Kerbst & Kock – Ein Sänger kommt selten allein
17.03.2019 Theater Adlershof
mit Alexander Kerbst, Stefanie Kock, ursprünglich Nadine Hammer (leider erkrankt)
An einem Sonntagnachmittag Mitte März versammeln sich knapp 50 Gäste in dem heimeligen kleinen Theater Adlershof in Berlin. Die Stimmung ist ausgelassen, die Atmosphäre erinnert beinahe an ein etwas zu groß geratenes Wohnzimmer. Der Grund für dieses gemütliche Beisammensein liegt auf der Hand. „Ein Sänger kommt selten allein“, titelt das Programm, zu welchem Alexander Kerbst und Stefanie Kock gemeinsam mit ihrer Kollegin Nadine Hammer einladen. Tatsächlich – das wahre Leben macht auch vor den Bühnenaktiven nicht Halt – fällt letztere zu großem Bedauern des Publikums verletzungsbedingt aus, sodass es Kerbst und Kock sind, die den Nachmittag auf ihre Weise gestalten. Wem die beiden allein „zu wenig“ sind, dem sei gesagt, dass sie dennoch eine Menge ungeplanter Überraschungsgäste im Gepäck haben.
Da Totgesagte bekanntlich länger leben, ist es kein Geringerer als Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der die kleine Bühne zuallererst mit Leben füllt. In einem herrlich mitreißenden Monolog lässt er es sich nicht nehmen, das Buch „Single sucht Cover“, welches aus der Feder Stefanie Kocks stammt, mit lobenden Worten zu empfehlen. Nach diesem Einstieg haben die beiden Künstler das Publikum bereits auf ihrer Seite und stellen auf unaufdringliche Weise im Spiel mit verteilten Rollen jenes Werk vor. Mitfiebernd mit der Protagonistin und immer wieder von Lachsalven gepackt, hängen die Zuschauer an ihren Lippen.
Dass das Programm kurzerhand umgestellt werden musste, erweist sich beinahe als Glücksfall, wenn auch die Umstände, die dahin führten, natürlich alles andere als glücklich sind. Dennoch geht das Konzept auf und die beiden Darsteller fesseln mit ihrem ganzen Ausdruck und geschickter Stimmimitation, die, würde man die Augen schließen, fast schon unglaublich nah an den jeweiligen Originalen ist. Dass es sich jedoch sehr wohl lohnt die Augen offen zu lassen, beweisen die beiden mit immer wieder wechselnder Kostümierung. Mit einer durchweg sehr gelungenen Mischung aus Konzert und Lesung strapazieren sie die Lachmuskeln aller Anwesenden und nehmen sich dabei selbst nicht aus.
Stimme zeigt Stefanie Kock zum ersten Mal bei „Cabaret“ aus dem gleichnamigen Musical und Sinatras „The Lady is a Tramp“. Beide Künstler zusammen treten gern auch einmal als Duo unter dem Namen „Kerbst & Kock & Die Therapeuten“ auf, und auch aus ihrer eigenen Feder stellen sie Lieder vor, die sich hinter den anderen Hits des Nachmittages nicht zu verstecken brauchen.
Zwischendurch immer wieder mit kurzen Sequenzen des Buches unterbrochen, schlagen die Künstler eine Brücke zwischen den von ihnen gewählten Songs. So lernt man unverhofft und herrlich komödiantisch dargestellt Otto Reutters „Nehm’n Sie’n Alten“ kennen, was sich ebenso hervorragend in das Programm einfügt wie auch die durchweg gelungenen Darstellungen von Udo Lindenberg, dessen Musik jedem geläufig ist, und Marilyn Monroe.
Ob tot oder lebendig, an diesem Nachmittag teilen sie sich alle gemeinsam eine Bühne und begeistern die Gäste in dem kleinen Saal. Nach einer kurzen Pause ist es kein Geringerer als Heino, der sich die Ehre gibt. Zu bekannten Melodien animiert Alexander Kerbst mit seiner Darstellung des Künstlers das Publikum zum Mitmachen.
Atemlos vor Lachen begegnet man dem Rapper Ümit aus Üsküdar, der inzwischen eigentlich in Untertürkheim lebt und seine Oma immer bei sich hat. Rhythmisch schüttelt Kerbst die Urne der alten Lady und schlägt mit dem Inhalt besagten Stückes eine Brücke für seine Kollegin, die nach einer „Supermodenschau“ mit Katja Ebsteins „Theater, Theater“ das Künstlerleben sehr mitreißend schildert.
Zwischenzeitlich erregt ein wiederauferstandener Modezar mit stilechtem Gestammel erneut Aufsehen und auch Helge Schneider gibt sich die Ehre, vor das Publikum zu treten. Mit einem Ausflug zu einem Käfig voller Narren und ins Weiße Rössl geht die musikalische Reise weiter in ferne Galaxien auf den Planeten Transsexual Transsilvania. Auch hier gibt der wandelbare Künstler eine überaus gute Figur ab und betört als Frank’N’Furter einen Auserwählten. Ob auf, neben oder hinter der Bühne, dieses Showerlebnis wird für niemanden so schnell in Vergessenheit geraten. Erst ganz zum Schluss des 1001 Künstler und Gesichter umfassenden Konzert-Lesung-Erlebnisses tritt unter lautem Jubel Falco auf den Plan und heizt den Anwesenden richtig ein.
Auf beeindruckende Weise erwecken Stefanie Kock und Alexander Kerbst mit wenigen Hilfsmitteln Figuren zum Leben, mit denen sie interagieren. Es erweckt beinahe den Anschein, als könnten sie ihre Rollen so mühelos wechseln wie das Kostüm. Nah und nahbar vergeht diese herrlich erheiternde Vorstellung nach mehr als zweieinhalb Stunden. Die Auswahl der Lieder, die einen breiten Querschnitt durch Musical, Liebeslied, Rap, Rock und vieles mehr bieten, scheint im ersten Moment etwas merkwürdig, doch die beiden Kollegen beweisen, dass diese Einschätzung absolut überholt und klischeehaft ist. Die Songs fügen sich in das Programm ein wie Perlen auf einer Schnur und den roten Faden bildet die von Stefanie Kock erdachte Geschichte, die sich Viele als Andenken mit nach Hause nehmen.
Alexander Kerbst
Stefanie Kock
Kerbst und Kock & Die Therapeuten
Theater Adlershof
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