Ein Herz aus Schokolade
Spielzeiteröffnung im Grenzlandtheater Aachen
Premiere: 5. August 2022
Am 5. August 2022 startete das Grenzlandtheater Aachen nach der Sommerpause in seine neue Spielzeit. Ein Blick auf die für das Jahr 2022/23 geplanten Stücke erweckt schon direkt den Eindruck, dass die neue Führung beherzt den Staubwedel ausgepackt hat. Ingmar Otto (Intendant) und Anja Junski (Dramaturgie & Geschäftsleitung) wagen Schritte in die Moderne, scheuen weder den Kontakt zu aktuellen Themen (How to date a Feminist) noch die großen Schuhe, die man sich mit einer Uraufführung als Filmadaption (Club Las Piranjas – nach einem Film von Hape Kerkeling und Doris Heinze) anzieht. Sie verlegen die jährliche große Musical-Produktion (Blues Brothers) in ein Theaterzelt und bieten den Krimifreunden einen Psychothriller (Falsche Schlange), vergessen aber ebenso wenig die Klassiker wie Schillers „Kabale und Liebe“.
Die erste Premiere der neuen Spielzeit fordert die Lachmuskeln der Zuschauer direkt aufs Äußerste. „EIN HERZ AUS SCHOKOLADE oder das süße Leben des Monsieur Ledoux“, eine Komödie von Valerie Setaire, versüßt einem sprichwörtlich den Abend. Nicht nur, dass jedem Gast bereits vor der Show die titelgebende Süßigkeit auf die Zunge gelegt wird, auch das Bühnenbild, welches man ohne Vorhang direkt beim Eintreten in den Theatersaal erblickt, lässt die Herzen höher schlagen. Gespickt mit vielen kleinen und wunderbaren Details entführt Tom Grasshof (Bühnen- und Kostümbild) in die gemütliche Chocolaterie von Henri Ledoux. Allein der Anblick der vielen kleinen Pralinen- und Schokoladenvariationen, wovon die meisten – allerdings der Aktionen im Stück geschuldet unerkennbar nicht alle – echt sind, lassen die Vorfreude des Publikums augenblicklich ansteigen. Auch der gemütliche Sitzplatz mit Schokoladenbrunnen und die weiteren liebevoll arrangierten Kleinigkeiten lassen erahnen, welches Herzblut und was für eine Arbeit in einer solch großen und detailverliebten Bühnendekoration stecken.
Henri Ledoux (Martin Molitor) ist Chocolatier mit Herz und Seele. Leider hat ihn vor kurzem völlig unerwartet seine Frau verlassen und damit auch sein Geschmackssinn. Ein riesiges Problem für jemanden, der selbst kreierte Schokoladenvariationen anbietet. Auf der Suche nach einer neuen weiblichen Seele für sein Geschäft, die ihn im Laden unterstützt und mit hilft, den drohenden Konkurs abzuwenden, schaltet er eine Stellenanzeige. Gleichzeitig setzt sein Arzt und bester Freund Dr. Louis Margoux (Wolfgang Mondon), der den Verlust der Frau als ursächlich für den Geschmacksverlust sieht, zusammen mit dem Praktikanten Pascal Gaspard (Jan-Friedrich Schaper) die ersponnene Idee in die Tat um, ebenfalls eine Anzeige für und im Namen seines Freundes aufzugeben. Nur handelt es sich bei dieser Anzeige um eine Kontaktanzeige, um dessen Geschmacksnerven zu heilen, selbstverständlich ohne den Betreffenden darüber in Kenntnis zu setzen. Die unterschiedlichen Vorstellungsgespräche in der Chocolaterie laufen natürlich alles andere als rund und werfen so manche Fragezeichen nicht nur in den Gesichtern der Beteiligten auf. Kurzum, die beste Ausgangssituation, um die Irrungen und Wirrungen einer Komödie richtig Fahrt aufnehmen zu lassen.
Sowohl Martin Molitor als auch Wolfgang Mandonebenso wie Jan-Friedrich Schaper schaffen für die Zuschauer eine authentisch nachvollziehbare Situation, sowohl in geschäftlicher als auch zwischenmenschlicher Beziehung. Sie beschleunigen durch ihre Schauspielkunst den Stückverlauf und treffen die Situationskomik auf den Punkt. Größter Respekt für ihre schauspielerische Leistung muss aber Cynthia Thurat gezollt werden. Ihr gelingt der Spagat, alle ihr eigenen sechs Damen-Rollen anders anzulegen und jede für sich in beeindruckender Weise wirken zu lassen. Die teils schnellen Quick-Changes zwischen den Damenfiguren werden auch vom Off aus hervorragend vorbereitet und unterstützt, sodass ein flüssiger Stückverlauf entsteht.
Unter der Regie von Anja Junski ist hier ein Stück komödiantischer Schauspielkunst entstanden, welches das Publikum sofort in ihren Bann zieht und so schnell auch nicht wieder frei gibt. Der Muskelkater von den einen überfallenden Lachsalven zumindest ist auch noch einige Tage später deutlich spürbar.
Ob sich das ganze Tohuwabohu auflöst, Chocolatier Henri seinen Geschmacksinn wieder und vielleicht auch eine Liebe neu findet, kann man noch bis zum 17. September an der Hauptspielstätte in der Aachener Elisengalerie und anschließend auf den bekannten Bühnen in der Städteregion Aachen sowie mit Geilenkirchen, Eupen und St. Vith auch darüber hinaus sehen. Karten für alle Vorstellungen gibt es an der Theaterkasse oder online unter www.grenzlandtheater.de, wo man natürlich ebenso Informationen zu allen Stücken der neuen Spielzeit findet.
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