Bonnie & Clyde – Theater Lüneburg

Dass ein Ende auch immer einen Anfang beinhaltet, zeigt das Theater Lüneburg eindrucksvoll mit seiner Inszenierung von Frank Wildhorns „Bonnie & Clyde“. Die Geschichte um eines der berühmtesten Gangsterpaare unserer Zeit beginnt nämlich mit dem spektakulären Ableben der Beiden. Wer glaubt nach diesen wenigen Augenblicken, in denen es gerade einmal dunkel im Saal geworden ist, bereits alles gesehen zu haben irrt. Denn erst jetzt beginnt die eigentliche Handlung, ein Rückblick, wie es überhaupt dazu kam, dass Bonnie Parker und Clyde Barrow am 23. Mai 1934 in einem Kugelhagel sterben mussten.

Bereits als zehnjährige steht für Bonnie fest, dass sie ein Filmstar werden möchte und sie eifert ihrem großen Idol nach. Während sie an ihrem Traum festhält stirbt ihr Vater und lässt die Familie verarmt zurück, so dass ihnen nichts anderes übrig bleibt als von Rowena (Texas) nach West Dallas zu ziehen, wo die noch lebende Großmutter ihnen Quartier bietet. Sie sehnt sich nach einem besseren Leben und heiratet bereits mit 15 Jahren in der Hoffnung, dem „Hinterhof des Teufels“ zu entkommen. Leider entpuppt sich diese Ehe als völlige Enttäuschung für das junge Mädchen, ihr Angetrauter landet hinter Gittern und sie selbst als Aushilfe in einer Bar, in welcher sie Männern „gewisse Extras“ anbietet, um das Loch in ihrem Portemonnaie zu stopfen.

Auch der junge Clyde zieht mit seinen Eltern und seinem Bruder in die Gegend, nachdem der Vater einen Job verloren hat. Sie leben in einem Zelt unter einer Brücke und die Brüder verüben schon von Kindesbeinen an kleinere Delikte. Clyde träumt davon, seinem Leben in Armut zu entkommen und nimmt sich in Jugendjahren Billy the Kid, später Al Capone zum Vorbild. Statt aus dem Slum zu entkommen landen die Jungen immer wieder im Jugendarrest, später im Gefängnis und besonders Clyde lehnt sich immer wieder gegen das System auf. Wegen Einbruch und Autodiebstahl werden sie zu einer zweijährigen Haftstrafe im McLennan County Gefängnis verurteilt. Die Barrow-Brüder brechen aus und während es Buck nach Hause zu seiner geliebten Ehefrau Blanche zieht, lernt Clyde in dieser verhängnisvollen Nacht Bonnie kennen.

Mit seiner großspurigen und von sich eingenommenen Art beginnt der Kleinkriminelle die junge Frau zu faszinieren. Schnell beichtet er ihr seine Vergangenheit, zieht sie aber dennoch auf seine Seite, als er vorgibt ihr Potenzial als It-Girl zu erkennen. Zwischen Faszination und Skepsis entbrennt eine Diskussion, die am Ende auf Bonnies heimischem Sofa endet, wo sie von ihrer Mutter überrascht werden. Als unvermittelt Bonnies Jugendschwarm Ted Hunton auftaucht, der sie immer noch umwirbt und zwischenzeitlich bei den Ordnungsbehörden arbeitet, flieht Clyde – nicht jedoch ohne ihr eine Adresse zu hinterlassen, wo sie ihn wiedersehen kann.

Buck und Blanche Barrow geraten in einen Streit über den Gefängnisausbruch. Er nutzt den Friseursalon seiner Frau als Zufluchtsort. Sie verrät ihn zwar nicht, als der Sheriff auftaucht, um nach ihm zu suchen und sie von seiner Flucht in Kenntnis zu setzen, doch gelingt es ihr ihn zu überzeugen, sich freiwillig zu stellen.

Von Träumen und Plänen beseelt gerät die Entschlossenheit Bucks ins Wanken, als Clyde auftaucht und ihn in seine Visionen einweiht, dennoch gibt er Blanche zu Liebe nach und verzichtet auf das große Abenteuer seines Bruders. Seine streng gläubige Frau ist der Ansicht, dass der Herr ihnen den rechten Weg schon weisen wird und hofft fest darauf, dass sich das Stellen ihres Mannes strafmildernd auswirkt. Sie gesteht ihrem Angetrauten einen letzten Gottesdienst innerhalb der Gemeinde zu, bei welchem er sich öffentlich taufen lässt und schließlich geht er freiwillig zurück in die Hände des Gesetzes. Unterdessen stiehlt Clyde ein Auto und überfällt ein Geschäft – lange währt auch seine Freiheit nicht, bis er erneut geschnappt und verurteilt wird.

Bonnie ist hingerissen von ihrem gefährlichen neuen Freund, belügt ihre Mutter und besucht ihn so oft es nur geht im Gefängnis, wo sie auch Ted wieder über den Weg läuft. Dieser ist sich sicher, dass sie blind vor Liebe die falsche Wahl trifft, dennoch hält sie an ihrer Beziehung fest, auch wenn sie sich dafür mit den Menschen die sie lieben überwerfen muss. Ihr und ihrer Schwägerin in spe wird klar, dass man sich nicht aussuchen kann, in wen man sich verliebt und dass sie beide immer an der Seite ihrer makelbehafteten Männer stehen werden. Dies geht für die junge Bonnie sogar so weit, dass sie eine Waffe ins Gefängnis schmuggelt, wo Clyde hilflos den Demütigungen der Wärter und dem Missbrauch durch einen Mithäftling ausgesetzt ist. Dem setzt er ein Ende und verkürzt die für ihn verhängte Höchststrafe eigenhändig durch seinen ersten Mord, ehe er erneut aus dem Gefängnis flieht. Alle Versuche ihres Umfeldes Bonnie von ihrem Auserwählten fernzuhalten scheitern. Sie ist blind vor Liebe und nicht bereit, sich anderweitig verkuppeln zu lassen. Aus dem unschuldigen jungen Mädchen wird die Geliebte eines Gangsters – ihr Hang zu Theatralik, zu Literatur und Aufmerksamkeit treibt sie willenlos in dessen Arme. Als Ausgestoßene der Gesellschaft beginnt die spektakuläre Flucht von Bonnie und Clyde.

Die Zahl der Verbrechen steigt von nun an überproportional. Während Bonnie zu Hause auf ihn wartet geht einer von Clydes Überfällen schief und endet mit dem Tod eines Polizisten, der ihn vor die Wahl stellt sich zu ergeben oder erschossen zu werden. Sein Weltbild gerät ins Wanken und völlig verstört erzählt er seiner Freundin, was geschehen ist, nicht ahnend, dass sie sogleich beginnt ihre Sachen zu packen um ihn zu verlassen. Unmissverständlich macht er ihr jedoch klar, dass es auch für sie mittlerweile viel zu spät sei um umzukehren.

Das Gaunerpärchen hält regelmäßigen Kontakt zu seinen Familien und bemüht sich diese mit Geld zu unterstützen, die Zeiten sind hart für jeden. Auch schreiben sie regelmäßig Briefe, die Buck nach dem Lesen sorgfältig verbrennt, um die Ermittler nicht auf die Spur seines Bruders zu schicken. Gern würde er ihm nacheifern, doch seine Frau hält ihn immer zurück – sie möchte lieber ein bescheidenes Leben in Armut führen, als einen flüchtigen Verbrecher zum Ehemann zu haben. Auch ihnen schaut die Polizei noch ganz genau auf die Finger und bedroht sie, den Aufenthaltsort der Gangster preiszugeben, ansonsten würde man Wege finden sie wegen Kontakt mit Verbrechern zu verurteilen – Blanche jedoch wendet dies ab.

Währenddessen leben Bonnie und Clyde ihren Traum aus, zwar wurde aus ihr kein Filmstar, doch ihr Ruf eilt dem Pärchen voraus, sodass sie sich darin sonnt und fleißig beginnt ihre Popularität zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sie gibt Autogramme und schickt auf Clydes Anraten hin ihre Gedichte an die örtlichen Zeitungen, was ihr die Aufmerksamkeit bringt, die sie immer wollte und der Justiz die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Sie werden als Volkshelden gefeiert und ihr Name ist in aller Munde.

Als es beginnt schwierig zu werden, schließt sich auch Buck seinem Bruder an und dessen Frau folgt ihm auf dem Fuße. Es herrscht ein Ungleichgewicht zwischen Gesetzlosen und Gesetzeshütern, denen in West Dallas mangels Personal, Material und Befugnissen die Hände gebunden sind. Agent Hamer wird von den Behörden als übergeordnete Instanz eingeschaltet, um den Flüchtigen das Handwerk zu legen. Er ist wild entschlossen seiner Aufgabe nachzukommen, während Ted noch immer Zweifel im Herzen trägt. Er kann und will nicht verstehen, dass seine Bonnie schon längst keine von den Guten mehr ist. Ein Plan zur Ergreifung der Verbrecherbande wird ausgearbeitet, während Blanche und Bonnie wieder einmal aneinander geraten. Blanche möchte in Erfahrung bringen, was einen Menschen umtreibt, ein solches Leben zu führen. Die Antwort ist ganz einfach wie am Anfang bereits die Liebe – Bonnie kann nicht anders, sie ist Gefangene ihrer eigenen Gefühle und möchte lieber an der Seite ihres Partners sterben, wohl wissend das Leben genossen zu haben, als allein und ohne Hoffnung zurück zu bleiben.

Bei einer Schießerei, die durch die Polizisten angezettelt wird, verliert Buck sein Leben und Bonnie wird verwundet. Clyde treibt sie an, nicht aufzugeben und mit letzter Kraft gelingt ihnen die Flucht, während Blanche bei ihrem sterbenden Gatten verweilt und schließlich verhaftet wird. Die Schuldgefühle nagen an den Gangstern, die Liebe zu ihren Familien, die sie immer noch regelmäßig besuchen und kontaktieren, wird ihnen irgendwann zum Verhängnis. Auf dem Weg zu ihren Eltern werden Bonnie und Clyde in ihrem Wagen erschossen.

Mit der Inszenierung von Frank-Lorenz Engel ist dem Stadttheater Lüneburg eine ganz eigene Interpretation des Stückes gelungen. Es ist hochdramatisch, weckt eigene Hoffnungen und Wünsche und kommt mit eingängigen Melodien und pointiertem Wortwitz daher. Natürlich nimmt der Anfang das Ende vorweg, doch die Geschichte ist dermaßen packend umgesetzt, dass zu keiner Zeit Langeweile aufkommt.

Die Nachbildung eines Ford Sedan deluxe SE bildet den zentralen Mittelpunkt der auf mehreren Ebenen bespielbaren Bühne. Dieser steht auf einem flachen Podest und ist je nach Szene und benötigter Relevanz in alle Richtungen frei drehbar. Auf der rechten Bühnenseite befindet sich das Sheriffbüro, zeitweise auch Bonnies Arbeitsplatz ehe sie auf die schiefe Bahn gerät und links die Wohnung der Parkers, während Familie Barrow auf der hinteren oberen Ebene zu Hause ist. Mit wenigen Handgriffen entsteht auf der zentralen mittigen Spielfläche ein Gefängnis oder der Friseursalon von Bucks Frau Blanche. Geschickt eingesetzte Vorhänge oder auch dosierte Leinwandeinspielungen im Hintergrund lassen das Geschehen lebendig werden, ohne jemals aufdringlich zu wirken.

Viel wichtiger als ein funktionierendes Bühnenbild ist jedoch eine Besetzung, die den Figuren Leben einhaucht. Dass dies rundheraus gelungen ist zeigt sich nicht erst am Ende des Abends. Kurosch Abbasi, der Clyde Barrow verkörpert, tut dies mit großem Engagement. Er überzeugt als Krimineller hinter Gittern mit größter Wut ebenso, wie als (selbst)verliebter junger Mann. Dass nichts und niemand ihm etwas anhaben kann, nimmt man ihm zu jeder Zeit ab.

An seiner Seite schlüpft Dorothea Maria Mülller in die Rolle von Bonnie Elisabeth Parker. Sie harmoniert mit ihrem Bühnenehemann absolut glaubwürdig und schafft es mit ihrer Gestik, Mimik und ihrem Gesang die Zuschauer mühelos in ihren Bann zu ziehen.

Auch Steffen Neutze als Buck und Caroline Walker als Blanche erweisen sich als hervorragende Wahl. Als Ehepaar brillieren sie ebenso wie allein und das Vergnügen an ihren Rollen ist ihnen deutlich anzumerken.

Als verliebter Ted Hunton spielt sich Alexander Tremmel in die Herzen der Zuschauer, auch wenn sein Dialekt beim Singen den Zauber manchmal ein wenig stört.

Gern hätte man vor allem von Kirsten Patt, die Emma Parker, Bonnies Mutter, verkörpert mehr gehört und gesehen. Die Rolle bleibt leider ein wenig auf der Strecke, wenngleich sie überaus glaubhaft und gefühlsbetont ins Publikum transportiert wird. Auch Clydes Eltern Cumie (Dobrinka Kojnova-Biermann) und Henry (Wlodzimierz Wrobel), sowie Sheriff Schmid (Oliver Hennes) und Agent Hamer (Sascha Littig) kommen in der rund zweieinhalbstündigen Aufführung nur selten zum Zuge. Dennoch gewinnt man jeden auf seine eigene Weise lieb.

Das großartige Ensemble, bestehend aus dem Haus- und Extra-Chor des Theater Lüneburg, muss an dieser Stelle Erwähnung finden. Gerade in jenen Szenen, wo es darum geht Betroffenheit zu zeigen, hat jeder Einzelne einen absolut verdienten Platz und haucht mit seiner Figur dem Stück noch ein wenig mehr Leben ein und formt es so zu einem großen Ganzen. Wie bereits Bonnie so schön sagt, „es hat einen Rhythmus, einen Flow“, so trifft diese Aussage das Bühnengeschehen auf den Punkt. Es steigert sich stetig, zunächst beinahe unbemerkt über viele kleine Höhepunkte hinweg bis sich der Kreis schließt und das am Anfang vorweg genommene Finale erreicht.

Unter der musikalischen Leitung von Ulrich Stöcker erwacht das große Orchester zum Leben. Die Lüneburger Symphoniker untermalen, begleiten, tragen das Stück auf ihren kundigen Händen und haben ihren Applaus mehr als verdient.

Alles in allem ist „Bonnie & Clyde“ im Theater Lüneburg unbedingt einen Besuch wert und ein empfehlenswertes Ziel. Die Tonqualität ist hervorragend und man versteht und sieht in den leicht ansteigenden Reihen auf allen Plätzen gut.

Noch bis zum 21.06.2019 lädt das Haus an vier Terminen dazu ein, einen rasanten, kurzweiligen Abend mit dem berühmten Gangsterpaar und ihrer Geschichte zu verbringen und herauszufinden, was sich letztendlich auf „Clyde und Bonnie“ reimt.

Fotos: Andreas Tamme/ Pressematerial Theater Lüneburg

Theater Lüneburg
Frank Wildhorn
Kurosch Abbasi Community
Dorothea Maria Müller
Lüneburger Symphoniker

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