Groß und großartig – Rebecca Open Air in Magdeburg

© www.AndreasLander.de

„Rebecca – Das Musical“, das auf der bekannten Romanvorlage von Daphne du Maurier beruht, ist ein – wie man so schön sagt – dickes Brett. Wer sich aufmacht es zu bohren, dem ist bewusst, dass die Augen der Musical(fan)szene auf ihn gerichtet sind. „Rebecca“ hat sich seit seiner Wiener Uraufführung im Jahr 2006 zu einem der beliebtesten Musicals im deutschsprachigen Raum entwickelt.

Als in dieser warmen Juninacht um Mitternacht im Schatten des Magdeburger Doms der letzte Ton der Premiere des um zwei Jahre verschobenen Domplatz Open Air verklingt ist klar: Diese Inszenierung von Regisseur Erik Petersen ist eine, die als Höhepunkt in die Annalen der Stückgeschichte eingehen wird. Es dauert nur Sekunden, bis die Zuschauer auf der vollbesetzten Tribüne sich von ihren Sitzen erheben und die ersten Bravorufe durch die Nacht schallen.

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Im wahrsten Sinne des Wortes ein Feuerwerk haben sie in den zurückliegenden drei Stunden (inkl. Pause) erlebt, ein Feuerwerk an fantastischen Bildern und vor allem Stimmen, fast zu viel, um es bei einmaligem Schauen des Stückes alles zu erfassen. 40 Orchestermusiker unter der musikalischen Leitung von David Levi im Zelt hinter der Kulisse und 80 Mitwirkende (Solisten, Chor, Ballett, Statisterie, Bühnentechniker) auf der Bühne machen die erste „Rebecca“- Inszenierung an einem Stadttheater zu einem unvergesslichen Musicalerlebnis.

Der Erwartungsdruck war hoch, schließlich mussten die Fans und auch die Ausführenden pandemiebedingt zwei Jahre länger als geplant auf die Aufführung warten. Die Theaterfans sind ausgehungert, die Theaterschaffenden wollen endlich loslegen. Und diese gespannte Freude ist am Premierenabend auf dem Domplatz deutlich zu spüren. Dann endlich die ersten Klänge, Sybille Lambrich nimmt das Publikum mit „Ich hab geträumt von Manderley“ mit auf ihre Reise, die Geschichte beginnt.

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Alles ist groß und gewaltig in dieser Inszenierung. Nicht nur die Zahl der Mitwirkenden, auch die Kulisse, die Ausstattung, die Effekte und vor allem die Stimmen und das Spiel der sorgfältig ausgewählten und perfekt besetzten Cast. Das Bühnenbild von Dirk Hofacker vereint die Hauptthemen des Stückes in sich. Das Meer und Boote spielen eine wichtige Rolle im Stück, und so ist das Bühnenbild, in dem sich die Geschehnisse zutragen, ein riesiger stilisierter und bespielbarer Schiffsrumpf mit einem großen Wasserbecken in der Mitte. Vier bewegliche Inseln bilden die Spielfläche für die wechselnden Szenerien, doch auch das Wasser selbst ist nicht nur einfach Kulisse, sondern sehr häufig Spielort mit einem ganz besonderen Reiz. Durch seine Einbeziehung ins Spiel entstehen ganz besonders beeindruckende Bilder, wie z.B. beim Finale des ersten Aktes, während „Strandgut“ und vor allem während „Keiner hat sie durchschaut“, als Rebeccas Geist „lebendig“ wird. Keiner der Darsteller bleibt im Verlauf des Stückes trocken, sicherlich eine besondere Herausforderung, die aber ihre Wirkung nicht verfehlt. An dieser Stelle muss auch einmal das Ankleiderteam des Theaters Magdeburg lobend erwähnt werden, sorgen diese doch dafür, dass die rund 250 Kostüme immer rechtzeitig am Mann bzw. an der Frau sind und bei der nächsten Vorstellung wieder trocken und einsatzbereit auf den Kleiderstangen hängen. Eine Mammutaufgabe! Bei den Kostümen hat Kristopher Kempf wieder einmal seiner Fantasie freien Lauf gelassen und Highlights für die Augen geschaffen. Vor allem beim Maskenball von Manderley funkelt und glitzert es und das maritime Hauptthema des Bühnenbildes wird hier in Form von Fischen, Leuchttürmen, Steuerrädern und anderem Schiffsinterieur oder Meerjungfrauen und Kapitänen aufgegriffen.

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Regisseur Erik Petersen nutzt – wie man es von vorigen Inszenierungen von ihm kennt – die gesamte Bandbreite, die ein Mehrspartenhaus zu bieten hat. Natürlich spielt der Chor bei „Rebecca“ eine besondere Rolle und dieser präsentiert sich spielfreudig, stimmstark und mit den Choreografien von Sabine Arthold als unabdingbarer Träger der Handlung. Doch auch das Ballett des Theaters wird in dem Stück, das eigentlich nicht zwingend für Tanznummern ausgelegt ist, wirkungsvoll eingesetzt und zaubert vor allem als Schatten eindrucksvolle Bilder.
Sowohl Chor und Ballett als auch die Statisten verschmelzen mit den Solisten der Inszenierung zu einem einheitlichen, stimmigen Ganzen. Allen voran Sybille Lambrich, die in der Rolle der „Ich“ den gesamten Abend auf ihren Schultern trägt. Absolut überzeugend vollzieht sie die Wandlung vom verschüchterten, von allen herumgeschubsten und unterschätzten Mädchen zu einer selbstbewussten jungen Frau, die sich den Unbilden des Lebens und den Menschen, die ihr Böses wollen, entgegen stemmt und trotz allem fest an die Macht der Liebe glaubt. Anfangs mit gesenktem Kopf und mit zittriger Stimme, am Ende trotz aller Schicksalsschläge ihres jungen Lebens aufrecht, erhobenen Kopfes und mit viel Kraft in der Stimme. Maxims Worte „Das Kind in deinen Augen ist verschwunden“ sind gleichsam das gesprochene Synonym für diese Wandlung. Lambrichs „Zeit in einer Flasche“ und ihre Duette mit Maxim („Hilf mir durch die Nacht“), Mrs. Danvers („Rebecca-Reprise“) oder Beatrice („Die Stärke einer Frau“) gehören zu den Höhepunkten des Abends.

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Dabei fällt es schwer, Höhepunkte herauszupicken, denn die Rollen sind bis in die kleinste stark besetzt. Besonderes Augenmerk liegt natürlich immer auf der Rolle der Mrs. Danvers. Und auch hier hat Erik Petersen mit Kerstin Ibald die perfekte Besetzung gefunden. Wenn sie als die bösartige Haushälterin von Manderley ganz in schwarz gekleidet die Bühne betritt und gesanglich den Geist von Rebecca beschwört, wird es gefühlt ein paar Grade kühler auf dem Domplatz und man bekommt unweigerlich Gänsehaut.

Publikumsliebling Patrick Stanke zeigt einen ausgesprochen emotionalen, innerlich zerrissenen Mann, der von sich selbst glaubt, wirklicher Liebe nicht fähig zu sein und am Ende erkennt, dass er es doch ist. Selbst in den Momenten größter Wut und größten Schmerzes ist Stankes Stimme gefühlvoll und weich und somit ist er eben nicht der erfolgsverwöhnte, reiche Gutsbesitzer, für den man ihn anfangs noch halten könnte. Er offenbart im Laufe des Stückes immer mehr die verletzliche Seite des Maxim de Winter, der am Ende unter der Last, nahezu alles verloren zu haben, fast zerbricht.

Jeanett Neumeister, die im Chor des Theaters engagiert ist, und Lutz Standop sind als Maxims Schwester Beatrice und deren Ehemann Giles zu erleben und sorgen dabei mit ihren tollpatschig-komödiantischen Auftritten für einige Lacher. Neumeister überzeugt darüber hinaus gesanglich in ihren Auftritten in „Was ist nur los mit ihm“ und „Stärke einer Frau“.

Marc Clear als Verwalter Frank Crawley ist gleichsam der Ruhepol des Stücks, während Robert David Marx als schmieriger „Lieblingscousin“ Jack Favell den Unsympathen gibt. Beide sind in ihren jeweiligen Rollen authentisch und überzeugen sowohl gesanglich als auch darstellerisch in jeder Hinsicht.

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Eine auf den ersten Blick immer etwas undankbare Rolle ist die des Ben. Der geistig eingeschränkte junge Muschelsucher ist womöglich der einzige Zeuge dessen, was wirklich mit Rebecca geschah und gibt es doch nicht preis. Gesanglich gibt es in dieser Rolle nicht viel Varianz, singt Ben doch immer dasselbe. Christian Miebach gelingt es trotzdem, dem Charakter so viel Leben und Persönlichkeit einzuhauchen, dass seine Auftritte definitiv im Gedächtnis bleiben werden.

Die Riege der Hauptcharaktere wird komplettiert von Amina Robinson als Edith van Hopper. Sobald sie die Bühne betritt, hat sie diese für sich. Laut, überdreht, mit einem enervierenden Lachen und sich überschlagender, kreischender Stimme verkörpert Amina Robinson die amerikanische Lebedame genau so, wie ihre Schöpfer Michael Kunze und Sylvester Levay sie sich wohl vorgestellt haben. Gesanglich ganz stark wird „I’m an American Woman“ zu einem weiteren Höhepunkt der Inszenierung.

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Vieles, sehr vieles gäbe es über „Rebecca“ in Magdeburg noch zu schreiben, um alle Finessen und Details der Inszenierung vollends zu erfassen, braucht es sicherlich mehr als nur einen Besuch. Eins jedoch sei allen Fans des Stückes versichert: Manderley brennt, und das richtig und gewaltig!

„Rebecca“ auf dem Domplatz in Magdeburg ist noch zu sehen bis zum 10. Juli, immer mittwochs bis sonntags. Die Freitage und Samstage sind schon nahezu komplett verkauft, für die übrigen Tage gibt es noch Karten.

 

 

Fotos: (c) Andreas Lander

 

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