Interview mit Ralph Siegel

Ralph Siegel – am 30.09.1945 als Ralph Claus-Peter Siegel geboren, ist seit Mitte der 1960er Jahre in der deutschen Schlager-Szene nicht mehr wegzudenken. Der große Musiker, Komponist und Musikproduzent zählt zu den prägenden Persönlichkeiten des Eurovision Song Contest – früher Grand Prix Eurovision de la Chanson, an welchem er bisher 25 Mal teilnahm. 1982 stand er neben der Interpretin seines Liedes “Ein bisschen Frieden”, Nicole, sogar ganz oben auf dem Treppchen. Der in eine Musikerfamilie geborene Siegel, seine Mutter war Operetten-Sängerin, sein Vater Schlagerkomponist und auch sein Großvater konnte auf eine lange Karriere als Opernkomponist, Dirigent und Generalmusikdirektor zurückblicken, veröffentlichte bereits 12jährig seine ersten Musiktitel unter einem Pseudonym und konnte 19jährig den ersten Titel unter eigenem Namen in den amerikanischen Country-Charts platzieren. Bis heute füllen seine Diskografie mehr als 2000 Titel.

Wir durften Herrn Siegel im Rahmen seines neuen Musicals “‘N bisschen Frieden”, welches nach “Zeppelin” (2021) in Füssen, am morgigen Donnerstag in Duisburg seine Welturaufführung feiert, ein paar Fragen stellen:

(c) Siegel Musikverlage

Nach dem Musicalepos “Zeppelin” kommt nun “‘N Bisschen Frieden” auf die Bühne. Wie sind Sie auf den Geschmack gekommen, die Musiktheaterbühnen zu erobern und dürfen wir vielleicht in Zukunft unsere Blog-Kategorie „Zukunftsmusik“ mit noch weiteren Produktionen füllen?

Es ist immer wieder spannend festzustellen, wie wenige Menschen doch wissen, dass ich mich seit über 40 Jahren mit Musicals beschäftige. Als ich mit meinem Vater 1965 in New York Barbra Streisand mit „Funny Girl“, Sammy Davis Jr. mit „Golden Boy“ sowie Carol Channing mit „Hello Dolly“ am Broadway sah, sagte ich ihm, dass mein großer Wunsch wäre, eines Tages auch dort oben auf dem Theaterschild meinen Namen zu lesen. Neben meiner jahrelangen Arbeit als Komponist, Textdichter, Verleger, Produzent und dem Betreiber einer Schallplattenfirma für das deutsche Music Business, inklusive meiner Freude mit dem „Grand Prix Eurovision de la Chanson“, heute ESC genannt, sowie den Aufgaben, Peter Alexander, Udo Jürgens, Katja Ebstein, Chris Roberts, Roy Black, Rex Gildo etc. plus Dschinghis Khan und Nicole sowie weitere 30-40 Künstler professionell zu betreuen, war der Bereich Musical schon immer mein Traumziel. Es entstanden bereits 1983 „Winnetou“ mit Pierre Brice, „Lachen“ mit dem leider verstorbenen Christian Berg, sowie noch eine Reihe anderer Stücke, die ich mit diversen Autoren geschrieben habe. Mein Musical „Clowntown“ habe ich z. B. jahrelang versucht in Amerika zu platzieren. Ich habe sechs Readings in New York und Los Angeles finanziert und in großer Besetzung aufgeführt, aber leider war es mir nicht gelungen, den Amerikanern das notwendige Geld, das man für eine Broadway Aufführung braucht, zu entlocken.

In Deutschland habe ich mehrere Musicals, darunter „Du kannst nicht immer 17 sein“, „Corrida“ und in den letzten Jahren weitere neue, eigentlich so gut wie fertige Musicals, die noch bei mir in der großen Schublade liegen, verschiedenen Bühnen und Produzenten angeboten. Leider hatten wir kein Glück, bis endlich „Zeppelin“ mit großem Erfolg im Festspielhaus in Füssen seine Welturaufführung erlebte. Das TAM – Theater am Marientor in Duisburg bereitet mir nun die große Freude, das von mir schon lange geliebte Ost-West-Musical „‘N bisschen Frieden“, welches ich mit Ronald Kruschak erarbeitet habe, auf die Bühne zu bringen. Es herrscht derzeit eine besondere Situation, denn den Musical-Autoren, sind ja nicht nur zwei Jahre Pandemie ins Kreuz gefallen, sondern eben auch zwei Jahre, in denen keine neuen Stücke aufgeführt worden sind und die verständlicher Weise alle jetzt an den Start kommen. Nur die Begeisterung vom Duisburger Intendanten und Produzenten Wolfgang De Marco sowie meinem Lieblingsregisseur Benjamin Sahler, der schon eine traumhafte Inszenierung von „Zeppelin“ auf die Bühne gezaubert hat, ist es zu verdanken, dass durch einen anderen Stückausfall nun „‘N bisschen Frieden“ am 20. Oktober diesen Jahres zur Welturaufführung kommt.

Sie haben in den 1960’ern gemeinsam mit Michael Kunze Protestmusik geschrieben – die Hauptfigur in Ihrem neuen Musical wird als „Pop- und Protestsong-Singer“ charakterisiert. Gibt es für das neue Musical vielleicht sogar einen persönlichen Bezug?

In gewisser Weise ja, denn auch ich habe die Zeit der Trennung Deutschlands in DDR und BRD selbstverständlich miterlebt. Meine Mutter war gebürtige Leipzigerin und wir hatten sehr viele Freunde in der damaligen „DDR“. Die Enteignung der Firma meines Großvaters, der damals, so sagte man, die größte Uhren-Ersatzteilfabrik der Welt mit 600 Angestellten besaß, hatte diese Trennung auch zur Folge. Natürlich hatten wir viele Bekannte und Freunde, die in der DDR lebten, und der Kontakt fand dann nur noch unter schwierigen Bedingungen statt. Viele meiner Künstler tourten aber dennoch in Leipzig und Dresden und ich produzierte z. B. Hauff und Henkler und arbeitete mit diversen Ostautoren und Sängern zusammen, Stefan Distelmann darf ich hier besonders herausstellen. Die Protestsongs, die ich damals mit Michael Kunze für „Die City Preachers“ schrieb, sind bedingt durch meine Liebe zu Bob Dylan, Donovan oder Peat Seeger zu Stande gekommen. Mein genialer Freund Michael schrieb die Texte und ich die Musik, die damals Inga Rumpf, John O’Brien-Docker und Kalle Freynik aufnahmen. Einige der Lieder sind sogar in verschiedenen Schulbüchern und so genannten „Sing-Out“ Treffen über Jahre hin weiter gesungen worden, „Die Felder von Verdun“ sowie „Der unbekannte Soldat“ sind wohl die bekanntesten, aber nun habe ich einige der anderen Songs, die glaubwürdig zur Geschichte des Richard Steiner erklingen und passen, in das neue Musical eingebracht, worüber ich mich sehr freue!

Wie viel von Ihrer bestehenden Musik haben Sie für “‘N Bisschen Frieden” verwendet und wie weit musste diese angepasst werden?

Es ist für mich eine große Freude gewesen, als mir der Autor Ronald Kruschak diese, teilweise von ihm selbst erlebte Geschichte angeboten hat und so kam es dazu, dass ich eben einige der alten Lieder passend zur Story einbringen konnte. Die neuen sowie alten Songs sind so etwa 50/50 in das Stück eingeflossen, denn die Geschichte bedurfte natürlich vieler neuer Songs, die auch musicalgerecht komponiert und getextet werden mussten.

 

(c) Produktion “‘N bisschen Frieden”

Ist das Stück ähnlich wie “Hinterm Horizont”, “Mamma Mia” oder “Ich war noch niemals in New York” als Jukebox-Musical anzusehen oder distanzieren Sie sich von dieser Beschreibung?

Natürlich kann man sich nicht ganz von diesen großen Erfolgen distanzieren, denn allein der Titel „‘N bisschen Frieden“ besagt ja schon, dass ein großer Welterfolg in dem Stück zu finden ist. Jedoch handelt es sich nicht um ein so genanntes „Compilation-Musical“ oder „Jukebox-Musical“, sondern die Lieder, die aus den rund 2000 Songs, die ich in meinem Leben geschrieben habe, per Zufall oder ganz gezielt in der Story eingesetzt sind, sowie die zu 50 % neu hinzukomponierten Lieder und Texte verhelfen der Story zu Glaubwürdigkeit und schenken ihr den notwendigen Musicalcharakter. In den von Ihnen benannten Produktionen wurden ja zu 90 % die originalen Songversionen in eine Story verwandelt und das kann man bei unserem Krimi, jetzt verrate ich aber ein bisschen zu viel, nicht behaupten.

Warum gerade eine Liebesgeschichte über die Ost-West Grenzen hinweg? Gibt es auch hier eventuell einen persönlichen Bezug?

Es gibt einen persönlichen Bezug, der von Autor Ronald Kruschak, der das Buch geschrieben hat, selbst in gewisser Weise erlebt wurde. Seine Frau kommt aus dem Osten und Ronald aus dem Westen. Wenn er darüber spricht, wie seine Idee für das Buch entstanden ist, dann bemerkt man doch, dass es hier einen sehr starken Bezug bzw. Erfahrungen gibt, die die Beiden in ihrem Leben gemacht haben.

Warum trägt das Stück das Wort „Frieden“ im Titel?

Der Song „Ein bisschen Frieden“ hat fast überall in Europa, nicht nur den Sieg beim ESC oder „Grand Prix de l‘ Eurovision de la Chanson“, großen Eindruck hinterlassen und gehört in Deutschland wohl zu den bekanntesten Liedern der letzten 40 Jahre. Der Song, wurde damals schon ein bisschen belächelt, denn der eine oder andere meinte, ein bisschen Frieden gäbe es nicht – entweder gibt es Krieg oder Frieden. „Ein bisschen Frieden“ bedeutet eigentlich: Bitte verhaltet euch ruhig und vertragt euch wieder, damit es nicht zu den großen kriegerischen Auseinandersetzungen kommt, wie wir sie jetzt gerade wieder leider zwischen Russland und der Ukraine erleben müssen. Der totale Frieden scheint auf dieser Welt irgendwie ausgeschlossen zu sein, wie man es ja leider z. B. im Nahen Osten, Israel etc. immer wieder erleben muss. Und wenn ich dann in den Zeitungen lese „Ein bisschen Frieden im Nahen Osten“, wie es bei den so genannten Friedensgesprächen immer wieder heißt, dann weiß ich, dass dieser Titel nicht nur ein Wunsch der lieben Nicole ist, sondern dass der Song von Bernd Meinunger und mir viele Momente auf dieser Welt beschreibt und vielen Menschen aus dem Herzen spricht.

Das Theater am Marientor erfuhr in den letzten Jahren mit der Pleite um “Wallace” einige Negativschlagzeilen. Wie fiel die Entscheidung, es ausgerechnet hier produzieren zu lassen?

Ich weiß, dass das Theater am Marientor in den letzten Jahren etwas glücklos war. Auch hieran ist die Pandemie nicht unschuldig und diese trug dazu bei, dass auch andere Theater so manchen Misserfolg, den sich keiner gewünscht hat, durchleben mussten. Meine Freude war dennoch riesengroß, als der Intendant Wolfgang De Marco anlässlich eines Besuches von unserem Musical „Zeppelin“, das er auch nach Duisburg holen will, mit mir ins Gespräch kam. Während dieser Gespräche kam ich auch auf das Thema zu sprechen, ob er auch noch andere Stücke für die Zukunft suche. Daraufhin spielte ich ihm einige Songs von „‘N‘ bisschen Frieden“ vor und nicht nur er, sondern auch mein wunderbarer Regisseur Benjamin Sahler kamen schnell überein, dieses Stück noch dieses Jahr im Duisburger Theater zu spielen. Der Spielzeit-Ausfall einer anderen Produktion spielte uns da zusätzlich in die Karten. Wir proben nun schon wochenlang sowohl in Füssen und jetzt auch in Duisburg und ich bin überzeugt, dass die Zuschauer ein unvergessliches Theatererlebnis haben und mit einem wunderbaren Gefühl nach Hause gehen werden. Ich habe auch hier wieder mein ganzes know how, alles was ich über die Jahre gelernt habe und inzwischen mit totaler Freude mache, soweit ich es kann für diese Künstler und das Stück eingebracht.

Ihr Name und Ihre Musik sind nahezu jedem bekannt, viele Menschen begleitet Ihre Musik schon ihr ganzes Leben und auch wenn die jüngere Generation vielleicht nicht mehr Ihren Namen kennt, so doch ganz sicher einige Ihrer Lieder. Was hören Sie ganz privat für Musik oder bevorzugen Sie auf Grund Ihrer beruflichen Tätigkeit in Ihrer Freizeit eher die Stille?

Vielleicht ist es für den Einen oder Anderen verständlich, dass – wenn man sich tagtäglich fast 16 Stunden mit seiner Arbeit für Künstler oder Änderungen für Stücke für diesen wunderbaren Theaterbereich beschäftigt – man privat dann doch eher die ruhigen Töne im Hintergrund vorzieht. Natürlich schaue ich mir jede Musikshow, die im Fernsehen läuft, an. Auf einer Party, oder wenn wir den Abend mit Musik ausklingen lassen möchten, dann höre ich am liebsten Ragtime-Musik oder welche von meinem Idol George Gershwin, z. B. die „Rhapsody in Blue“. Weihnachten höre ich natürlich auch gerne Weihnachtsmusik – schließlich habe ich selbst auch ca. 50 Weihnachtslieder geschrieben – für Karel Gott, Nicole, Angela Wiedl und sogar für die Fußballer des FC Bayern, mit denen ich auch eine Weihnachts-CD, produziert habe. Da kommen jetzt gerade viele Gedanken an die alte Zeit zurück, aber dennoch lebe ich weiterhin im Heute und denke auch immer weiter an Morgen. Ich habe noch viele Ziele auf musikalischem Gebiet vor mir.

Sie haben die Nachkriegszeit, später die Trennung von Ost und West und noch etwas später die Wiedervereinigung erlebt. Einschneidende Erlebnisse, die Sie sicherlich geprägt haben. Was ist für Sie im Leben ganz besonders wichtig und was würden Sie den heutigen jungen Leuten und vielleicht sogar Ihren Enkeln mit auf den Weg geben wollen?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass guter Rat von älteren Leuten selten angenommen wird. Die meisten glauben, wir leben nur von oder im Gestern beziehungsweise in unseren Erinnerungen, die in einer anderen Zeit stattfanden. Dies ist teilweise richtig, aber Erfahrungen, wie ich sie immer wieder mit Künstlern jüngeren Alters oder auch denen um die 40 oder 50 mitzugeben versuche, sind folgende Gedanken: Versuche, solange du ganz jung bist, so viel wie möglich zu lernen und vergeude deine Zeit nicht mit Video Games und anderen unnötigen Spielchen. Was du als junger Mensch lernen kannst, kannst du später vielleicht nicht mehr, denn dein Beruf zwingt dich in jedem Fall, diesem intensiv nachzugehen. Dann fehlt die Zeit, um zum Beispiel Klavier, Gitarre oder Schlagzeug zu spielen oder vielleicht Fremdsprachen zu lernen und nicht nur seinen täglichen Hobbys nachzugehen. Den Menschen, die so um die 40/50 sind, sage ich, dass sie sich spätestens jetzt darauf vorbereiten sollen, dass sie mit 60/70 nicht mehr so arbeitsfähig sein werden. Wie das alte Sprichwort schon sagt: “Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“– versuche früh genug für deinen Lebensabend zu sorgen, der Herbst deines Lebens ist meist noch schön, der Winter kann wirklich kalt werden, wenn man sich nicht frühzeitig darum kümmert, ein bisschen was zu Seite zu legen. Für die Menschen, die bereits auf die 60/70 zugehen, gibt es aus meiner Sicht nur einen wichtigen Rat: Setze dir immer wieder neue Ziele, denn selbst wenn du mal krank wirst (wie ich es immer wieder schwerstens war oder schwerstens im Krankenhaus gelegen bin) dann bringen dich nur Ziele wieder aus dem Bett und auf die Straße, die dich weiterleben lassen. Es ist wichtig, sich immer wieder neue Ziele zu setzen. So habe ich das mein Leben lang gehalten und darf dies hoffentlich auch noch lange erleben.

Vielen Dank, Ralph Siegel, dass Sie sich die Zeit genommen haben unsere Fragen so ausführlich zu beantworten!

 

Weiterführende Links:

‘N bisschen Frieden – Rock’n’Roll Summer – Das Musical
Theater am Marientor, Duisburg

 

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