Wiederaufnahme in Corona-Zeiten: „3 Musketiere“ in Magdeburg

„Endlich wieder Theater!“ war am zweiten Septemberwochenende des Öfteren in den Spielstätten des Theaters Magdeburg zu hören. Denn das städtische Theater startete an diesem Wochenende so richtig in die neue Spielzeit, die natürlich nach wie vor ganz im Zeichen des COVID 19-Virus steht.
Doch nach monatelanger Schließung, Absage sämtlicher Veranstaltungen und vorsichtigen Versuchen ganz kleiner Live-Formate und vor allem Online-Angeboten kommen die ersten Tage der neuen Spielzeit dem, was man als Realität bezeichnen könnte, am nächsten.

Das Opernhaus des Theaters Magdeburg. © J. Lesniak

Und so stand mit den „3 Musketieren“ auch ein Musical erstmals seit März wieder auf dem Spielplan. Trotz aller Vorfreude ist da auch ein bisschen Unsicherheit in der Bauchgegend, wie es denn funktionieren wird, das Theatergucken in Corona-Zeiten. Doch die Unsicherheit erweist sich als unbegründet, denn das akribisch ausgearbeitete Hygienekonzept des Theaters Magdeburg sorgt dafür, dass man sich als Zuschauer sicher und gut aufgehoben fühlt.
Im Theater gilt die Maskenpflicht. Zumindest bis zum Sitzplatz. Während der Vorstellung darf der Schutz abgenommen werden. Gleiches gilt für die Gastronomie. Diese ist vor der Vorstellung und während der Pause geöffnet. Allerdings gibt es keinen Barbetrieb, sondern man wird am Tisch bedient. Für die Pause ist eine Vorreservierung von Tisch und Getränken möglich. Dabei muss man bereits sein ausgefülltes „Nachverfolgungsblatt“ vorzeigen und es wird die Tischnummer vermerkt. Abgegeben wird der Zettel dann allerdings erst beim Einlass in den Theatersaal.
Auch hierfür hat man sich ein Konzept überlegt. Eingelassen wird ausschließlich über die linke Saalseite, hinaus geht es dann nur über rechts. Und da liegt das einzige Manko im Konzept: Während der Einlass überwiegend prima funktioniert (obwohl man sich unter Umständen eng an allen bereits Sitzenden vorbeidrängeln muss), weil die Zuschauer „tröpfchenweise“ den Saal betreten, wird es beim Verlassen zur Pause und am Ende, wenn alle gleichzeitig hinauswollen, doch recht eng an den Türen und dem Gang davor.
Im gesamten Haus gilt ein Einbahnstraßen-System, überall finden sich entsprechende Markierungen und Schilder. Außerdem helfen bei Unsicherheiten auch die zahlreichen Damen und Herren des Abenddienstes. Diese erklären auch direkt bei Betreten des Theaters die Regeln und verteilen entsprechende Infozettel. Desinfektionsmöglichkeiten findet man im Haus alle paar Meter und auf den Toiletten wird man gebeten, nach Benutzung den WC-Sitz zu desinfizieren.
Natürlich wurde auch der Sitzplan an die geltenden Bestimmungen angepasst. Der Verkauf reicht von einem bis zu drei Plätzen nebeneinander, dazwischen sind mehrere Plätze frei. Auf diese Weise können im Opernhaus statt der üblichen rund 680 Plätze nun etwa 220 Plätze verkauft werden, bis es heißt „Haus voll!“

Und genau das ist es auch zur Wiederaufnahme der „3 Musketiere“ an diesem frühen Sonntagabend. Die gespannte Vorfreude nach Monaten des „Entzugs“ ist förmlich mit den Händen zu greifen. Man ist gespannt, wie die Pandemie das Spiel auf der Bühne beeinflusst oder vielleicht sogar beeinträchtigt. Spoiler: Letzteres ist nicht passiert.
Doch von vorn: Diese Wiederaufnahme ist keine normale, und das in doppelter Hinsicht. Zum einen – natürlich – wegen Corona. Regisseur Ulrich Wiggers hat mit seinem Inszenierungsteam und seiner Cast in den vergangenen Wochen eine den Vorgaben konforme Version entwickelt und geprobt. Und für diese Version kann man allen Beteiligten nur allerhöchsten Respekt zollen, was die Zuschauer am Ende mit begeistertem Applaus auch ausgiebig tun.  Für jene, die das Stück heute zum ersten Mal besuchen, dürften viele der Änderungen gar nicht bemerkbar sein. Die „Wiederholungstäter“ bemerken die Änderungen zwar, dem Gesamterlebnis tut dies jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil. Durch die Reduzierungen an Personen und Aktionen ist man weniger abgelenkt von den Hauptpersonen und erlebt die erzählten Geschichten sogar intensiver. So arbeitet Wiggers nur noch mit etwa einem Drittel des Chores auf der Bühne, der restliche Chor singt aus dem Off. Die Choreografien, vor allem auch die des Balletts, wurden so umgestellt, dass keine Berührungen stattfinden.

Szenen wie diese wurden in der “Corona-Version” uminszeniert: Statt Umarmungen gibt es Luftküsse. © Nilz Böhme

Wenn der Abstand mal nicht eingehalten werden kann, wie z.B. bei den Kampf- und Fechtszenen, dann kommt ein Mund-Nase-Schutz zum Einsatz. Diesen tragen alle Beteiligten auf der Bühne in Form eines zum Kostüm passenden Halstuches, das bei Bedarf einfach hochgezogen wird. Das wirkt überhaupt nicht fremd oder störend, sondern verleiht den Akteuren sogar etwas Verwegenes, was dann ja wieder bestens zum Stück passt. Aus Umarmungen und Küssen – wie etwa zwischen d’Artagnan und Constance – werden ausgestreckte Arme und fliegende Luftküsse. So gibt es viele kleinere und größere Veränderungen zu entdecken bis hin zum sehr emotionalen Schlussbild, die eines ganz deutlich zeigen: Theater unter Corona-Bedingungen ist möglich, auch auf der Bühne. Und in einer Zeit, in der noch niemand vorhersagen kann, wie lange uns die Einschränkungen der Pandemie noch begleiten werden, ist das ein Lichtstreif für alle Theaterfans und Theatermacher.

Zurück zur doppelten Besonderheit dieser Wiederaufnahme. Für ein Cast-Mitglied ist sie nämlich gleichzeitig eine Premiere: Patrick Stanke spielt am heutigen Abend nicht wie gewohnt den Kardinal Richelieu, sondern schlüpft in die Rolle des Athos, da Lucius Wolter nicht in Magdeburg sein kann. Damit verkörpert Patrick Stanke nach d’Artagnan in der Original-Cast von 2005 und dem Kardinal nun bereits die dritte große Rolle in dem Stück. Der Kardinal wird an diesem Abend gespielt von Armin Kahl, der bereits in der letzten Spielzeit mehrfach als Zweitbesetzung des Richelieu auf der Bühne stand. Obwohl er nur wenige Tage hatte, die neue Rolle einzustudieren, spielt Stanke den Athos absolut überzeugend und sicher. Die eine oder andere Textirritation wird mit Charme und Witz überspielt. Besonders gespannt sind die Kenner des Stücks natürlich auf den „Engel aus Kristall“. Hier beweist Stanke, dass er nicht nur spielerisch, sondern auch sängerisch einer der Besten seines Fachs ist; kraftvoll und doch emotional bereitet er mit seiner Interpretation dem Publikum einen besonderen Gänsehautmoment.

Schlussapplaus einer besonderen Wiederaufnahme © J. Lesniak

Allen Beteiligten auf der Bühne ist anzumerken, wie sehr ihnen das Theaterspielen in den letzten Monaten gefehlt hat und wie dankbar und glücklich sie sind, ihrem Beruf nun wieder nachgehen zu können. An Spielfreude und einer Top-Performance ist dieser Abend jedenfalls kaum zu überbieten.

 

 

Die nächsten Vorstellungen sind am 17., 18. und 25. Oktober zu erleben.

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