Heathers – Deutschsprachige Erstaufführung
HEATHERS – Ein Stück Off-Broadway in Berlin
Deutschsprachige Erstaufführung von Stageink – Stagies e.V. am 1. März 2019 in der WABE Berlin
Laurence O’Keefe & Kevin Murphy
Deutsch von Matthias Busch
Nach einem knappen Jahr harter Arbeit brachte der Verein Stageink – Stagies e. V. das Off-Broadway Musical „Heathers“, welches sich auch in London großer Beliebtheit erfreut, auf die Bühne. Erstmals in deutscher Sprache, die Übersetzung dafür hat der Vorsitzende des Vereins, Synchronsprecher und Übersetzer Matthias Busch, eigens dafür übernommen.
Ende der 80er Jahre, als der Kultfilm „Heathers“, auf dem das Musical basiert, mit Wiona Ryder und Christian Slater in den Hauptrollen erschien, war dies ein Seitenhieb auf die amerikanische Gesellschaft. Das Lexikon des internationalen Films siedelte ihn zwischen Satire und Thriller an. Es ist kein Wunder, dass es 2013 – ein knappes Vierteljahrhundert später auch die Theaterwelt eroberte. Erfolgsautor Laurence O’Keefe adaptierte den Stoff für seine bis heute beliebte Bühnenversion. Nun endlich findet das nach wie vor brandaktuelle Stück auch seinen Weg nach Deutschland – genauer gesagt ins Kulturzentrum WABE nach Berlin. Der Veranstaltungsort ist Teil des Ernst-Thälmann-Park in der Danziger Straße im Bezirk Prenzlauer Berg und verdankt seinen Namen der charakteristischen oktogonen Form des Gebäudes. Veranstaltungen unterschiedlichster Art finden hier einen angemessenen Rahmen und auf diesem Weg gelangt auch der Verein in das beliebte Objekt. Nach acht sehr unterschiedlichen, zum Teil selbst geschriebenen Stücken wagen sie sich nun an das Off-Broadway Musical und hauchen ihm Leben ein.
Der Hauptteil des Stückes spielt an der amerikanischen High School Westerberg. Gerade in die Oberstufe aufgestiegen, genießen die Schüler ihre Jugend in vollen Zügen. Neben den „ganz Normalen“, gibt es eine Gruppe Sportler, die Streber, die Unbeliebten, die Rebellen und allen voran ein Trio, welches die Schule voll im Griff hat. Die drei Mädchen, alle reich, wunderschön, aus vermeintlich gutem Hause hören alle auf den gleichen Vornamen – Heather. Ihr Wort ist Gesetz, wer zu ihrem Umfeld gehört darf sich glücklich schätzen. Ein Zufall bringt das strebsame, belesene Mädchen Veronica Sawyer (Michelle Hoffmann) dazu, ihnen den Rücken frei zu halten und sie vor dem Nachsitzen zu bewahren. Mit dieser spontanen Aktion, die aus dem überaus nützlichen Talent jede Handschrift perfekt zu fälschen resultiert, katapultiert sie sich direkt hinein in den inneren Kreis um die Tyranninnen. Stolz bemerkt sie, dass man sie plötzlich wahrnimmt, auch wenn ihr die Machenschaften ihrer neuen Freundinnen Bauchweh bereiten und sie heimlich mit deren Opfern sympathisiert. Ihre ehemals beste Freundin Martha Dunnstock (Julia Spang) hat am meisten unter dem diabolischen Trio und ihren Mitläufern zu leiden. Jeder Versuch Martha zu schützen geht schief und am Ende wird diese auf einer Party, zu der sie uneingeladen erscheint, bloßgestellt.
Mit dem kürzlich aus Kansas in den Ort gezogenen Jason „J.D.“ Dean (Kevin Kolodziej) als Rückendeckung und heimlichen Freund, beschließt Veronica aus der Clique auszusteigen. Als man ihr Rache androht möchte sie sich für ihr Verhalten entschuldigen und Heather Chandler (Franziska Wiethan) kommt ums Leben, als das junge Mädchen sich anstiften lässt, dieser Rohrreiniger statt eines befohlenen Anti-Kater-Drinks anzureichen. Dieser Mord schockt Veronica, die sich immer für einen guten Menschen gehalten hat und rüttelt an ihren Grundfesten. Es ist J.D., der sie animiert die Tat als Selbstmord zu tarnen und einen Abschiedsbrief zu fälschen. Unverhofft kommen sie tatsächlich mit ihrer verwerflichen Handlung durch und das Unheil nimmt seinen Lauf. Während einer privaten Abschiedsfeier der verbliebenen Heather Duke (Nina Knoll), Heather McNamara (Irina Deuble) und den beiden Sportlern Ram Sweeny (Matthias Busch) und Kurt Kelly (Sven Edthofer) kommt es zu einem unangenehmen Zwischenfall, der Veronica in eine missliche Lage bringt. Bereits am Folgetag weiß die ganze Schule von ihren vermeintlichen sexuellen Eskapaden. Wieder ist es der radikale J.D., der eine Lösung aus dem Ärmel zaubert und einen Plan schmiedet, den beiden Jungen eins auszuwischen und damit den Spieß herumzudrehen. Die Idee fällt auf fruchtbaren Boden, wieder ist es Veronica, die einen Abschiedsbrief fälscht und am Ende verlieren die Sportler tatsächlich ihr Leben, was für Veronica alles andere als gewollt ist. In ihrem Brief berichten die beiden von einer homosexuellen Beziehung, die sie sich nie getraut hätten offen auszuleben.
Die Protagonistin bemerkt, dass ihr Freund in seiner Art sehr nach seinem Vater schlägt und beschließt, sich aus seinem Dunstkreis zu befreien. Die Schule fällt von einer Trauerfeier in die nächste und ergreift die Gelegenheit, die Schüler vor laufenden Kameras zu ihren Ängsten und Wünschen zu befragen. Damit entsteht ein nicht zu erwartender Druck und ein weiterer – diesmal tatsächlich geplanter – Selbstmord kann gerade noch vereitelt werden. Martha Dunnstock beginnt an den Geschichten um die Toten zu zweifeln und endet später auf Grund ihrer Enthüllungen selbst auf dem Geländer einer Brücke. Schwer verletzt überlebt sie, während J.D. Pläne schmiedet, die Schule mit allem was darin ist in die Luft zu sprengen. Sein Vater als Sprengmeister bietet nicht nur den Zugang zum Material, auch das Know How liefert dieser unfreiwillig gleich mit. Seine Freundin kommt ihm auf die Spur und versucht zu verhindern, dass er seine Pläne in die Tat umsetzen kann. Durch ihren inszenierten Selbstmord entkommt sie ihm und macht sich eigenhändig auf den Weg, die Schule und alle Mitschüler zu retten. Das letzte Opfer bringt J.D., der erkennt, dass sie sich von ihrem Weg nicht mehr abbringen lässt und lieber selbst sterben würde, als weitere Tote auf ihrem Konto verzeichnen zu müssen. Von ihr angeschossen und selbst sterbend opfert er sich, damit die Situation sich wieder normalisieren kann. Unter Schock übernimmt nun Veronica die Herrschaft über die Schule. Sie reißt das Wort an sich und versöhnt sich mit allen Übriggebliebenen. Worum es wirklich im Leben gehen sollte, begreifen die jungen Leute erst nach dieser Verkettung unglücklicher Umstände und einer Reihe Tragödien, die sie selbst mit ihrem Verhalten heraufbeschworen haben.
Wenn sich nun also 19 junge Menschen aus diversen Berufsgruppen, unter ihnen Lehramtsstudenten, Juristen, Sozialarbeiter, Ingenieure und Musiktherapeuten zusammenfinden um ein solch sozialkritisches und stigmatisierendes Stück auf die Beine zu stellen, kann das nur großartig werden. Unter der kundigen Hand von Regisseur Timo Radünz laufen sie zu Bestform auf und tauchen in die chaotische, liebevolle, kaputte sowie pubertäre Welt der Heathers und ihrer Freunde ein. Und nicht nur das – sie spielen nicht nur, sondern SIND in sechs restlos ausverkauften Shows mit insgesamt über 1000 Zuschauern sogar jene Jugendlichen und wenigen Erwachsenen, die das komödiantisch-satirische Musical an jedem Abend neu zum Leben erwecken. Jedes Klischee wird bedient, jede Rolle absolut detailverliebt erarbeitet und dargestellt. Von der Oberzicke, über Sportler, Mobbingopfer, Kiffer, Radikale, Hipsters und Punks wird jedes Stigma vollständig erfüllt. In Kostümen, die die Mode der späten 80er darstellen, spielen sie leidenschaftlich und mit jeder Menge Herzblut. Das Bühnenbild ist einfach und wandelbar, eine Reihe beweglicher Kreidetafeln bietet den zentralen Mittelpunkt, sodass sich der Zuschauer teilweise in seine eigene Schulzeit zurückversetzt fühlt und ihm mit dem Stück Frontalunterricht par Excellence geboten wird. Heathers polarisiert, reizt die Lachmuskeln auf ein Maximum, nur um im nächsten Moment zum Nachdenken anzuregen. Erschreckend aktuell greift es alle Themen auf, unter deren Last die Gesellschaft zu leiden hat. Von Mobbing, über Selbstzweifel bis hin zu Selbstmord, Magersucht und die erste Liebe wird alles genauso thematisiert wie Gewalt, aber auch Zusammenhalt. Herausragend umgesetzte Kampfszenen in slow motion Manier lassen das Publikum ebenso mitfiebern, wie es bei den Partys in Feierlaune gerät und ihm das Lachen im Hals stecken bleibt, wenn ein vermeintlicher Streich wieder einmal ausufert. Heathers sollte ein Muss für jeden sein, der aktuell die Schulbank drückt – mehr kann ein Mensch in solch kurzer Zeit kaum lernen. Als Tagebuch vorgetragen wird der Zuschauer zu einem Teil der Inszenierung, die sich nicht ausschließlich auf der Bühne, sondern auch in den Gängen zwischen den Gästen abspielt. Begleitet wird das Ensemble von einer neunköpfigen Band unter der Leitung von Tobias Meyer. Sie untermalen das Geschehen, welches insgesamt 44 Songs – davon 29 mit Gesang – umfasst, über 80 Schimpfwörter beinhaltet und von wunderschönen Details lebt, gekonnt musikalisch und geben ihm einen angemessenen Rahmen.
Am Ende entlässt das Ensemble seine Zuschauer in die regnerische Märznacht, nicht ohne eine geplante Wiederaufnahme für den Herbst anzukündigen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Plan in Erfüllung geht und die Heathers ihre Anhänger schon bald wieder in ihr Zuckerhaus locken dürfen. Informationen hierzu gibt es zeitnah auf der Facebookseite des Vereins oder unter: http://www.stageink.org/
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