Mit „Das ist eine sehr gute Frage“, verschafft er sich zunächst einmal ein wenig Zeit für seine Antwort. Nach kurzem Überlegen findet er aber zurück: „Ich würde sagen, ich bin in der Unterhaltungsbranche zuhause. Bei Harry Potter bin ich nicht allein Schauspieler. Man darf keine Angst haben und muss den Mut haben, sich was Neues anzueignen. Die Illusionen, auf die man in keiner Ausbildung vorbereitet wird, machen besonders viel Spaß. Ich würde mich hier also als Schauspieler und zum Teil auch Tänzer mit sehr viel Luftakrobatik und Magie, bezeichnen. Meine Ausbildung im Tanzbereich ist gerade für die akrobatischen Sachen, für die Stunts, Hebungen und anderen Tricks, unglaublich gut. Überhaupt wird hier viel Takt gezählt. Es war eine echte Herausforderung, dass das bei jedem Song anders ist. Mal auf 9, dann auf 5, der nächste Song auf 8 oder 4. Wirklich jede Musik ist anders geschrieben, aber genau das macht die Show so toll. Jede Welt, die wir besuchen, ist sowohl musikalisch als auch vom Charakter her anders. Man muss jedes Mal drüber nachdenken, um nicht durcheinanderzukommen. Da hilft die Vorbildung natürlich ungemein.“ Im sonstigen Leben sei er vor allem gerade Sprecher, erläutert er mir weiter. Vormittags oder auch manchmal noch spät abends würde er sich von zuhause aus dem Homestudio in Produktionen über entsprechende Programme zuschalten können, um auch diese Passion so ganz nebenbei weiterzuführen.
„Ich glaube, ich bin ein wenig verrückt“, antwortet Alex, als ich ihn bitte sich selbst zu beschreiben und mir zu erzählen, was er privat für ein Mensch sei. „Und ich finde es wirklich okay, dies über mich selbst zu sagen. Verrückt oder crazy in dem Sinne, dass ich selten etwas plane, sondern eher sehr spontan bin. Ich rufe gern morgens Kollegen an und wir fahren ‘ne Stunde später spontan vielleicht in den Heidepark oder ich spaziere abends an einem Theater vorbei und entscheide ganz spontan einfach reinzugehen. Gleichzeitig bin ich aber auch sehr reflektiert und frage mich immer wieder selbst, wie es am Tag so gelaufen ist. In meinem Job ist einfach jede Position wichtig, egal ob ein durchgehender Charakter oder eine Ensembleposition. Das Ganze funktioniert nur, wenn jeder Position die gleiche Achtsamkeit geschenkt wird. Man ist kein König, nur weil man in dessen Rolle steckt. Zum König macht einen das Spiel der Untertanen, die Interaktionen. Deshalb ist einfach jede noch so kleine Rolle wichtig und man sollte ihr dieselbe Aufmerksamkeit schenken wie den großen Figuren.“
Eine letzte Frage bleibt mir noch, bevor sich Alex wieder in die heiligen Harry Potter-Hallen verabschiedet, um sich final für die nun bald startende Show vorzubereiten. Ich frage ihn, und bin mir nach unserem vorangegangenen Gespräch ziemlich sicher, ob er ein Lebensmotto benennen kann, einen Gedanken oder eine Einstellung, die ihn auch durch schwierige Situationen trägt. „So etwas wie ‚Hoch die Hände, Wochenende?‘“ lacht er. „Nein, ernsthaft, mir gefällt ‚Always Look on the Bright Side of Life‘ ganz gut, denn egal was ist, unterm Strich ist doch immer was Gutes dabei. Und ich laufe immer, auch gerade wieder jetzt hier im Probenprozess, mit dem Credo durch die Welt: ‚Das wird gut, das wird richtig gut!‘. Denn wenn man mit einer positiven Einstellung an eine Sache herangeht, dann wird das cool, schon allein von dem, was man dazu ausstrahlt!“
Vielen Dank Alexander, für deine Zeit und dein Vertrauen!
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