Stephan Masurs Varietéspektakel – Le Cirque

15 Jahre Jubiläum – Senftöpfchen Theater Köln

Träume hat jeder – manch einer verwirklicht sie, geht in ihnen auf, lebt sie gar, viele jedoch schließen sie in sich ein und vergessen einfach, dass sie je geträumt haben. Wenn nun ein Diplomkaufmann – schon die Diplomarbeit entstand im Zirkuswagen – die Chance bekommt, sich selbst zu verwirklichen, findet das im Falle von Stephan Masur auf der Bühne, bestenfalls im Zirkuszelt statt. Fünfzehn Jahre konzeptioniert und verwirklicht er seine kaleidoskopbunten Varietéprogramme.

Das Jubiläum in diesem Jahr feiert er wie gewohnt im Senftöpfchen Theater in Köln, einer Kleinkunstbühne im Herzen der Altstadt. Das Haus umfasst kaum 200 Sitzplätze auf 94m², die Bühne ist mit ihren knapp 35m² verhältnismäßig klein. Von jedem der Bühne frontal zugewendeten Platz aus bietet das Haus beste Sicht auf die Bühne und das Geschehen darauf, so auch bei „Le Cirque“, Stephan Masurs fünfzehntem Programm in ebenso vielen Jahren. Das ist das erste Indiz für einen Varieténeuling, dass die Show sicher funktionieren wird. Wenige Tage nach der Premiere am 17. Juli durften wir uns davon überzeugen.

Das Team des Senftöpfchen Theaters tut vom ersten Moment an alles, um zum Gelingen des Abends beizutragen. Freundlich werden nicht nur Plätze zugewiesen, sondern auch Getränke und Snacks serviert, um es dem Publikum an nichts fehlen zu lassen. Der erste Blick auf einen schweren roten Samtvorhang ist gespannt und die Spannung wird gekonnt durch eine fast viertelstündige Verzögerung des Vorstellungsbeginns aufrecht erhalten.

Als erstes tritt der Gastgeber des Abends mit einem Koffer voller Geschichten und Erinnerungen und vor allem mit dem buchstäblichen Schalk im Nacken vor sein Publikum und begrüßt es aufs Herzlichste. Gekonnt ebnet er den Weg für die kommenden Stunden, die gute Unterhaltung versprechen. Scheinbar plaudert er aus dem Nähkästchen und erzählt vom Beginn seiner Begeisterung für den Zirkus als kleiner Junge von gerade sieben Jahren. Er habe, so Masur, alles in seinem Koffer gesammelt, dessen er habhaft werden konnte. An manchen Tagen würde er das Sammelsurium an Erinnerungen betrachten und wieder zu träumen beginnen. Sarrasani und Roncalli seien seine glänzenden Vorbilder gewesen, erzählt er mit leuchtenden Augen und lässt mit einer lässigen Handbewegung den Vorhang zur Seite gleiten und das bunte Spektakel beginnen.

Bühne frei!heißt es für die insgesamt sieben Protagonisten des Abends. Nach einem von allen Bühnenaktiven gemeinsam durchgeführten geschäftigen „Zirkusaufbau“ beginnt die Vorstellung zunächst im Halbdunkel, lediglich von einem Spot auf der Bühne und Woodkids’ „I love you“ überaus passend begleitet. Sven Böker eröffnet mit einer kraftvollen und zugleich ruhigen Handstandnummer das artistische Geschehen. Mit atemberaubender Sicherheit führt er seine Choreographie vor und wirkt dabei vollkommen unangestrengt. Als er seinen wohl verdienten Applaus entgegennimmt, beginnen die Umbauarbeiten für die nächsten Acts, die vom Zirkusdirektor (Gerrit Hericks) streng überwacht und musikalisch mit Wildhorns „Wonderland“ unterlegt werden.

Immer wieder unterbricht Gastgeber Stephan Masur den vermeintlich reibungslosen Ablauf und bringt auf komödiantische Weise sein Wissen über den Zirkus ein, womit er den anderen Aktiven gehörig auf die Nerven fällt. Vom Moderator über den nervigen Besserwisser bis hin zum Artisten selbst durchläuft er an einem Abend die gesamte Bandbreite der Rollen, die nur möglich sind.
Eine aufs höchste amüsante Bauchredenummer von Silea löst die anfänglich atemlose Spannung und regt das Publikum zum Lachen und Mitfiebern an. Ästhetische Artistik, Schattenspiele, humoristische Einlagen und Gesang lösen sich mit beinahe rasender Geschwindigkeit im Verlauf der Vorstellung ab. Rodrigue Funke weiß mit seiner Hundedressur sofort von sich und vor allem seinen talentierten Vierbeinern zu überzeugen und die Herzen des Publikums zu gewinnen.

Ein besonderer Höhepunkt ist wohl die Einführung Stephan Masurs in das Team der Artisten, er habe, so seine Aussage, beinahe ein Jahr an einer Artistenschule in den Niederlanden gelernt und wolle nun ein Clown werden. Dass diese Aussage der tatsächlichen Wahrheit entspricht, lässt sich in seinem Werdegang nachlesen. Umso spannender wird die Umsetzung dessen, was er zu zeigen gedenkt. Aller anfängliche Skepsis, vor allem des Direktors, zum Trotz schlüpft er in sein Kostüm, verzaubert auf seine ganz eigene Art und wird zu Recht vom Publikum für seine Darbietung gefeiert. Auf magische Weise untermalt von dem durch Harald Juhnke bekannt gewordenen „Clown sein“ nimmt er die Zuschauer mit in die bunte Welt des Zirkusclowns und beweist mit seinen märchenhaften Seifenblasen, die er kunstvoll zum Drehen bringt, mit Rauch füllt, tanzen lässt und schließlich mit nur einer einzigen Handbewegung wieder zerstört, dass auch der normalerweise als albern verschriene Clown eine andere Seite hat. Verblüffend, einzigartig, berührend und zugleich zauberhaft kindlich ist das Vergnügen auf und vor allem vor der Bühne in diesem Augenblick, einem durch den dünnen Seifenfilm so schnell vergänglichen Moment, der jedoch nachhaltig bewegt und zu einer kostbaren Erinnerung wird.

Philipp Tigris meistert anschließend die Aufgabe, den magischen Moment zu lösen, bravourös, indem er gekonnt mit seinen Hula Hoop Reifen agiert und bisweilen fünf Stück in alle erdenklichen Richtungen um seinen Körper kreisen lässt. Besonders hierbei ist, dass sämtliche Kollegen dem Geschehen vom hinteren Bühnenrand aus zusehen, sodass der Eindruck erweckt wird, er würde sich tatsächlich in einer Manege befinden und von allen Seiten von Zuschauern umringt sein. Dies fällt nicht nur bei dieser einen Nummer auf, sondern zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Abend.

Vor der Pause darf auch das Publikum aktiv werden, ein Zuschauer wird zum Statisten und bekommt als „Helfende Hand“ in einer Akrobatiknummer die Gelegenheit Bühnenluft zu schnuppern.

„Join the Circus“ lädt als Auftakt des zweiten Aktes nach der Pause ein, sich erneut mit ganzem Herzen dem Bühnengeschehen zu widmen. Mit einem bunten Treiben von „Pferdedressur“, wo erneut das Publikum gefordert ist, über die buchstäbliche Magie, den Hut aus dem Hasen – und hier ganz sicher nicht umgekehrt – zu zaubern, bis hin zu atemberaubender Artistik ist für jeden etwas dabei. Marco Noury zeigt sein Können an den Strapaten und erntet so manch atemlos hervorgebrachte Ausrufe der Begeisterung. Dass es bisweilen auch ernst zugehen kann in der Manege und der so offensichtlich bunten und vergnügten Welt, zeigt Gerrit Hericks mit „Je suis malade“, mit dem er als ständig zurückgewiesener Direktor seiner Prinzessin ungehört verdeutlicht, dass er ohne sie nicht leben kann.

Philipp Tigris sorgt mit seiner Kontorsionsnummer dafür, dass die Atemlosigkeit beim Publikum anhält. Immer wieder unterbricht begeisterter Zwischenapplaus die Darbietung des Schlangenmenschen, der den Eindruck erweckt, offenbar ohne jede Anstrengung die Welt, wie man sie kennt, ad absurdum zu führen.

Einen weiteren Einblick in die Hundedressur gibt es im direkten Anschluss und die Anspannung löst sich mit den lustigen Streichen von Foxterrier Lou Lou in Wohlgefallen auf. Ein Tanz auf dem Seil beendet das Spektakel, von dem es kaum genug geben kann. Augen, die staunen, Herzen, die sich öffnen und Seelen, die plötzlich wieder zu träumen beginnen, sind das Resultat von mehr als zwei Stunden atemberaubender Show.

Es ist der Moment, in dem das Ende der Vorstellung naht. Der Vorhang ist geschlossen und Stephan Masur tritt noch einmal davor, um sich mit seiner singenden Säge völlig gedankenverloren auf den Bühnenrand zu setzen und eine bittersüße Melodie zu spielen, ehe er das Instrument zurück legt und beginnt sich abzuschminken. Er schlüpft zurück in seine Alltagskleidung und lässt das Kostüm hinter sich zurück. Mit nichts als dem Koffer vom Anfang in der Hand strebt er, einen letzten Blick zurückwerfend ins Publikum, dem Ausgang entgegen und plötzlich ist da dieses Kribbeln ganz tief im Bauch. Eine Aufregung, die man oft zuletzt als Kind gespürt hat. Man weiß, dass man etwas ganz Besonderes bezeugen darf, hält den Atem an, nur um nicht zu rufen „Nein, geh nicht!“, doch der unausgesprochene Gedanke wird meisterlich vom Gastgeber aufgegriffen. Jener Augenblick, der ihn zögern lässt, ihn dazu veranlasst sich umzudrehen und von seinen Kollegen erwartet zurück in ihre Mitte gewunken wird, ist wohl jener, der für einen Moment die Zeit still stehen lässt.

Le Cirque weiß meisterlich zu überzeugen und kurzweilig zu begeistern. Dem frenetisch applaudierenden Publikum wird klar, dass dieses Spektakel dazu anregt, es mit Erich Kästner zu halten und sich die Kindheit zu bewahren. Träume sind dazu da gelebt zu werden und manifestieren sich noch bis zum 10. August immer Mittwoch bis Sonntag im Senftöpfchen Theater, ehe vom 13. bis zum 31. August im Patheon in Bonn die Zelte aufgeschlagen werden. Ein Besuch ist für all jene, die noch zu träumen wagen, sich einen Abend lang entführen lassen möchten, oder einfach Interesse an vielseitigem hochkarätigen Varietéspektakel haben, auf jeden Fall zu empfehlen.

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weiterführende Informationen:

Artisten:

Gerrit Hericks: Gesang/ Zirkusdirektor

Marco Noury: Strapaten

Rodrigue Funke: Spiel mit Hunden und Tauben

Silea: Seiltanz/ Flaschenlaufen/Komik

Stephan Masur: Seifenblasen/ Komik

Tigris: Hula Hoop/ Kontorsion

Sven Böker: Handstand

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