Sister Act

Freilichtbühne Tecklenburg

Premiere: 24. Juni 2022

 

Es ist ein lauer Sommerabend, dieser Freitag, der 24. Juni 2022. Die Fahrt auf der A1 muss diesmal nicht mit einem traurigen Blick an der Abfahrt „Tecklenburg“ vorbeigehen, sondern in diesem Jahr dürfen endlich wieder die Blinker gesetzt und das kurvenreiche letzte Stück Straße in die historische und verträumte Kleinstadt überwunden werden. Nach der Pandemie-Zwangspause, die auch an der großen und schön gelegenen Freilichtbühne nicht spurlos vorbei gegangen ist, kann hier endlich wieder Schauspiel gezeigt und Musik gespielt werden. Endlich kann hier wieder Theater stattfinden.

Die Stadt wuselt, die Restaurants sind wieder voll besetzt und natürlich tut das sonnige Wetter sein Übriges, um überall gute Laune zu versprühen und fröhliche Gesichter zu zeigen. Erwartungsvoll stehen die Zuschauer vor dem Eingang der Burgruine, in welche sich die Bühne nahtlos einfügt, und strömen nach Eingangsöffnung schnell in das bekannte Rund. Der erste Blick verrät: Alles ist noch immer so wie vor den beiden Jahren Zwangspause. Die Bänke sind noch genauso unbequem (weiche Sitzauflagen sind anzuraten), aber auch immer noch genauso perfekt angeordnet wie in den Vorjahren und versprechen auch weiterhin von jedem Platz aus eine gute Sicht auf die breite Bühne, die nicht nur im unteren Bereich bespielt werden kann.

(c) Freilichtspiele Tecklenburg

Endlich kann die schon bereits zwei Mal verschobene himmlische Premiere von „SISTER ACT“ (Musik: Alan Menken – Text: Glenn Slater – Buch: Cheri und Bill Steinkellner) stattfinden, und nicht nur den Darstellern auf der Bühne sieht man die Freude darüber an. Die Musical-Komödie nach dem gleichnamigen Film mit Whoopi Goldberg in der Hauptrolle feierte seine Uraufführung 2015 im Pasadena Playhouse, Kalifornien, seine Europapremiere 2009 im London Palladium am West End und gelangte am 2. Dezember 2010 nach Deutschland an das Operettenhaus in Hamburg.

Unter der Regie von Werner Bauer (Regieassistenz: Michael Przewodnik) entsteht in Tecklenburg eine große, aber vor allem energiegeladene, lustige und kurzweilige Produktion, in der von der ersten Minute an herzhaft gelacht werden darf. Die von Till Nau gestalteten Choreografien, vor allem im Nonnenchor, der natürlich durch den großen Chor der Freilichtspiele Tecklenburg an Größe gewinnt, füllen das gesamte Bühnenrund und lassen augenblicklich Freude und Leichtigkeit ins Auditorium flackern. Das Bühnenbild, für welches Jens Janke verantwortlich zeichnet, ist wiederholt auf zwei Ebenen gebaut und durch die Akteure auf der Bühne schnell zu bewegen. Die gewählte Kastenform beheimatet ebenso Kloster wie durch Herumdrehen Gangsterbar und wird auf der linken Seite durch die Polizeiwache ergänzt. Die Kostüme von Karin Alberti sind einfach gehalten und verwandeln sich lediglich durch kleine Kniffe in strahlend-auffällige Roben. Das Orchester der Freilichtspiele Tecklenburg spielt gewohnt souverän und unauffällig, aber sehr wohl angenehm unterstreichend im Hintergrund und lässt die Stimmen der Protagonisten einmal mehr glänzen.

(c) Freilichtspiele Tecklenburg

Deloris van Cartier, eine wenig erfolgreiche Clubsängerin, wird Zeugin des kaltblütigen Mordes, den ihr Liebhaber Curtis an einem seiner Gefolgsmänner, Ernie (Julian Schier), verübt. Da dessen Gefolge den Auftrag erhält Deloris auszuschalten, wendet sie sich an den ewig schwitzenden Lieutenant Eddie Schwitz- ähm Fritzinger, der sie in einem Nonnenkloster vor den Verfolgern versteckt. Wer würde die schillernde und wenig demütige Lady schon in einer solchen Location und dazu noch in einem „Pinguin-Kostüm“ vermuten. Deloris‘ Leben wird als Schwester Mary Clarence gehörig auf den Kopf gestellt. Erst an der Idee der Mutter Oberin, sie in den Klosterchor zu integrieren, findet sie Gefallen. Sie beginnt mit Leib und Seele den bisher recht untalentierten Schwestern zu wahrer Sangeskunst zu verhelfen und formt einen gefeierten Gospelchor. Mit dem kleinen bisschen Mehr an weltlicher Anschauung gelingt es ihr, wieder mehr Menschen in die von Geldsorgen geplagten, leeren Kirchenbänke zu locken. Der Höhepunkt für den bald weit über die Grenzen des Klosters hinaus bekannten Chor ist schließlich die Einladung vor dem obersten Kirchenhaupt überhaupt, dem Papst, zu singen. Selbst der Verkauf des Klosters an die russischen Interessenten Herr Perestrojka und Herr Gasnost (einer der vielen kleinen, geschickt in der Inszenierung versteckten, Seitenhiebe auf aktuelle Themen) kann damit verhindert werden. Allerdings beschwört die neue Berühmtheit des Chors natürlich auch die Entdeckung von Mary Clarence durch Gangsterboss Curtis und seine Helferlein herauf. Diese machen sich sofort daran einen möglichst unauffälligen Weg ins Kloster zu erdenken, um Deloris letzten Endes ihrem Boss ans Messer zu liefern.

(c) Freilichtspiele Tecklenburg

Spätestens hier hält es keinen mehr, Lachtränen zu vergießen. TJs (Florian Albers), Joeys (Benjamin Eberling) und Pablos (Mathias Meffert) verführerischer Tanz mit einer Stehlampe wird sicherlich noch lange in den Köpfen der Zuschauer nachhallen, wenn sie an Sister Act in Tecklenburg zurückdenken. Alle Drei füllen ihre Figuren mit so herrlich-albernem Kleingeist und werfen sich dabei die Bälle so mühelos gekonnt zu, dass einfach kein Auge trocken bleibt.

Martin Pasching legt seinen Gangsterboss Curtis authentisch und skrupellos an und bildet damit einen gelungenen Gegensatz zu Andreas Goebel als Monsignore, der den Kirchenvertreter und Helfer der guten Seite erhaben, aber auch herrlich frisch gibt.

Dass der Freilichtbühne Tecklenburg mit der Niederländerin Peti van der Velde eine großartige Besetzung der Deloris van Cartier gelungen ist, steht außer Frage. Stimmgewaltig und mit Wumms bildet sie das Herzstück des Musicals und reißt die Zuschauer mit. Lediglich zu Beginn scheint ihr die deutsche Aussprache ein wenig schwer zu fallen, was sich aber sehr schnell gibt und reiner Spielfreude weicht.

Auch wenn Fabio Diso in der Rolle des Eddie Fritzinger ebenfalls zu Beginn dieser ersten Vorstellung noch ein klein wenig hölzern wirkt, gelingt es ihm sich im frühen Verlauf der Show, spätestens aber mit seinem Solo „Tief in mir“, freizuspielen und sowohl seine gesangliche wie auch schauspielerische Qualität unter Beweis zu stellen.

Getragen aber wird das ganze Stück natürlich durch den großartig agierenden Schwesternchor, allen voran als Mutter Oberin Masha Karell, die ihre Figur mit einer schauspielerischen Glanzleistung und ebensolcher Stimmgewalt sowie schönen Nuancen von distanziert und kühl zu warmherzig und verständnisvoll führt.

(c) Freilichtspiele Tecklenburg

Katia Bischoff schafft den großen Spagat von unscheinbarer und Mitleid erregender grauen Maus zur selbstbewussten und in ihren Gesangsoli glänzenden Schwester Mary Robert in herausragender Weise und besticht sowohl mit ihrem großen gesanglichen wie schauspielerischen Talent.

Jennifer Kohl als Schwester Mary Patrick gelingt es, die in ihrer Rolle geschickt gesetzten Pointen großartig rüberzubringen und so etliche Lacher einzuheimsen.

Aber egal ob Birgit Widmann und Gülfidan Soylemez (Schwester Mary Lichter und Schwester Mary Lafer – die Küchenschwestern mit aktuellem Bezug), Mona Graw, Regina Venus, Esther Larissa Lach, Lara Schitto, Janina Niehus oder Dominique Aref als Schwestern oder auch das Ensemble mit Jan Altenbockum, Jürgen Brehm, Zoltan Fekete, Lukas Haiser, Mathias Meffert und Julian Schier – die Spielfreude ist allen anzumerken und Witz, Schwung und jede Menge Energie schwappen sowohl über den großartigen Gesang als auch über die gelungenen Choreografien unmittelbar ins Publikum. Ein Kloster-Besuch, der sich lohnt!

Zu sehen ist „Sister Act“ an der Freilichtbühne in Tecklenburg, ebenso wie das diesjährige zweite Stück „Der Besuch der alten Dame“ (Premiere: 22. Juli 2022) noch bis Mitte September. Das Kinderstück „Der Zauberer von OZ“ gelangt bereits Mitte August zur Derniere. Karten bekommt man – auch telefonisch – an der Theaterkasse sowie online über die Website der Freilichtspiele Tecklenburg unter: www.freilichtspiele-tecklenburg.de

 

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Weiterführende Links:

Freilichtspiele Tecklenburg
Florian Albers
Benjamin Eberling
Julian Schier
Gülfidan Soylemez
Lara Schitto
Janina Niehus

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