„Natürlich Blond“ – witzig und flott inszeniert und mit eindeutiger Botschaft

„Natürlich Blond“ –Premiere: 29.07.2023

First Stage Theater, Hamburg

Die Stage School Hamburg, 1985 in einem Hinterhof von Schauspieler-Ehepaar Volker und Manelle Ullmann gegründet, erlebt seit 2022 den Beginn einer neuen Ära. Denn unter der Leitung des derzeit jüngsten Chefs der Branche, Dennis Schulze, steht die Schule unter dessen Vision und beschreibt ihr oberstes Ziel mit: “Das Niveau der Ausbildung konstant den Erfordernissen des Marktes anzupassen und den Anspruch zeitgemäßer Bühnenproduktionen nie aus den Augen zu verlieren.”

Aber nicht alles an seinem Konzept ist unbedingt neu. Auch Schulze hält an altbewährtem fest und so haben die Abschluss- und Semesterproduktionen immer noch einen festen Platz im Programm des seit 2016 zur Schule gehörenden First Stage Theater im Hamburger Bezirk Altona. Während es sich bei der Abschlussproduktion weiterhin um einen von professioneller Regie und hochkarätigem Kreativteam inszenierten festen Termin in den Kalendern namhafter Talentsucher und Caster handelt, bleibt die Semesterproduktion auch heute noch ein am Ende des zweiten Jahrgangs komplett in Eigenregie erstelltes Musical. Und komplett heißt hier eben auch ganz und gar. Beginnend mit der Auswahl des Stückes über Regie, Choreografie, Bühne, Maske und musikalische Leitung sowie deren Assistenzen bis hin zum Casting, die Besetzung der Rollen und Marketing. Die Schüler sind für absolut alles auf, vor, hinter und neben der Bühne erforderliche, selbst verantwortlich, erhalten aber natürlich bei Fragen jederzeit Unterstützung durch ihr Dozententeam.

Um die diesjährige Semesterproduktion „Natürlich Blond“ sei es, wie Schulleiter Dennis Schulze in seinen Auftaktworten vor der Premiere betont, im Vorfeld erstaunlich ruhig gewesen, sodass ihm ein wenig mulmig zumute wurde. „Irgendwie höre ich gar nichts von diesem Semesterprojekt. Kein Ärger, keine Streitereien, keiner kommt und fragt für Geld.“ Keines der üblichen Themen bahnte sich einen Weg an sein Ohr und so hoffte er einfach, dass die Schüler einfach nur ihre Arbeit machen würden. Sein Vertrauen habe ihn nicht getäuscht erwähnte er noch, verließ dann aber nach seinem kurzen „Willkommen“ schnell die Bühne, um den Weg für das auf dem gleichnamigen Roman von Amanda Brown und dem Metro-Goldwyn-Mayer Film basierende Musical, sowie eine Blondine, die das typische Klischee auch sofort von Beginn an zu bedienen scheint, freizumachen.

Die natürlich blonde und äußerst modebewusste Elle Woods hat eigentlich alles, was man im Leben braucht. Sie ist äußerst attraktiv, war Vorsitzende der Schülervertretung an einer Modeschule, ist begeisterte Anhängerin der Fitnessbewegung Delta Nu und wähnt sich kurz vor der Verlobung mit ihrem Freund Warner Huntington III. Aber, wie so oft im Leben, kommt es erstens anders und zweitens als sie denkt. Aus der erhofften Verlobung wird eine Trennung und der Grund ist für die zwar verwöhnte, aber nicht dumme Blondine kaum begreiflich. Sie ist nicht gut genug für Warner, der an der juristischen Fakultät Harvard studieren wird und lieber nach etwas ernsthaftem Aussicht hält. Kurzentschlossen und ohne lange zu überlegen, setzt Elle alle möglichen und unmöglichen Hebel in Bewegung es ihm gleich zu tun und bewirbt sich ebenfalls an der renommierten Universität mit dem Ziel ihre Liebe zurückzugewinnen. Ihr gelingt die Aufnahme und schon in der ersten Vorlesung trifft sie auf einen überraschten Warner, der zwischenzeitlich der versnobten Vivian Kensington den Verlobungsring an den Finger gesteckt hat. Nach anfänglichen Kämpfen mit Dozenten und Kommilitonen/-innen realisiert sie, auch durch die tatkräftige Unterstützung ihrer Freunde/-innen Paulette und Emmet, ihr Talent für den Juristenberuf und bricht in ein neues Leben auf.

„Natürlich Blond“ feierte 2007 erst in San Francisco und dann am Broadway Premiere, bevor es 2010 am Londoner West End gespielt wurde und 2013 an den Vereinigten Bühnen Wien zur deutschsprachigen Erstaufführung kam. Es folgten viele internationale Produktionen und 2011 erhielt das Stück den Olivier Award als „Best New Musical“.

Die Musik von Laurence O’Keefe und Nell Benjamin kommt wunderbar eingängig daher, ist an das Pop-Genre angelegt, kurzweilig und forciert eine gute Stimmung nicht nur bei den Zuhörenden. Die deutschen Texte stammen von Kevin Schröder und Heiko Wohlgemuth. Für die Buch-Übersetzung zeichnet Ruth Deny verantwortlich.

Wüsste man nicht, dass hier ausnahmslos alles sich noch in der Ausbildung befindliche Darsteller/-innen auf der Bühne stehen, wäre dies nicht zu erahnen. Allesamt bieten sie eine beeindruckende Leistung, die von Elisabeth Bengs als herrlich „pinke Blondine“ Elle Woods angeführt und getragen wird. Sie besticht nicht nur mit ihrer glockenklaren und ausdrucksstarken Stimme, sondern bleibt auch mit ihrer enormen Bühnenpräsenz und großartigen Verwandlung vom „dummen“ Blondchen zur selbstbewussten und gefeierten Jurastudentin im Gedächtnis.

Macimilian Kikken, der Warner Hungtionton III verkörpert, hätte man sich gesanglich stärker und selbstsicherer gewünscht, wobei hier natürlich nicht auch nicht vergessen werden darf, wer den gesamten Cast stellt. Nichtsdestotrotz passt er mit seiner großartigen schauspielerischen Leistung perfekt in seine Figur. Als Vivian Kensington zeigt sich Melina Stauffer herrlich versnobt und zeichnet ihre Figur mit dem notwendigen roten Faden in der Entwicklung zur am Ende sympathischen Kommilitonin. Philipp Kuhn als Emmet Forrest, die rechte Hand und Assessor der Anwaltskanzlei Callaghan, zeigt sowohl gesanglich als auch schauspielerisch eine perfekte Leistung und seinem schmierigen, bösartigen Chef, Professor Callaghan haucht Dominik Krumschmidt authentisch Leben ein und überzeugt auf ganzer Linie. Überaus stark in Schauspiel und Gesang empfiehlt sich ebenso Lena Detert (Paulette Buonofonté). Den Hilfestellungen in Beziehungsfragen durch ihre Freundin Elle beugt sie sich nur zu gerne, womit es ihr letzten Endes dann auch gelingt ihren Angebeteten, Postboten Kyle, herrlich überzogen dargestellt von Lorin Goltermann, einzufangen.

Auch wenn hier nur einige persönlich genannt werden können, ein großes Lob muss an den gesamten Cast ausgesprochen werden, der hier mit starken gesanglichen, tänzerischen und sportlichen Leistungen bereits jetzt, quasi Mitte der Ausbildungszeit, auf sich aufmerksam macht und von dem sicherlich später dann noch einiges zu hören sein wird.

Die Inszenierung übernimmt mit wenigen Umstellungen geschickt das Bühnenbild der derzeit laufenden Abschlussproduktion „Sister Act“. Die Kostüme von Jule Kim Herrmann sind bunt und frech und unterstreichen die Inszenierung passend. Talitha Kemnitzer als Regisseurin und Nadja Kilchherr, zuständig für die Choreografie, kreieren eine mitreißende und kurzweilige, witzige und fließende Inszenierung von „Natürlich Blond“ und geben damit nicht nur den Studenten der Stage School Hamburg, sondern allen Menschen eine wichtige Botschaft mit auf den Weg: „Glaubt an euch und ihr werdet alles schaffen“, genauso wie aus der Klischee-Blondine Elle Woods am Ende der Show eine sympathische und jahrgangsbeste Abschlussstudentin wird.

„Natürlich Blond“ läuft noch bis Sonntag im Hamburger First Stage Theater. Die wenigen noch zur Verfügung stehenden Restkarten sind über die Website www.firststagehamburg.de,  oder an der Abendkasse zu erhalten.

 

Video (c) AmoneA Musical World

Bilder (c) Patrick Sobottka

 

Weiterführende Informationen

Stage School Hamburg
First Stage Theater

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